16.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 218 / Tagesordnungspunkt 3 + ZP 2

Bettina HagedornSPD - Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Auch ich möchte ausführlich auf das hier schon häufig angesprochene Thema der neu zu gründenden Infrastrukturgesellschaft des Bundes für die Autobahnen eingehen. Aber eine Bemerkung sei mir vorab gestattet.

Es ist ja so, dass heute nicht nur wir Politiker sagen, sondern auch in den Medien zu lesen ist: Ein großes Problem – übrigens nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt – und eine bedeutende Ursache von Frust bei den Menschen ist die Tatsache, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die OECD sagt was anderes!)

Hier ist schon gesagt worden – es stimmt, und ich will es unterstreichen –: Wenn dieses Gesetz, auch in veränderter Form, vom Deutschen Bundestag beschlossen wird und die Verfassung geändert wird, dann werden wir dazu beitragen, dass die Schere zwischen Arm und Reich

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss man aber eine ganze Menge drehen!)

bezogen auf die Bundesländer in Deutschland immer weiter auseinandergeht. Damit würden wir einen Beitrag dazu leisten, dass das, was in unserer Verfassung steht, dass wir nämlich für gleichwertige Lebensverhältnisse in der Republik zu sorgen haben, immer schwieriger zu erreichen und alleine vom Bund zu schultern sein wird. Darum ist es nicht verwunderlich, dass quer durch alle Fraktionen, insbesondere von den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, hier heute schon sehr viel grundsätzlich Problematisches und Negatives zu den Rahmenbedingungen dieser Reform gesagt worden ist.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht gesagt worden ist!)

Dem will ich mich ausdrücklich anschließen.

Zu der Infrastrukturplanungsgesellschaft sagt der Bundesrechnungshof, auf den hier schon sehr oft verwiesen wurde, seit Jahren: Das muss besser werden als der Status quo, als die Auftragsverwaltung. – Dem schließe ich mich an. Wir können mit dem heutigen Stand nicht zufrieden sein. Eine Entflechtung der Zuständigkeiten, also Finanzierung, Planung und Bau in eine Hand zu legen, ist ein guter Weg. Das wäre besser, wenn es denn gelingt. Wir müssen uns anschauen, ob man mit den Gesetzentwürfen, die hier vorgelegt wurden, diesem Ziel gerecht werden kann.

Herr Schäuble, ich habe mit Freude gehört, dass Sie vorhin gesagt haben, diese Gesellschaft solle nicht kreditfähig sein. Allerdings sagt der Bundesrechnungshof – auch das ist zu betonen –: Im Gesetzentwurf steht das leider nicht so drin. – Das heißt, wir müssten den Gesetzentwurf an dieser Stelle verändern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Das Gutachten des Bundesrechnungshofs besagt ganz eindeutig, dass in dem Gesetzentwurf drei Phasen vorgesehen sind und nur in der ersten Phase eine Kreditfähigkeit nicht vorgesehen ist. In der zweiten und dritten Phase werde sie aber hergestellt, und die dritte Phase soll schon 2020 erreicht sein, sodass die Gesellschaft dann die Kreditfähigkeit hätte. Wenn wir das nicht wollen – und ich habe dem Beifall vorhin entnommen, dass wir das nicht wollen –, dann greift an dieser Stelle das Struck’sche Gesetz: Wir müssen den Gesetzentwurf ändern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In dem vorgelegten Gesetzentwurf sind Prüfrechte des Bundesrechnungshofs nicht vorgesehen. Auf unsere Nachfrage hat das Bundesfinanzministerium erklärt, das könnten wir im parlamentarischen Verfahren ändern. Das stimmt, und ich gehe davon aus, dass wir das tun. Allerdings muss man fragen, warum diese Prüfrechte in der Vorlage der Regierung nicht drinstehen; denn eines ist wahr: Wenn der Bundesrechnungshof keine Prüfrechte hat, dann haben wir Abgeordneten auch keine Chance, im Haushaltsausschuss unserer Aufgabe der Kontrolle und letzten Endes auch der Steuerung der Ausgabenströme – dabei geht es um Milliarden –, die wir anstreben, gerecht zu werden. Insofern müssen wir die Prüfrechte des Bundesrechnungshofs einfügen. Sonst entmachten wir uns als Abgeordnete selber.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Stichwort „Privatisierung“ ist hier zu Recht schon häufig genannt worden. Es ist gut, dass Sigmar Gabriel am 24. November 2016 durchgesetzt hat, dass neben der einfachen Privatisierungsbremse, die mit den Stimmen aller 16 Ministerpräsidenten am 14. Oktober 2016 abgesegnet wurde, eine zweite Privatisierungsbremse in den Regierungsentwurf eingefügt wurde, es also eine doppelte Privatisierungsbremse gibt. Allerdings – auch das will ich hier deutlich sagen – ist das nichts, worauf wir uns ausruhen können. Wir müssen an dieser Stelle dringend nachbessern, da funktionale Privatisierungen, zum Beispiel über Netz-ÖPP, möglich sind. Der Bundesrechnungshof hat uns dazu dankenswerterweise aufgeschrieben – sehr klug –, welche Privatisierungen durch die Hintertür es geben könnte, wenn wir den Gesetzentwurf so belassen, wie er jetzt ist. Ich gehe davon aus, dass wir das nicht wollen.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundesrechnungshof hat uns hinsichtlich der Gesellschaftsform darauf aufmerksam gemacht, dass wenn, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, jetzt eine GmbH installiert wird, eine Aktiengesellschaft nicht ausgeschlossen ist. Ich schließe mich diesbezüglich meinem Kollegen Johannes Kahrs an: Wir von der SPD-Fraktion halten eine Anstalt öffentlichen Rechts für die richtige Form; diese wäre aber ausgeschlossen, wenn der Gesetzentwurf so bliebe. Ich habe nicht gehört, dass irgendjemand in diesem Parlament die Aktiengesellschaft will. Sogar das BMF hat gesagt, dass es die Aktiengesellschaft eigentlich nicht will. Ich frage mich allerdings, warum sie weiterhin im Prüfauftrag enthalten ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundesrechnungshof warnt uns davor. Er sagt: Liebe Parlamentarier, wenn ihr diesen Prüfauftrag nicht streicht, kann in Zukunft ohne Parlamentsbeteiligung aus einer GmbH eine AG entstehen. – Als Beispiel wurde die Deutsche Bahn genannt. Niemand von uns im Parlament will, glaube ich, ein solches intransparentes Monstrum, das am Ende nicht mehr der parlamentarischen Steuerung und Kontrolle unterliegt. Darum müssen wir hier etwas tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen also sehr viel tun. 13 Grundgesetzänderungen werden – das ist hier schon gesagt worden – angestrebt. Liebe Gesine Lötzsch, du hast vorhin gesagt, wir hätten drei Anhörungen. Nein, wir haben sechs Anhörungen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Drei Tage!)

Wir haben gestern beschlossen, sechs Anhörungen an drei Tagen innerhalb von drei Wochen durchzuführen. Zu jeder Anhörung werden wir neun Sachverständige einladen. Das heißt, wir erwarten innerhalb von drei Wochen über 50 Gutachten, die wir alle nicht nur lesen, sondern vor allen Dingen auch bewerten müssen. Dafür brauchen wir Zeit. Bei einem solch umfangreichen Eingriff, wie er hier schon vielfach beschrieben worden ist, geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Wir haben eine schwierige Aufgabe vor uns. Ich bin froh, heute aus allen Fraktionen gehört zu haben: Ja, diese Aufgabe nehmen wir verdammt ernst. Darum: Wenn es eine Zustimmung zur Verfassungsänderung mit Zweidrittelmehrheit geben soll, dann – davon gehe ich aus – muss der Gesetzentwurf in entscheidenden Punkten verändert werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Alois Rainer ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7073448
Wahlperiode 18
Sitzung 218
Tagesordnungspunkt Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs
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