16.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 218 / Tagesordnungspunkt 3 + ZP 2

Johannes KahrsSPD - Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier eine Debatte, in der – das hat sich eben schon in den Beiträgen der Kollegen gezeigt – die Opposition relativ wenig Opposition war, weil auch Ministerpräsidenten wie Ramelow und Kretschmann zugestimmt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die schärfste Kritik dagegen kam von Ralph Brinkhaus und Carsten Schneider. Man muss einfach einmal sagen: Das gibt es relativ selten im Deutschen Bundestag.

Wenn man sich den Grund dafür anschaut, erkennt man: Er liegt darin, dass eine Zustimmungsrate von 16 : 0 nirgendwo im Grundgesetz verankert ist. Eine solche Zustimmungsrate wäre Ausdruck einer neuen Regierungsform in diesem Land, und die Frage ist, ob man das will.

Hier hat bisher nur die Exekutive mit der Exekutive verhandelt. Hier haben die Länder mit der Bundesregierung verhandelt. Jetzt wird erwartet, dass der Deutsche Bundestag dem Ergebnis zustimmt – am besten ganz schnell, am besten ohne Anhörung und am besten eben so, dass es keiner groß merkt. Ich glaube, das geht nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind Bundestagsabgeordnete, wir haben ein Selbstverständnis, und das, was da bisher gelaufen ist, geht überhaupt nicht.

Es gilt immer noch das Struck’sche Gesetz: Kein Gesetzentwurf wird den Bundestag so verlassen, wie er in den Bundestag hineingekommen ist. – Wir haben das ja heute schon mehrfach gehört. Das halte ich für richtig, und das halte ich für gut. Ich glaube, dass es nicht angehen kann, dass sich die Länder hier mit einem Stimmenverhältnis von 16 : 0 auf Kosten des Bundes durchsetzen und dass der Deutsche Bundestag dem sang- und klanglos zustimmt.

Wenn man sich das in der Sache einmal anschaut, dann kann man sich über Feinheiten streiten. Der Kollege Brinkhaus hat gegen die Eingrenzung des Kooperationsverbotes gewettert. Das hat er schon immer getan; daher ist er sich darin treu geblieben. Die Grünen haben uns gemahnt, es nun aufzuheben. Man muss aber auch einmal sagen, dass es der grüne Ministerpräsident Kretschmann war, der in einer Protokollnotiz am härtesten von 16 Ministerpräsidenten gegen die Aufweichung des Kooperationsverbotes vorgegangen ist.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der LINKEN: Genau!)

Da muss man sich als Grüner doch einfach einmal fragen, warum man hier entsprechend predigt, aber der eigene Ministerpräsident das genaue Gegenteil tut.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt gelegentlich vor!)

Es gibt den Wunsch nach eine Zwischenfrage, Herr Präsident.

Ja, ich habe es gesehen. Ganz offenkundig haben Sie darauf gewartet.

(Heiterkeit bei der SPD)

Bitte schön, Frau Haßelmann.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank auch, Herr Kahrs, dass Sie die Frage zulassen. – Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Ich spreche mich mit Herrn Kahrs nicht ab.

Ich habe eine Frage zu dem, was Sie gerade gesagt haben. Herr Kahrs, der Neuigkeitswert Ihrer Aussage geht doch gen null. Dass Herr Kretschmann dazu eine andere Position hat als die grüne Bundestagsfraktion

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Jahrzehnte bekannt!)

und sehr viele andere grün-regierte Länder, ist hinreichend bekannt, und zwar seit Jahrzehnten, lange vor diesen Vereinbarungen.

Wenn Sie dieses Prinzip gern als Maßstab anlegen, dann muss ich sagen: Uns ist durch öffentliche Einlassungen auch bekannt, dass sich Ihr neuer Spitzenkandidat Schulz öffentlich massiv gegen die Managergehälter positioniert, wie wir Grünen dies ebenfalls tun, gleichzeitig aber die Vertreter der Regierung in Niedersachsen – das gilt für die CDU/FDP-Koalition als auch für die SPD; ich nenne hier die Ministerpräsidenten Wulff und Weil – für alle entsprechenden Regelungen bei VW gestimmt haben. So ist es manchmal im Leben, und ich denke, es ist wichtig, dass unsere grüne Fraktion ihre Position deutlich macht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt habe ich das Problem, Frau Kollegin – und ich bedaure das, weil Sie eine so erfahrene Kollegin sind –, dass die Frage gefehlt hat. Eigentlich ist es ja so üblich, dass man eine Frage stellt und so lange stehen bleibt, bis man eine Antwort bekommt.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Eine Zwischenbemerkung, Herr Kollege! Das steht in der Geschäftsordnung!)

Wenn man aber keine Frage stellt, sondern ein Statement bringt, dann habe ich jetzt ein Problem.

Ich finde es natürlich gut, dass Sie noch einmal betont haben, dass der grüne Ministerpräsident Kretschmann dagegen ist, dass der Bund Geld gibt, um Schulen zu finanzieren. Dass Sie noch einmal unterstreichen, dass Sie das anders sehen, finde ich okay. Aber damit dürfte auch bei den Letzten die Nachricht angekommen sein, dass sich die Grünen nicht einig sind. – Vielen Dank. Sie dürfen sich setzen.

(Beifall bei der SPD)

Im Ergebnis ist es aber so, dass neben diesem Punkt auch andere Punkte enthalten sind. Das Thema Unterhaltsvorschuss ist bereits erwähnt worden. Ich danke Manuela Schwesig für ihren monatelangen Kampf. Das war nicht ganz einfach; wir wissen das. Daher freuen wir uns, dass du dich dort durchgesetzt hast.

(Beifall bei der SPD)

Im Ergebnis, denke ich, ist es nämlich so, dass gerade den Alleinerziehenden, über die viel geredet wird, die aber manchmal ziemlich allein sind, geholfen wird. Das ist eines der guten Dinge.

(Beifall bei der SPD)

Was schwierig ist, ist allerdings, dass wir 13 Grundgesetzänderungen haben. Wir haben alle hart darum gerungen, dass wir sechs Anhörungen in drei Tagen durchführen können. Wir müssen im März sehr genau prüfen, inwieweit wir das, was es an Diskussions- bzw. Beratungsbedarf gibt, in diesen drei Sitzungen behandeln können. Ich bin den Kollegen der CDU/CSU sehr dankbar, dass wir das gemeinsam so beschlossen haben. Das ist nicht einfach. Aber ich denke, es kann nicht angehen, dass zwischen Ministerpräsidenten und Bundesregierung jahrelang diskutiert wird und wir das hier einfach durchwinken. Für mich ist das nicht akzeptabel. Deshalb meine ich, dass man sich das im Ergebnis genau anschauen muss.

Es gibt nämlich Dinge, von denen ich auch persönlich denke, dass man noch etwas ändern muss. Das sind beispielsweise die Rechte des Bundesrechnungshofes. Er hat eine wichtige Aufgabe. Wenn wir die Stärkung seiner Rechte gemeinsam durchsetzen können, würde mich das jedenfalls sehr freuen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke auch, dass die Rechte des Bundes mit Blick auf die Steuerverwaltung gestärkt werden müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin immer ein großer Fan einer einheitlichen Bundessteuerverwaltung gewesen, und ich denke, dass dieser Wirrwarr mit den Ländern aufhören muss. Wenn wir das schon nicht komplett schaffen, muss es zumindest stärkere Kontrollrechte des Bundes geben, damit in allen Ländern gleiches Recht existiert.

Außerdem müssen wir uns das Thema der Bundesfernstraßengesellschaft noch einmal genau anschauen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin dem Bundesminister der Finanzen sehr dankbar, dass er eben gesagt hat, dass diese neue Gesellschaft nicht kreditfähig sein wird.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir Haushälter hatten große Angst, dass hier das Problem von Schattenhaushalten entsteht. Das kann und darf so nicht sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gleichzeitig glauben wir aber nicht, dass eine GmbH die richtige Lösung wäre, um hier um die Kurve zu kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben das anderswo erlebt. Wenn man den Bericht des Bundesrechnungshofes liest, dann stellt man fest, dass nach wenigen Jahren die Rechtsform in Richtung Aktiengesellschaft geändert werden kann. Das haben wir bei der Deutschen Bahn erlebt. Jeder, der erklärt, dass die Deutsche Bahn ein wunderbares Instrument ist, um irgendetwas effizient und vernünftig zu organisieren, der möge das doch einfach einmal täglich ausprobieren. Dann kommt er vielleicht zu anderen Ergebnissen. Ich persönlich halte eine Anstalt des öffentlichen Rechts für die richtige Rechtsform.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass wir hier kein Geldproblem haben, sondern ein Organisationsproblem. Wenn es denn dann so sein sollte, dass die Länder zustimmen, dass das Ganze auf Bundesebene stattfindet, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass es funktioniert. Nur weil es eine Bundesverwaltung wird, heißt das nicht, dass sie besser funktioniert. Ich könnte jetzt über die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes sprechen. Es gibt also bestimmte Gesellschaften des Bundes, bei denen das nicht so toll funktioniert. Bei der Bundeswehr erleben wir das auch ab und an.

Im Ergebnis ist es so, dass wir hier eine Anstalt öffentlichen Rechts brauchen. Ich glaube, diese sollte nicht kreditfähig sein. Da müssen wir ganz klar aufpassen und alle gemeinsam darauf achten, dass nachher nicht über die Hintertür eine Privatisierung dieser Bundesautobahnen stattfindet mit dem Ergebnis, dass die beteiligten Firmen dann wie in Frankreich Renditen von 22 bis 27 Prozent haben. Das kann nicht das Interesse des Deutschen Bundestages, des Steuerzahlers

(Beifall bei der SPD)

und in diesem Fall auch des Autofahrers sein, der dies dann über eine neu geschaffene Pkw-Maut langfristig zahlen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält nun die Kollegin Valerie Wilms für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7073440
Wahlperiode 18
Sitzung 218
Tagesordnungspunkt Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs
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