16.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 218 / Tagesordnungspunkt 24

Thomas LutzeDIE LINKE - Regionale Wirtschaftspolitik

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach eingehender wie auch kritischer Betrachtung der Vorlage begrüßt die Linke den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag zur regionalen Wirtschaftspolitik.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt: Aber …!)

Wir werden ihm zustimmen.

(Beifall der Abg. Jan Metzler [CDU/CSU] und Bernhard Daldrup [SPD])

An dem sich im Deutschen Bundestag eingebürgerten parlamentarischen Unbrauch, die Zustimmung oder Ablehnung einer Vorlage vom Antragsteller und nicht vom Inhalt abhängig zu machen, beteiligen wir uns nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wäre für unsere gemeinsame parlamentarische Arbeit und für deren Wahrnehmung bei den Wählerinnen und Wählern sehr hilfreich, wenn Anträge der Opposition zukünftig nicht deshalb abgelehnt werden, weil sie von der Opposition stammen.

(Bernhard Daldrup [SPD]: Haben wir noch nie gemacht!)

Besonders an Ihrem Antrag begrüßen wir, dass die Koalitionsfraktionen nach Jahren voller Erfolgsmeldungen aus dem Wirtschaftswachstumswunderland mit schwarzer Null zur Kenntnis nehmen, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Land höchst ungleich verläuft, und hier sogar Handlungsbedarf sehen. Regionale Wirtschaftsförderung mit dem Ziel des Abbaus wirtschaftlicher Unterschiede findet unsere Unterstützung, sogar noch mehr, wenn dafür die entsprechenden Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land sind nicht nur Verfassungsauftrag, sie sind auch eine elementare Frage der Gerechtigkeit. Es ist schon schlimm genug, dass der Lebensweg eines Kindes in Deutschland meist dadurch entschieden wird, in welches Elternhaus es hineingeboren wird. Mindestens ebenso ungerecht ist es, wenn es vom Wohnort abhängt, ob das Dach einer Schule droht zusammenzubrechen oder die Schultoiletten nicht funktionieren.

Weil wir das Anliegen der Regierung teilen, möchten wir einige Verbesserungsvorschläge machen, die vielleicht noch Berücksichtigung finden.

Eine regionale Wirtschaftspolitik muss von einer grundsätzlichen sozialen und ökologischen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik begleitet werden. Das bedeutet unter anderem eine deutliche Steigerung der Binnennachfrage und das Zurückdrängen der Exportabhängigkeit zugunsten regionaler Wirtschaftskreisläufe.

(Beifall bei der LINKEN)

Von zentraler Bedeutung bei der Förderung der regionalen Wirtschaft ist für die Linke die Stärkung der Kommunen. Wenn wir den Kommunen in strukturschwachen Regionen ihren finanziellen und wirtschaftlichen Handlungsspielraum zurückgeben, profitiert davon auch die regionale Wirtschaft. Dazu machen wir Ihnen einige Vorschläge:

Erstens. Die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer, von der alle Einkommen erfasst werden. Diesen Vorschlag haben Sie zwar im Jahr 2015 abgelehnt, aber, wie gesagt, zukünftig sollte man nicht mehr alles ablehnen, was von der Opposition vorgeschlagen wird. Wäre das in der Vergangenheit schon so gehandhabt worden, wären wir vielleicht heute woanders. Zumindest ist die Idee keine ganz schlechte gewesen.

Zweitens. Ändern Sie das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, und erleichtern Sie den Kommunen die wirtschaftliche Betätigung im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sichert Arbeitsplätze vor Ort. Das erwirtschaftete Geld kann vor Ort wieder investiert werden, anstatt dass es in Konzernzentralen verschwindet. Davon profitiert übrigens auch die private Wirtschaft vor Ort, da kommunale Unternehmen Aufträge naturgemäß eher an Unternehmen in der Region vergeben.

Last, but not least: Berücksichtigen Sie auch die Standortfaktoren stärker, die auf den ersten Blick erst einmal nicht unbedingt etwas mit Wirtschaftsförderung zu tun haben. Stichworte: Öffentlicher Nahverkehr oder Ärzte- und Apothekenmangel im ländlichen Raum. Dass es im Jahr 2017 immer noch riesige weiße Flecken bei der Bereitstellung von schnellem Internet gibt, ist ein derartiger wirtschaftlicher Standortnachteil, den Sie mit keiner Wirtschaftsförderung der Welt ausgleichen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele unter Ihnen sind oder waren aktive Kommunalpolitiker. Die Tatsache, dass immer mehr Kommunen nahezu handlungsunfähig sind, ist ein trauriger Fakt in unserem Land. Wenn Sie sich dann mit Bürgermeistern, Dezernenten, Stadträten oder wem auch immer vor Ort unterhalten und denen etwas zum Thema regionale Wirtschaftsförderung erzählen, wissen die oft nicht, ob sie weinen oder lachen sollen.

Deshalb noch zwei Punkte, über die wir nachdenken sollten.

Erstens: Müssen Förderprogramme fast immer über die Länderebene laufen und können nicht den direkten Weg finden?

Zweitens: Warum werden Mittel häufig einfach nicht abgerufen? Wenn eine Kommune, die de facto zahlungsunfähig ist, bei einem Förderprogramm 20, 30 oder 50 Prozent Eigenanteil leisten muss, dann hat sich diese Frage für die Kommune leider Gottes oft von selbst erledigt. Dann ist Schicht im Schacht. Das ist ein unhaltbarer Zustand.

Vielen Dank. Glück auf!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Jan Metzler.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7073641
Wahlperiode 18
Sitzung 218
Tagesordnungspunkt Regionale Wirtschaftspolitik
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