16.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 218 / Tagesordnungspunkt 24

Jan MetzlerCDU/CSU - Regionale Wirtschaftspolitik

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Koalition ist in der gestrigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses einstimmig beschlossen worden. Das zeigt, dass eine solide und gute Vorarbeit geleistet worden ist. Ich möchte ausdrücklich meiner Berichterstatterkollegin, liebe Frau Wicklein, Danke sagen für diese Vorarbeit, gleichzeitig aber auch für das gute, konstruktive Miteinander im Unterausschuss insgesamt über alle Parteigrenzen hinweg.

Der Antrag ist eine gute Gelegenheit für uns Parlamentarier, uns gemeinsam für die regionale Wirtschaftspolitik als Hebel zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse starkzumachen. Deshalb finden Sie in diesem Antrag auch ein klares Bekenntnis zur Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, dem, wie ich finde, wichtigsten nationalen Instrument zur regionalen Wirtschaftsförderung. Gemeinschaftsaufgabe heißt, dass man es eben gemeinsam und nicht isoliert angeht.

Schon mehrfach haben wir hier über die Errungenschaften, die wir der GRW seit ihrer Einführung 1969 verdanken, debattiert, und wir sind uns einig, dass sie ein echtes Erfolgsmodell ist. Das hat sich auch kürzlich wieder bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts 2016 gezeigt, in dem wir auf einige sehr positive Aspekte hinweisen konnten.

Dass die regionale Wirtschaftspolitik einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, ist unbestritten, aber vielen gar nicht bewusst.

Was tut also die GRW? Gezielt fördert sie Unternehmen und die wirtschaftsnahe Infrastruktur in strukturschwachen Regionen. Dadurch werden sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze erhalten oder eben neu geschaffen, Einkommen generiert, indirekt mehr Konsum geweckt und so die Regionen aktiviert und wettbewerbsfähig gemacht.

Dazu steht der GRW jährlich ein Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist enorm, wie ich finde.

Dass der regionalen Wirtschaftspolitik dabei in den kommenden Jahren eine noch zentralere Rolle zukommen wird, ist genauso unbestritten, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie die bisherigen Erfolge. Aber auch das ist in vielerlei Aspekten noch nicht ausreichend im Fokus.

Darum haben wir genau das in den Mittelpunkt dieses Antrags gerückt: Wir brauchen eben genau dieses integrierte Fördersystem für strukturschwache Regionen nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern in Gesamtdeutschland. In den letzten 25 Jahren lag der Fokus der GRW auf dem wirtschaftlichen Aufholprozess der ostdeutschen Länder. Heute ist der – entgegen mancher Behauptung – noch nicht abgeschlossen. Sehen Sie sich dazu die entsprechenden Fakten an! Die sprechen für sich. Zusätzlich fordert ein tiefgreifender Strukturwandel auch die altindustriellen und ländlichen Regionen in Gesamtdeutschland heraus. Das geschieht also deutschlandweit. Denn oft haben genau diese Landkreise und Regionen strukturelle Nachteile gegenüber wettbewerbsfähigen Ballungsräumen und Metropolregionen. Fehlende Arbeitsplätze infolge von Abwanderung und eine angespannte Fachkräftesituation – das ist das, was man vor Ort entsprechend merkt. Das ist auch das, was dann an jeden Einzelnen von uns in der Sprechstunde in Form von ganz konkreten Fragen und Forderungen an die Politik herangetragen wird.

Zusätzlich wird diese Entwicklung durch den demografischen Wandel und die zunehmende Globalisierung getrieben. Dann wird die Globalisierung, obwohl sie global ablaufen mag, mit ihren Problemen sehr, sehr lokal. Dafür braucht es Lösungen. Eine kann ein integriertes Fördersystem für strukturschwache Regionen in ganz Deutschland sein.

Wie stellen wir uns das nun vor? Die GRW soll in ihrer bisherigen Form erhalten bleiben, aber als Ausgangspunkt für ein gesamtdeutsches integriertes Fördermodell dienen. Dabei sollen Synergien mit bestehenden Förderinstrumenten, beispielsweise aus Wirtschafts- und Forschungsministerium, geschaffen und inhaltliche Überschneidungen vermieden werden. Der Förderfokus muss zum einen noch mehr auf kleine und mittelständische Unternehmen, deren Innovationen und die dazugehörige Forschungsinfrastruktur gelegt werden. Zum anderen muss auch die Gründungsförderung gestärkt werden. Es sollte kein Naturgesetz sein, dass für ein Unternehmen, das in einer vermeintlich strukturschwachen Region gegründet wird, in der es wunderbar und schön ist, erst ein Umzug nach Hamburg und Berlin notwendig ist, um es zum Erfolg zu führen. Ich glaube, auch in unseren wunderbaren ländlichen Regionen, die viele hier repräsentieren, sind jede Menge Potenziale zu heben.

Ein Gesamtkonzept kann mit Programmen der Städtebauförderung und der Stärkung der Daseinsvorsorge gerade im genannten ländlichen Raum abgerundet werden, beispielsweise durch Investitionen in das Wohnumfeld sozial benachteiligter Stadtteile oder auch in die Nahversorgung von Ortsgemeinden auf dem Land. Denn neben dem Arbeitsplatzangebot sind ansprechende Lebensräume ausschlaggebend für die Attraktivität einzelner Regionen. Unser Ziel muss insgesamt sein, nachhaltig Investitionen und Wachstum in den Regionen Deutschlands zu schaffen, die den Strukturwandel nicht aus eigener Kraft bewältigen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Um dieses Konzept, das ab 2020 in Kraft treten soll, auf solide Füße zu stellen, braucht es eine intensive Abstimmung. Das ist eine gute Gelegenheit, gemeinsam mit den Bundesländern das bisherige Fördersystem zu prüfen und es an der einen oder anderen Stelle zu verbessern. Ein zentrales Thema ist dabei sicherlich der teilweise schleppende Mittelabruf. Dafür brauchen wir eine Lösung; denn das schönste Fördermodell hilft nichts, wenn es vor Ort nicht ankommt. Deswegen schlagen wir in unserem Antrag vor, die Informationen zur Mittelförderung je Bundesland zu bündeln und einen zentralen Ansprechpartner vor Ort bereitzuhalten.

Unter dem Strich steht und fällt unsere künftige Regionalpolitik aber mit dem beihilferechtlichen Spielraum, den die Europäische Kommission jedem einzelnen Mitgliedsland einräumt. Das heißt, Deutschland darf nicht endlos strukturschwache Regionen fördern. Zur Wahrheit gehört nämlich, dass wir im Vergleich zu anderen europäischen Mitgliedstaaten volkswirtschaftlich gut dastehen, also auch diejenigen Regionen, die im Bundesvergleich als strukturschwach gelten, im gesamteuropäischen Vergleich verhältnismäßig gut abschneiden. Der Brexit könnte das sogar noch verstärken – auch das ist in diesem Zusammenhang zu benennen –, weil er zu einer Verringerung des durchschnittlichen Bruttoinlandsprodukts der EU führt und Deutschland damit im Vergleich weiter aufwertet. Das künftige nationale Förderkonzept muss also in eine gesamteuropäische Strategie und Betrachtung eingebunden sein.

Der Auftrag an die Bundesregierung ist von unserer Seite aus somit klar formuliert. Wir fordern:

Erstens. Die Fördervoraussetzungen für die deutschen Regionen müssen mit der EU ausverhandelt werden.

Zweitens. Dem Deutschen Bundestag ist ein mit den Bundesländern abgestimmtes Konzept für ein integriertes System zur Förderung strukturschwacher Regionen vorzulegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte erlauben Sie abschließend eine Bemerkung. Die Grundidee der europäischen und der deutschen Regionalpolitik ist doch, keinen Mitgliedstaat und keine Region zurückzulassen. Ich finde, wir können stolz sein, dass unsere Gemeinschaft von den Grundideen des Zusammenhalts und der Zusammenarbeit geprägt ist. Bei allen Herausforderungen wissen wir, wozu Abschottung, Egoismen, aber auch nationale Alleingänge führen. Dazu gibt es in unserer europäischen Geschichte leider zu viele schmerzliche Beispiele. Deshalb finde ich es bemerkenswert, wie die Netzgemeinde gegenwärtig mit Ironie auf die eine oder andere Tendenz reagiert, beispielsweise in einem niederländischen Video. An dieser Stelle sollte das „zuerst“ durch „gemeinsam“ ersetzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das gilt für EU-Mitgliedstaaten genauso wie für unsere Regionen in Deutschland. Genau dafür muss die Politik den richtigen Rahmen setzen. Mit einem zukunftsfähigen Fördersystem strukturschwacher Regionen können wir dazu einen entscheidenden Beitrag leisten.

Ich danke abschließend erneut für die gute und konstruktive Zusammenarbeit und für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als Nächster spricht der Kollege Markus Tressel, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7073643
Wahlperiode 18
Sitzung 218
Tagesordnungspunkt Regionale Wirtschaftspolitik
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