Markus PaschkeSPD - Aktuelle Stunde zur wachsenden Gefahr der Altersarmut in Deutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute schon ganz viel über Statistiken etc. gehört, und ich wollte eigentlich auch damit anfangen. Ich finde es schon beängstigend, wenn Eurostat feststellt, dass jeder Fünfte hier in Deutschland von Armut gefährdet ist. Solche Statistiken bilden immer nur die Vergangenheit ab. Wichtig ist, was wir daraus für die Zukunft lernen.
Vergleiche ziehen sollte man nicht zu Ländern, die ein wesentlich niedrigeres Niveau als wir haben, sondern zu Ländern, deren Niveau gleich unserem oder sogar höher ist.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Ich würde dafür die Niederlande mit einem gleichen oder Norwegen mit einem höheren Niveau heranziehen. Die Armutsrisikoquote dort liegt bei 10,9 Prozent bzw. 11,6 Prozent. Das heißt doch für uns, dass es bei uns im Moment noch nicht optimal geregelt ist; andere Länder sind vielmehr ein Beispiel dafür, wie man es wesentlich besser regeln kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann man sehr viel von lernen!)
Wir brauchen hier also bessere Lösungen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser als die Große Koalition! Das ist richtig!)
In meinen Bürgersprechstunden habe ich die gleichen Erfahrungen wie meine Kollegin Daniela Kolbe gemacht. Die Betroffenen kommen und schildern ihre Situation. Viele empfinden es als unwürdig, wenn sie zum Sozialamt gehen und Alterssicherung beantragen sollen. Ich kann das auch nachvollziehen. Meine Großmutter hat genauso reagiert, als mein Großvater gestorben ist und sie nur noch mit einer kleinen Witwenrente dastand. Sie hat ihr Leben lang mitgearbeitet; aber sie hat nichts davon gehabt: Mein Großvater war selbstständig, und sie war mithelfende Familienangehörige. Wenn wir Lösungen suchen, müssen wir schauen, dass wir die Menschen in den Mittelpunkt stellen und individuelle Angebote machen.
Es gibt zukünftig sehr viel mehr Menschen, die betroffen sein werden. Das zeigt sich, wenn man sich die Situation einmal anschaut: Der Niedriglohnsektor wird immer größer; er ist schon in der Vergangenheit deutlich gewachsen. Es gibt sehr viel größere Armutsrisiken für Selbstständige, für Solo-Selbstständige im Handwerk, im Dienstleistungsbereich und in vielen anderen Bereichen. Es sind überwiegend Frauen, die durch Kindererziehung, durch Pflegeleistungen etc. ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen haben. All diejenigen werden zukünftig wahrscheinlich eine Rente bekommen, die nicht mehr zum Leben reicht. Um diese Menschen müssen wir uns kümmern.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der Mann hat recht!)
– Zuhören hilft manchmal, liebe Kollegen.
(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir hören ja zu! – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Auch ganz genau!)
Eine Vorstufe zur Rente sind Ausbildung und damit Eintritt in die Arbeitswelt. Das heißt, wir müssen uns auch darum kümmern, dass wir sachgrundlose Befristungen endlich wieder abschaffen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben wir schon x-mal vorgelegt!)
dass wir den Niedriglohnsektor eindämmen.
Auch wenn die Linke immer gern auf die Agenda 2010 verweist, will ich einmal einen Vorsitzenden der SPD zitieren. Willy Brandt hat einmal gesagt: Jede Zeit erfordert ihre eigenen Antworten.
(Beifall bei der SPD)
Das, was im Jahr 2000 vielleicht gut war – zumindest haben diejenigen, die es gemacht haben, es damals als sinnvoll und gut empfunden –, muss heute nicht richtig sein. Ich bin der Überzeugung, dass wir heute eine ganz andere Anforderung haben. Heute haben wir eine andere Zeit. Es geht darum, dass wir alle Menschen an dem Erfolg, den wir in Deutschland haben, teilhaben lassen. Das ist doch entscheidend.
(Beifall bei der SPD)
Das heißt, wir müssen uns sehr viel mehr um die kümmern, die nicht zu den Gewinnern zählen,
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Aha!)
sondern die auf gleichem Niveau verharren oder die sogar Abstiegsängste haben. Das sind nicht wenige. Das ist die Aufgabe, der sich die Politik stellen muss. Wir müssen versuchen, die Zukunft besser zu gestalten und nicht nur der Vergangenheit hinterherzutrauern. Das hilft nicht.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die letzten paar Jahre waren einfach schlecht!)
Wir müssen aus der Vergangenheit lernen und es in Zukunft besser machen. Es gibt gute Beispiele dafür.
Danke.
(Beifall bei der SPD)
Als nächster Redner hat Dr. Carsten Linnemann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7073259 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 217 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur wachsenden Gefahr der Altersarmut in Deutschland |