Karl LauterbachSPD - Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich auf Folgendes hinweisen: Ich erinnere mich nicht daran, dass wir für ein Gesetz trotz der Einschränkungen am Ende der Rede – so möchte ich es formulieren – so viel Lob von Ihnen, von der Partei der Linken, bekommen haben.
(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Das war schon zu viel!)
Ich möchte es nicht versäumen, mich dafür ausdrücklich zu bedanken. Ich nehme an, dass ich diesen Dank auch im Namen der Unionskolleginnen und -kollegen ausspreche.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Bis auf den Schluss! Der war nichts!)
Vielen Dank für die Anerkennung unserer Arbeit.
Es geht heute um ein wichtiges Gesetz – das ist tatsächlich so –, weil sich bei den Hilfs- und Heilmitteln eine Fehlentwicklung breitgemacht hatte, die der Kollege Kühne bereits dargestellt hat. Wir haben mittlerweile in der Krebsbehandlung Medikamente, die zum Teil pro Jahr 100 000 Euro kosten. Sie werden zum Teil erstattet – zu Recht –, auch wenn sie die Lebensqualität noch nicht so gut beeinflussen können, wie wir das wünschen. Dagegen wird bei Menschen, die bettlägerig sind und gepflegt werden müssen oder die andere Hilfsmittel wie etwa Windeln benötigen, zum Teil um Centbeträge gerungen. Das ist nicht würdig, und das ist eine Ungleichbehandlung, die wir jetzt stoppen wollen. Daher ist der Ansatz sehr richtig. Er kommt in der Zeit und beseitigt eine Ungleichbehandlung, die wir viel zu lange hingenommen haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Überfällig!)
Das ist auch eine Selbstkritik; das ist ganz klar. Wir haben das aber jetzt geändert, und dieser Gesetzentwurf kommt keine Minute zu früh.
Des Weiteren möchte ich auf den Risikostrukturausgleich eingehen. Unser deutsches Gesundheitssystem ist weder eine Einheitskasse,
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist wahr!)
noch ist es ein System der Prämien, in dem jeder das bezahlt, was seinem Risiko entspricht, in dem also Alte und Kranke mehr bezahlen. Das ist nur deshalb so, weil wir einen Finanzausgleich zwischen den Kassen haben, der die Morbidität der Versicherten berücksichtigt.
Dieser Risikostrukturausgleich ist das Kernstück unseres gesetzlichen Wettbewerbs. Das ist der dritte Weg. Der Wettbewerb um Qualität und um gute Verträge funktioniert nämlich nur dann, wenn die Krankenkassen nicht bestraft werden, weil sie Ältere und Kranke versichert haben. Daher ist der Risikostrukturausgleich das Kernstück unseres Wettbewerbs.
Dieser Risikostrukturausgleich ist in den letzten Monaten in Verruf gekommen – zu Recht –, weil die Krankenkassen etwas gemacht haben, was nicht geht. Sie haben Ärzte dafür bezahlt, dass für die Versicherten ihrer Kasse Diagnosen aufgeschrieben wurden, die den Patienten eine höhere Krankheitslast zuwiesen, als es tatsächlich der Fall war. Das ist in zweierlei Hinsicht unfair. Zum einen ist das ein Betrug zwischen den Krankenkassen, und zum Zweiten ist das auch noch brandgefährlich für die Versicherten. Denn der Versicherte, der aus Abrechnungsgründen eine Krankheit diagnostiziert bekommt, die er gar nicht hat, trägt diese Diagnose als Patient mit und wird möglicherweise schon vom nächsten Arzt falsch behandelt.
So kommt es zu einer Inflation der Erkrankungen, zu Betrug zwischen den Krankenkassen, zur Diskreditierung des Risikostrukturausgleichs und gleichzeitig zu einer Gefährdung der Patienten. Das beseitigen wir, indem wir diese Verträge, die das möglich machen, strikt verbieten.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Guckt eigentlich jemand auf die Redezeit von Herrn Lauterbach?)
Wir verbieten auch die Beratung der Krankenkassen in dieser Art und Weise, sodass nicht nur das gesamte System des Risikostrukturausgleichs gerettet wird, sondern damit auch die Krankheitsberücksichtigung beim Finanzausgleich der Kassen innerhalb des Risikostrukturausgleichs weiterhin möglich bleibt.
Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Wir als SPD werden den weiteren Ausbau des Risikostrukturausgleiches betreiben; denn es gibt nach wie vor Benachteiligungen von Krankenkassen, die besonders viele Alte und Kranke versichern. Das wollen wir nicht hinnehmen. Daher stellen wir auch langfristig die Beschränkungen der Krankheiten, die in diesem Ausgleich überhaupt berücksichtigt werden, strittig. Dafür muss das System aber sauber sein und darf nicht missbraucht werden. So viel zum komplizierten Bereich Risikostrukturausgleich.
Nur noch wenige Sätze – meine Redezeit läuft ab – zu einem Punkt, den ich persönlich für sehr bedeutsam halte. Wir schließen hier eine Lücke zwischen gesetzlich und privat Versicherten, die sich in Form einer Zweiklassenmedizin aufgetan hat. Wenn ein Privatversicherter eine sehr komplizierte Erkrankung hat, dann kann er sich ambulant in der Uniklinik behandeln lassen, weil dies von der privaten Krankenversicherung erstattet wird. Für den gesetzlich Versicherten gab es für diese ambulante Versorgung auf Überweisung bisher nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, überhaupt von Spezialisten in Augenschein genommen zu werden. Wenn dies gemacht wurde, dann war es auch noch ein großes Verlustgeschäft für die Unikliniken, die das gemacht haben.
Wir machen zweierlei: Zum einen stellen wir sicher, dass gesetzlich Versicherte mit Überweisung in Unikliniken eine gemeinsame Untersuchung von Fachärzten in spezialärztlicher Hinsicht bekommen können. Somit wird ein Unterschied zur privaten Krankenversicherung beseitigt. Zum Zweiten stellen wir auch klar, indem entsprechende Rahmenverträge bis zum 1. Juli 2017 abgeschlossen werden müssen, dass die Hochschulen, die dies machen, damit keine Verluste machen. Das ist eine wesentliche Lücke, die wir zwischen beiden Versicherungssystemen schließen. Das kann natürlich nur ein allererster kleiner Schritt in Richtung Bürgerversicherung sein, für die wir natürlich stehen. Das will ich aber hier nicht ausführen.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Nein! Reden Sie uns das nicht kaputt! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist falsch interpretiert!)
Es handelt sich insgesamt um ein Gesetz mit Augenmaß. Ich darf mich bei all jenen, die uns auf diesem langen Weg unterstützt haben, ganz herzlich bedanken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin hat Maria Klein-Schmeink für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7073548 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung |