Daniela KolbeSPD - Integrationspolitik
Dann rede ich schneller. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Integration ist ein höchst umstrittener Begriff. Viele haben damit Probleme. Ich habe mich ein bisschen mit dem Begriff versöhnt, als ich mich noch einmal mit seinen Wurzeln befasst habe. Integration ist dem lateinischen Wort „integrare“ entlehnt. Das bedeutet „ergänzen“, aber auch „unversehrt machen“. Das ist eigentlich eine ganz schöne Bedeutung. Das bedeutet quasi eine gelungene, gewinnbringende Eingliederung in ein bestehendes System.
Ja, der gesunde Menschenverstand sagt uns: Natürlich funktioniert das nur dann gut, wenn das bestehende System gut funktioniert. Integration ist also nur dann einfach, wenn es der Aufnahmegesellschaft gut geht. Das hat die SPD schon immer gesagt; wir haben auch in dieser Legislatur danach gehandelt und wichtige Beiträge geleistet. Beispielsweise haben wir den Mindestlohn eingeführt und gerade gestern die Verbesserung der Erwerbsminderungsrente auf den Weg gebracht. All das zeigt Wirkung, und es trägt eine sozialdemokratische Handschrift. Wir können sagen: In vielerlei Hinsicht geht es Deutschland gut. Die Arbeitslosigkeit ist sehr niedrig, und wir haben Haushaltsüberschüsse. Das ist gut so; denn dann gelingt Integration leichter.
(Beifall bei der SPD)
Aber in gewisser Weise ist der Tenor des Antrags auch teilweise richtig. Auch wir sehen bei vielen Dingen eine Schieflage in diesem Land. Deutschland ist im Durchschnitt ein sehr reiches Land. Dennoch macht uns Sorgen, wie weit die Schere zwischen Arm und Reich auseinandergegangen ist. Wir machen uns Gedanken über die Langzeitarbeitslosigkeit, die nicht so stark zurückgehen will, wie wir das gerne hätten.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht sie nicht von alleine!)
Wir machen uns auch Gedanken über prekäre Beschäftigung. Das kann nicht so bleiben; das müssen wir angehen.
Trotzdem, liebe Linke: Wir haben schon richtig viel geschafft. Das auszublenden, wie Sie das in Ihrem Antrag machen, ist hochgradig peinlich und albern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein paar Stichworte zum Mitschreiben: Wir haben den Mindestlohn eingeführt, die Tarifbindung gestärkt und die Leiharbeit eingedämmt. Wir haben ein Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit aufgelegt, die Situation Alleinerziehender verbessert, die gesetzliche Rente gestärkt. Ich könnte die Aufzählung fortführen.
Frau Dağdelen, ich muss schon sagen: Ich finde es sehr ärgerlich, was für Nebelkerzen Sie hier werfen.
(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])
Wer will denn bitte schön den Mindestlohn für Geflüchtete abschaffen? So ein Blödsinn!
(Beifall bei der SPD – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt! Aussetzen!)
Und wenn Sie sagen, die berufsbezogenen Sprachkurse würden allein den Beitragszahlern zur Last fallen,
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Der Arbeitslosenversicherung!)
dann schauen Sie sich bitte die Sozialgesetzbücher an: Der allergrößte Teil ist im Bereich des SGB II und damit sozusagen Jobcenterangelegenheit. Wir können Ihnen gern erklären, wie das mit den Sozialgesetzbüchern läuft; das können wir nach der Rede gerne machen.
(Beifall bei der SPD – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Frau Dağdelen, kommen Sie doch mal in unseren Ausschuss!)
Schauen Sie doch auch einmal bei uns im Ausschuss für Arbeit und Soziales vorbei!
Aber zurück zu Ihrem Antrag. Ein bisschen trägt er schon die Handschrift – da würde ich auch zustimmen –, dass eine clevere Integrationspolitik allen nutzt, den Einheimischen und den Geflüchteten. Die SPD hat genau das vorangetrieben, und wir haben sehr viel erreicht. Wir haben die Wohnungsbaumittel zweimal verdoppelt; das nutzt allen, Hinzukommenden wie hier Lebenden. Wir haben die Kommunen massiv entlastet; auch das nutzt allen. Wir haben das Personal in den Jobcentern aufgestockt; das nutzt allen.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben Integrationskurse und Ausbildungsförderung für Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive geöffnet; das nutzt auch allen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Damit kommen die Menschen nämlich aus der Hilfsbedürftigkeit heraus, und unsere Wirtschaft bekommt Arbeitskräfte, und das schneller.
Also: Es geht Deutschland gut, und wir haben gute Voraussetzungen für Integration. Aber wir haben natürlich noch einiges zu tun. Beispiel Ausbildungsförderung, Berufsausbildungsbeihilfe: Wir haben das für Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive geöffnet. Wir müssen aber den Fokus darauf richten, dass alle, die sich in Deutschland anstrengen, etwas davon haben.
(Beifall bei der SPD)
Das mache ich nicht an einer Bleibeperspektive fest. Wer sich anstrengt, sollte auch etwas davon haben. Ich persönlich bin für eine weitere Öffnung dieser Hilfen.
Sprechen wir beispielsweise über die aus Afghanistan Geflüchteten. Dazu hätte ich auch noch einen Satz zu sagen. Wenn wir uns ernst nehmen, müssen wir uns an unsere eigenen Regeln halten. Für mich bedeutet eine Schutzquote von 50 Prozent – ich hatte es so verstanden, dass das allgemein anerkannt ist – eine gute Bleibeperspektive.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch!)
Aus Afghanistan Geflüchtete haben seit vielen Monaten eine Bleibeperspektive von deutlich über 50 Prozent. Nach meiner Lesart sind das Menschen mit guter Bleibeperspektive, die Zugang zu Integrationskursen und anderen Hilfen bekommen müssten.
(Beifall bei der SPD)
Das wird derzeit im BMI geprüft. Ich kann nur dazu raten, zügiger zu prüfen; denn bei der Frage, ob wir diese Menschen zügig integrieren, geht es auch um die Zukunft unseres Landes.
Wenn wir als Gesetzgeber sagen, dass Geflüchtete im Asylverfahren, die eine Ausbildung beginnen, hier sicher sind und noch zwei Jahre arbeiten können, muss das auch gelten, und zwar in allen Bundesländern gleichermaßen. Wir sehen, dass in manchen Bundesländern versucht wird, die Menschen noch schnell außer Landes zu bringen, bevor sie ihre Ausbildung antreten können. So haben wir das hier nicht gemeint. Deswegen lassen Sie uns deutlich sagen – wir müssen das ernst nehmen –: Die Drei-plus-zwei-Regelung muss in allen Bundesländern gelten, auch im Süden dieses Landes.
(Beifall bei der SPD)
In diesem Sinne: Schön, dass wir über dieses Thema reden konnten; aber Sie haben es mit Ihrem Antrag komplett übertrieben. Sie haben zum Beispiel über Zwangsverrentung gesprochen. Warum bitte schön? Mit dem Thema hat das aus meiner Sicht gar nichts zu tun, zumal wir die Zwangsverrentung auch gerade – da sind Ihre Kenntnisse etwas veraltet – weitgehend abgeschafft haben, übrigens auf SPD-Initiative.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Daniela Kolbe. – Nächster Redner: Dr. Martin Pätzold für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7073498 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Integrationspolitik |