Christine BuchholzDIE LINKE - Wissenschaftskooperation mit Subsahara-Afrika
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition möchte die Wissenschaftskooperation zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern in Subsahara-Afrika vertiefen. Dadurch sollen Chancen genutzt und „entscheidende Hebel“ in Bewegung gesetzt werden, um dort Wachstum, Wohlstand und sozialen Frieden zu schaffen und damit den Fluchtursachen zu begegnen.
(René Röspel [SPD]: Ja, ist doch gut! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist gut!)
So heißt es im vorliegenden Antrag von Union und SPD.
Keine Frage: Selbstverständlich unterstützt die Linke internationale Wissenschaftskooperationen, insbesondere mit den armen und ärmsten Ländern der Welt.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Bloß zustimmen will die Linke wieder nicht!)
Denn viele von ihnen sehen sich gegenwärtig kaum in der Lage, gute Forschung und Lehre aus eigener Kraft zu entwickeln und zu betreiben. Wir sollten uns schon damit beschäftigen, welche Gründe das hat. Es sind die Spätfolgen des Kolonialismus und eine jahrzehntelange Politik der Unterentwicklung, die auch von Europa und Deutschland betrieben wurde. Es liegt daran, dass wirtschaftliche Interessen, auch die der deutschen Politik, primär die Politik gegenüber Afrika bestimmen und dass die Eliten in den verschiedenen Ländern – nicht nur in denen Subsahara-Afrikas – vorrangig ihre eigenen Interessen und nicht die der breiten Bevölkerung im Sinn haben.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Was?)
Zweifellos kann Wissenschaftskooperation dazu beitragen, gesellschaftlichen Fortschritt in diesen Ländern zu erreichen. Die Bundesregierung sieht jedoch darin zentrale Hebel für gesellschaftlichen Fortschritt, und davon kann doch wirklich nicht die Rede sein.
(Beifall bei der LINKEN – René Röspel [SPD]: Also für die Sozialdemokratie war Bildung immer ein Punkt von Fortschritt!)
Es gibt viel zentralere Hebel, die Sie gar nicht erst anfassen. Nehmen wir beispielsweise ein 17 Jahre altes Versprechen der Bundesrepublik: 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes soll für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehen. Das ist schon nicht besonders viel. 2015 betrugen die deutschen öffentlichen Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit gerade einmal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Damit ist die Bundesregierung – wie in jedem Jahr zuvor – ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen.
Um die jeweiligen Anstrengungen einmal ins Verhältnis zu setzen: Für den Bundeswehreinsatz in Mali wurden die Ausgaben von 35 Millionen Euro im letzten Jahr auf 163 Millionen Euro in diesem Jahr angehoben, also innerhalb eines Jahres um mehr als 100 Millionen Euro. Das zeigt doch die falschen Prioritäten Ihrer Afrika-Politik!
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. René Röspel [SPD])
Schauen wir noch einmal in den Bildungsbereich. Ich denke, ein zentrales Thema ist die Grundschulbildung, und die höchste Rate von Analphabeten finden wir in dieser Region. Jetzt sollen die Mittel für den Fonds der Globalen Bildungspartnerschaft 2018 von 7 auf 9 Millionen Euro steigen.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Immerhin!)
Jedoch wären 100 Millionen Euro nötig, um zumindest die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Angesichts dessen ist das doch mehr als erbärmlich.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie deuten in Ihrem Antrag an, dass Hochschulbildung vor Armut schützen würde. Seien Sie doch ehrlich: Nachhaltigen Schutz vor Armutslöhnen beispielsweise bieten vor allem starke und durchsetzungsfähige Gewerkschaften und Bewegungen.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ach!)
Wie sonst könnten den inländischen und vor allem den ausländischen Unternehmen höhere Löhne abgerungen werden? Aber das kollidiert natürlich dann mit den Interessen von europäischen und deutschen Unternehmen, die dort billig produzieren lassen wollen.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Schwachsinn ist das! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
– Nun regen Sie sich nicht auf! Das ist die bittere Wahrheit.
(Lachen bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das ist nur ein Teil der Wahrheit!)
In Kenia führen übrigens dieser Tage Tausende Ärzte an öffentlichen Kliniken einen erbitterten Streik für die Umsetzung ihres Tarifvertrages. Diesen hat die Regierung in den letzten Jahren immer wieder gebrochen.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Fahren Sie doch einmal hin!)
Dies zeigt deutlich: Die fehlende Hochschulbildung ist eben nicht das zentrale Hemmnis im Gesundheitssystem oder der Hauptgrund für schlechte Löhne, sondern dahinter stehen ganz andere Interessen.
Ein weiteres Beispiel: Der guten Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten steht nicht die unterentwickelte Wissenschaft im Wege. Nein, es sind die Patentrechte der Pharmaindustrie, mit denen sich die europäischen Unternehmen überteuerte Preise und satte Gewinne sichern können. Dort könnten Sie doch auch einmal aktiv werden!
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Ihr habt unseren Antrag dazu abgelehnt!)
Das Wichtigste, Frieden für die Menschen in Afrika, wird nicht vorrangig durch Bildung und Wissenschaft erreicht. Viele der blutigsten Diktatoren Afrikas haben selbst studiert – übrigens viele von ihnen auch in Europa –, aber Afrika wurde allein dadurch nicht friedlicher und freier; denn Frieden und Entwicklung kann es nur geben, wenn die gesamte Bevölkerung endlich von dem massiven Reichtum ihres Kontinents profitiert.
(Beifall bei der LINKEN – René Röspel [SPD]: Genau! – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Da haben Sie recht! – Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das sagen Sie immer! Darauf reiten Sie immer herum!)
Das setzt einen Bruch mit der bisherigen Afrika-Politik der Bundesregierung voraus, die auf wirtschaftliche Interessen, eine Sicherheitsstrategie und Flüchtlingsabwehr setzt.
Sie sprachen davon, dass der nächste Einstein aus Afrika kommen könnte. – Ja, davon bin ich auch überzeugt.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Dann könnt ihr dem Antrag zustimmen!)
Aber wir müssen uns einem Problem stellen: Der nächste Einstein, wenn er denn aus Afrika kommt und sich auf den Weg nach Norden macht, hat eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, im Mittelmeer zu ertrinken.
(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Quatsch!)
Deshalb müssen wir hier über Heuchelei sprechen, Heuchelei Ihrer Politik. Wir wissen um die Bedeutung von Hochschulen und Forschung für die Entwicklung und unterstützen dies auch, aber wir wollen hier nicht der Heuchelei das Wort reden, die Ihre Afrika-Politik dominiert.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Machen Sie mal einen konkreten eigenen Vorschlag!)
Sie sollten vorsichtig sein, sich hier als Vorkämpfer für Wachstum, Wohlstand und sozialen Frieden in Afrika darzustellen; denn das steht Ihnen wirklich nicht zu.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion erhält nun Dr. Daniela De Ridder das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7064859 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 216 |
Tagesordnungspunkt | Wissenschaftskooperation mit Subsahara-Afrika |