16.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 218 / Tagesordnungspunkt 4

Carola ReimannSPD - Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleicher Job, gleiche Leistungen, weniger Geld – für viele Frauen in Deutschland ist das die bittere Realität im Arbeitsalltag. Guckt man sich das konkret an, stellt man fest, dass das für eine Lagerarbeiterin heißt, dass ihr Bruttomonatseinkommen um fast 300 Euro unter dem ihrer männlichen Kollegen liegt. Eine Köchin bekommt für ihren Knochenjob 400 Euro weniger als der Koch am Nachbarherd.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber daran ändert der Gesetzentwurf gar nichts!)

Bei der Bürokauffrau sieht es auch nicht besser aus. All das sind Berufe, die nicht gerade exorbitant gut bezahlt werden; da sind 300, 400 Euro richtig viel Geld. Das betrifft Frauen mit Kindern, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen müssen, Frauen, die auf jeden Euro angewiesen sind, Frauen, die viel leisten, dafür aber viel schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Das ist nicht gerecht. Deshalb braucht es jetzt ein Gesetz.

Es geht nicht um Peanuts und auch nicht um Prozentpunkte, über die wir viel diskutieren. Es geht um diese Frauen. Deshalb regt es mich auch so auf, wenn versucht wird, diese Lohnlücke kleinzureden und zu erklären. Noch schlimmer ist, so zu tun, als ob diese Lohnlücke darauf basierte, dass die Frauen persönliche Entscheidungen getroffen hätten, die falsch sind, nach dem Motto: Selbst schuld, wenn ihr euch für diesen Job entscheidet! – Nein, ungleiche Bezahlung ist nicht die Schuld der betreffenden Frauen. Sie ist vielmehr die Folge verkrusteter Strukturen in unserer Gesellschaft und in unserer Arbeitswelt. Es ist unsere Pflicht als Gesetzgeber, dagegen vorzugehen. Mit dem Mindestlohn und der Frauenquote sind in dieser Legislaturperiode wichtige Meilensteine für mehr Gerechtigkeit in der Arbeitswelt gesetzt. Das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit ist ein weiterer wichtiger Schritt, damit das Gebot „Gleicher Lohn für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit“ auch in der Praxis umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern muss sich auch auf dem Lohnzettel widerspiegeln.

Die Lohnlücke ist ein Skandal. Noch schlimmer finde ich persönlich, dass viele Frauen gar nicht wissen, dass sie schlechter bezahlt werden. Genau hier liegt die Stärke des Gesetzentwurfs. Er setzt auf Transparenz. Mit dem individuellen Auskunftsanspruch, der Berichtspflicht und der Aufforderung zum Prüfverfahren leistet er einen wichtigen Beitrag, Lohnstrukturen und Lohnfindung transparent zu machen. Es ist kein Geheimnis, dass die SPD an dieser Stelle weitergegangen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind der Meinung, dass alle Beschäftigten ein Recht darauf haben, zu erfahren, ob sie gerecht bezahlt werden. Deshalb bleibt unser Ziel ein Auskunftsanspruch für alle.

(Beifall bei der SPD – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Art der Auskunft ist doch falsch!)

Wir hätten uns von unserem Koalitionspartner gerade in Sachen Transparenz mehr Mut und mehr Gestaltungswillen gewünscht. Klar ist aber auch: Ohne die SPD und den beharrlichen Einsatz der Ministerin gäbe es überhaupt kein Gesetz.

(Beifall bei der SPD – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das haben wir ausgehandelt! – Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Das steht im Koalitionsvertrag!)

Die Äußerungen, die in dieser Woche von einigen Herren der CDU/CSU-Fraktion zu vernehmen waren, haben das wieder deutlich gemacht. Dass oft, wenn es um Frauenrechte geht, Bürokratiekeulen geschwungen werden, kennen wir schon.

(Sabine Weiss (Wesel I) [CDU/CSU]: Das ist in eurer Fraktion nicht der Fall, nicht wahr?)

Aber Freiherr von Stetten hat mit seiner Äußerung zu Beginn dieses Jahres noch eines draufgesetzt. Ich zitiere: „Durch den Lohnauskunftsanspruch werden Neid und Unfrieden in die Unternehmen einziehen.“

(Widerspruch bei der SPD – Beifall des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU])

Was ist das denn für eine Vorstellung von Unternehmenskultur und Arbeitnehmerrechten in unserem Land?

(Beifall bei der SPD)

Herr von Stetten – er ist nicht anwesend –, das nennt man nicht Neid und Unfrieden, sondern Transparenz und Mitbestimmung. Sie gehören zu den Grundsäulen unserer demokratischen Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie wollen, ist nichts anderes, als die Geheimniskrämerei auf dem Rücken der Frauen fortzuführen. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Offensichtlich doch!)

Im Übrigen ist das auch wirtschaftspolitischer Unsinn. Die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt ist ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft. Ich bin fest davon überzeugt: Der Wettbewerb um die besten Fachkräfte kann nur mit einer offenen, wertschätzenden Unternehmenskultur gewonnen werden

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und nicht mit von Stettens Wirtschaftsverständnis der 50er-Jahre, wo zigarrenrauchende Herren in Hinterzimmern allein entscheiden.

(Beifall bei der SPD)

Mit diesem Gesetz stoßen wir eine Tür auf. Wir sorgen für faire Bezahlung von Frauen und Männern durch mehr Transparenz. Viel Vorarbeit ist geleistet sowohl im Koalitionsvertrag als auch im Koalitionsausschuss und nun auch mit diesem Gesetzentwurf. Deshalb steht einem zügigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in diesem Haus nichts im Weg.

Danke.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Carola Reimann. – Nächste Rednerin: Jutta Krellmann für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7073464
Wahlperiode 18
Sitzung 218
Tagesordnungspunkt Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen
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