16.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 218 / Tagesordnungspunkt 10

Karl-Georg WellmannCDU/CSU - Deutsche Ostpolitik

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als mir Christoph Bergner gestern erstmalig den Text des Antrags zeigte, dachte ich erst an einen Karnevalsscherz. Aber nach Ihrer Rede muss man ja davon ausgehen, dass das ernst gemeint ist.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Na, so was!)

Herr Gehrcke, Sie sind doch sonst ganz vernünftig.

(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Ah, nein!)

Wie konnte denn passieren, dass Sie so einen Antrag formulieren? Das müssen Sie uns mal erklären. Das geht so nicht. Er liest sich wie ein Besinnungsaufsatz der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Das ist DKP-Lyrik aus der Mottenkiste – unterste Schublade. Ich weiß, Sie waren mal stellvertretender Bundesvorsitzender der DKP. Aber diese frühkindliche Prägung müssen Sie mal irgendwann überwinden. Das geht nicht. Wir sind 30 Jahre weiter, wir sind im 21. Jahrhundert, Herr Kollege.

Der Antrag ist wirklich voll von verrutschten Bildern und falschen historischen Ansagen. Sie sprechen von der Konferenz von Helsinki 1973, von den Vorbedingungen einer „friedlichen Koexistenz in Europa, deren Ergebnisse noch heute spürbar sind“. Das wüssten wir. Es war die Sowjetunion, die in Helsinki zur Bedingung gemacht hat, dass Grenzen unverletzlich sind. Breschnew hätte ohne die Bedingung unverletzlicher Grenzen nie unterschrieben. Und Russland hat dieses Prinzip jetzt verletzt, niemand anders.

Das Nächste ist – das muss man wirklich zweimal lesen –:

Der Grundkonsens deutscher Politik, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe, ist seitdem vielfach gebrochen worden.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, stimmt doch!)

Das heißt also aus Ihrer Sicht: Von deutschem Boden ist vielfach Krieg ausgegangen.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)

Das ist doch völlig irre. In welcher Realität leben Sie denn? Aber wir kennen das ja schon von Ihnen, von Frau Dağdelen und anderen. Das ist so eine Art Zwangsvorstellung von einem militaristischen Deutschland, in dem eine Art Waffen-SS schon wieder die Panzermotoren warmlaufen lässt. Das ist russische Propaganda, ­Kisseljow – auch wirklich unterste Schublade.

Und dann sagen Sie:

Nach der Auflösung des Warschauer Paktes erwarteten viele Menschen in allen Teilen Europas einen Abbau der Strukturen der NATO …

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)

Das Erste, was die Länder wollten, die unter kommunistischer Zwangsherrschaft gestanden hatten und die Freiheit erhielten, war, Mitglied der NATO zu werden – bevor sie in die EU kamen –, um Sicherheit vor Russland zu bekommen. Das Gegenteil von dem, was Sie hier sagen, ist also richtig.

Sie schreiben auch:

Von beiden Seiten in Europa … ist eine Rückkehr zum Völkerrecht … dringend geboten.

Sie scheinen also offenbar die Vorstellung zu haben, dass der Westen militärisch über die Ukraine hergefallen ist. Auch da leben Sie in einer völlig falschen Realität.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf von der LINKEN: Ist ja auch so!)

In diesem Zusammenhang muss ich mich jetzt mal an die Freunde von der SPD wenden. Ich habe nämlich einen gewissen Verdacht. Ihr habt ja im letzten Jahr eine sehr merkwürdige Sitzung mit der Linkspartei gehabt, so eine Art spiritistische Sitzung mit Geisterbeschwörung.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Erwischt worden!)

Ein paar Grüne, die dabei waren, sind auch erwischt worden.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Erwischt worden“?)

– Der Toni ist gesehen worden.

(Niels Annen [SPD]: Ich war nicht da!)

Man weiß ja, dass bestimmte Kräfte der Linkspartei gegen eine Beteiligung an einer Regierung mit der SPD sind. Frau Wagenknecht will das, oder, genauer gesagt, das Ehepaar aus dem Saargebiet. Ich habe den Eindruck, dass Sie mit Ihrem Antrag eine rot-rot-grüne Koalition sabotieren wollen.

(Niels Annen [SPD]: Hast du Angst? – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: „Saargebiet“ gibt es nicht mehr!)

Herr Gehrcke, das ist gefährliches Terrain. Die alten SED-Kader in Ihrer Partei wollen endlich an die Macht. Also passen Sie auf, dass Sie in Ihrer Partei nicht in die Minderheit geraten.

(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Westeliten sind ganz standhaft! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Es geht nur um die Regierung!)

Sie landen am Ende noch vor der Arbeiter- und Bauerninspektion Ihrer Partei. Da müssen Sie aufpassen.

Liebe Sozialdemokraten, irgendwann kommt dieser Antrag ans Licht. Wir sind ja weitgehend unter uns; aber irgendwann liest das ein Journalist. Und Sie haben immer noch die wahnhafte Vorstellung, Sie könnten Mehrheiten jenseits der CDU/CSU bilden.

(Franz Thönnes [SPD]: Jetzt hört es aber auf! Wer hat die denn?)

Also: Mit der AfD werden Sie nicht zusammengehen wollen. Mit der FDP ist es ganz schwierig. Es erinnert mich immer an Goethes Faust:

Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten …

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Martin Schulz hat mehrfach davon gesprochen, Ihr Herr Parteivorsitzender heute in der FAZ: Mehrheit jenseits der Union. – Schauen Sie mal genau in den Antrag. Sie können es schwarz auf weiß lesen: Auflösung der NATO, Rückzug Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das steht hier drin.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, richtig! – Franz Thönnes [SPD]: Hast du gerade zugehört? Warum hörst du eigentlich nicht zu, wenn ich rede?)

– Herr Kollege, einer Partei, die derart lebensgefährlichen Unsinn verzapft, darf man nicht zur Macht verhelfen. Das ist klar.

(Niels Annen [SPD]: Das musst du vor deiner Fraktion halten, nicht im Bundestag!)

Wenn Sie das nicht ganz schnell klarstellen, werden Sie für weite Teile der Bevölkerung nicht mehr wählbar sein. Machen Sie lieber Folgendes: Loben Sie die großartigen Leistungen dieser Großen Koalition, und bekommen Sie Ihre Lust am Untergang möglichst schnell in den Griff.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Niels Annen [SPD]: Das ist der Schulz-Effekt! – Franz Thönnes [SPD]: Das ist blanke Panik! Die fürchten, dass die gesamte Bundes-CDU auf Berliner Niveau kommt! Mann, Mann, Mann! – Heiterkeit bei der SPD – Gegenruf des Abg. Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Wie meinst du das?)

Der Kollege Dr. Fritz Felgentreu spricht jetzt für die SPD.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7073685
Wahlperiode 18
Sitzung 218
Tagesordnungspunkt Deutsche Ostpolitik
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