27.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 216 / Tagesordnungspunkt 32

Waltraud WolffSPD - Opferentschädigungsgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fassungslos habe ich am 19. Dezember auf die Bilder vom Breitscheidplatz geschaut. Fassungslos und geschockt bin ich eigentlich noch heute, wie wir alle.

Aus kalter Berechnung wurden wahllos Menschen getötet, verletzt, mit dem alleinigen Ziel, tiefe Angst zu schüren und zu schaffen. Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass das nicht gelungen ist. Das haben die Berliner, das hat die Bevölkerung gezeigt. Das ist sehr, sehr gut.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Schmerz der Angehörigen und der Opfer kann ich nur erahnen. Ebenso kann ich nur erahnen, welche Folgen die Verletzungen und die traumatischen Erlebnisse für die Überlebenden in der Zukunft haben werden. Umso wichtiger ist es, den Opfern und Angehörigen unser Mitgefühl zu zeigen und sie zu unterstützen, wo wir nur können. Sie müssen nach dieser Tat weiterleben, und es ist unsere Aufgabe, ihnen so zu helfen, wie wir es können.

Frau Jelpke, Sie haben hier vom gerichtlichen Einklagen von Entschädigungen gesprochen. Mir ist so etwas nicht bekannt. Das müssten Sie dann schon unterlegen.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Anwälte drohten damit! Mal richtig hinhören!)

Es geht hier, meine Damen und Herren, natürlich um körperliche und seelische Folgen, die die Menschen davongetragen haben – aber nicht nur. Oft brechen bei Opfern oder Angehörigen Einkommen weg. Es ist für mich überhaupt keine Frage, dass wir diese Menschen nicht alleinlassen. Das hat Andrea Nahles sofort nach dem Anschlag deutlich gemacht, und das war gut und richtig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Direkt nach dem Anschlag hat das Land Berlin den Verletzten und den Angehörigen der Opfer seine Traumaambulanzen zur Verfügung gestellt. Das war ein ganz wichtiger Schritt.

Letzte Woche, meine Damen und Herren, wurde nun die weitere Entschädigung vereinbart. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verletzten und Hinterbliebenen dieses Anschlages erhalten das ganze Spektrum der Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Dafür wird der Härteausgleich genutzt. Die Hinterbliebenen und Verletzten erhalten Leistungen aus dem Entschädigungsfonds, der von der Verkehrsopferhilfe e. V. verwaltet wird, und sie erhalten auch Härteleistungen für Opfer terroristischer Straftaten. Ich persönlich bin sehr froh, dass die Bundesministerien für Arbeit und Soziales sowie der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam mit dem Land Berlin zügig eine ganz umfassende Lösung gefunden haben.

Im konkreten Fall diskutieren wir natürlich, ob und wie so ein Anschlag hätte verhindert werden können. Aber die traurige Gewissheit ist: Wir können nicht alle Gewalttaten, wir können nicht alle Anschläge verhindern. Wir können auch nicht den Schmerz und die körperlichen und seelischen Folgen lindern. Aber wir können mit unserem Opferentschädigungsrecht helfen, die gesundheitlichen und auch die finanziellen Folgen einer Gewalttat zumindest zu schmälern.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was sagen Sie jetzt zu unseren Vorschlägen?)

– Ich komme noch darauf.

Meine Damen und Herren, ich will keine Schelte verteilen; aber wenige Tage nach dem Anschlag wurde in den Medien die Frage, ob und welche Entschädigungen möglich sind, breit diskutiert. Viele haben auch berichtet, eine Entschädigung sei überhaupt nicht möglich. Was für eine Verunsicherung für die Opfer und die Hinterbliebenen! Meine Damen und Herren, richtig ist, dass zu diesem Zeitpunkt nicht klar war, dass der Härteausgleich genutzt werden kann. Aber: Dass der Entschädigungsfonds der Verkehrsopferhilfe greift, war bereits am nächsten Tag klar. Ich will einfach die Frage in den Raum stellen: Wäre hier nicht mehr Sorgfalt angebracht gewesen? War es wirklich notwendig, Opfer zu verunsichern?

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An wen richtet sich das denn, was Sie da sagen?)

Es ist unser gemeinsames Anliegen, dass die Betroffenen alle notwendige Hilfe bekommen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu wem sprechen Sie denn?)

– Zu euch.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Wir verunsichern? – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie führen Selbstgespräche!)

Sie bekommen – und das ist jetzt auch klar – alle Leistungen, die zur Verfügung stehen. Der Härteausgleich ist da ein richtig guter Weg.

Die Grünen schlagen heute in ihrem Gesetzentwurf vor,

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich!)

in der Zukunft einen anderen Weg zu gehen. Sie wollen die Ausnahme für Kraftfahrzeuge aus dem Opferentschädigungsgesetz streichen. Die Abgrenzung zwischen der Entschädigung über den Fonds der Verkehrsopferhilfe und der Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz würde dadurch schwieriger. Darüber hinaus befürchten Sie – so habe ich das interpretiert –, dass es Streit zwischen den Trägern über die Zuständigkeit geben könnte.

Der Härteausgleich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dagegen bietet die Möglichkeit, unvorhergesehene Fälle abzudecken, und die Verwaltung ist ermächtigt festzulegen, dass das Opferentschädigungsrecht greift. Das hat nach dem Anschlag auch gut funktioniert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Anschlägen wird oft mehr über die Täter als über die Opfer geredet. Oft nimmt man die Toten mehr wahr als die Überlebenden. Umso wichtiger ist es, dass unser Opferentschädigungsrecht gut funktioniert. Die Teile, die wir zusammengefügt haben, funktionieren richtig gut.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. h. c. Albert Weiler [CDU/CSU])

Es ist ein wichtiges Zeichen unserer Gesellschaft an die Überlebenden: Wir nehmen euch wahr. Wir können euer Leid zwar nicht stillen, aber wir wollen helfen, wo wir können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig schlecht! Meine Güte! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Am Thema vorbei!)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Albert Weiler, CDU/CSU-Fraktion.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7064900
Wahlperiode 18
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Opferentschädigungsgesetz
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