Herlind GundelachCDU/CSU - Klimaschutz in der Wärmeversorgung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Verlinden, Sie haben recht: In der Zielsetzung sind wir uns absolut einig. Aber ich glaube, was den Weg angeht, sind wir uns überhaupt nicht einig. Da haben wir einfach andere Vorstellungen als die,
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich ja mal gespannt auf Ihre Vorstellungen!)
die Sie in der Regel vertreten und die ja auch in Ihrem Antrag ganz klar zum Ausdruck kommen.
Wir brauchen wirklich eine schnellere, eine nachhaltige und vor allen Dingen auch eine sozial gerechte Wärmewende;
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum machen Sie es denn nicht?)
denn ohne eine Wärmewende gibt es auch keine Energiewende. Ich denke, da sind wir uns auch einig. Und hier steckt wirklich Musik drin – oder anders ausgedrückt: großes Potenzial.
Ich setze mich schon seit vielen Jahren für eine nachhaltige Wohnungs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik ein, die gleichermaßen soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte betrachtet. Dazu muss man das gesamte Quartier betrachten. Man muss alle Potenziale, wie zum Beispiel diejenigen der KWK, bestmöglich ausnutzen, und man muss auch über die einzelnen Sektoren hinausdenken. Wenn wir zum Beispiel Stadtviertel ganz gezielt aufwerten, kann eine räumliche Annäherung von Leben und Arbeit, was wir gerade streckenweise in Hamburg versuchen, gefördert werden, wodurch wiederum CO 2 -Emissionen im Verkehrsbereich reduziert werden. Deswegen ist die Wärmewende eine Aufgabe, die viele Bereiche unseres Miteinanders betrifft.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur erfolgreich sind Sie offenbar nicht!)
Ich denke daher, dass wir in Bezug auf die Wärmewende Wohnungs- und Wohnkonzepte im Allgemeinen diskutieren sollten. Sie greifen da in Ihrem Antrag auch einiges auf, zu dem ich gleich noch Stellung nehmen werde.
Mehrgenerationenprojekte sind meines Erachtens von größter Bedeutung für unsere alternde Gesellschaft. Ich bin Schirmherrin eines solchen Projekts in Hamburg, und es macht mir immer wieder Freude. Ich befürworte außerdem mehr und bezahlbaren Wohnungsbau für Alleinstehende, Studenten und Menschen, die geringfügig zu viel verdienen, um eine Sozialwohnung zu bekommen. Das ist gerade in Großstädten ein Riesenpotenzial; denn diese Menschen geraten bei der Wohnungssuche leider viel zu häufig ins Abseits.
Ich denke auch, dass wir die selbst nutzenden Eigentümer von Wohnraum unterstützen sollten und dass wir zum Beispiel in diesem Kontext über verminderte Grunderwerbsteuern für Familien nachdenken sollten, auch wenn das zugegebenermaßen Ländersache ist; aber man kann ja mal Anregungen geben. Wohnraum für alle – und damit meine ich in der Tat alle Einkommensschichten – muss wirklich erschwinglich sein. Das steht aber bekanntermaßen in einem äußerst schwierigen Spannungsverhältnis – da kommen wir zu Ihrem Problem – zu zahlreichen Vorgaben und Regelungen in unserer Klima- und Baupolitik. Denn immer höhere Anforderungen, zum Beispiel an die Effizienz, treiben die Baukosten im Neubau sowie bei Sanierungen im Gebäudebestand deutlich in die Höhe.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie die Klimaziele erreichen oder nicht?)
Bevor diesbezüglich Missverständnisse aufkommen: Selbstverständlich steigen die Baukosten immer,
(Johann Saathoff [SPD]: Gewaltig!)
auch ohne unsere verschärften Anforderungen.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Aber alleine die Verschärfungen der EnEV hatten 2016 eine Preissteigerung von 9 Prozent zur Folge, und die Preissteigerungen, die den letzten Jahren sozusagen durch die energetisch bedingten Lasten entstanden sind, summieren sich auf immerhin 18 Prozent. Das ist also ein nicht unerheblicher Faktor.
Ich beschäftige mich, wie gesagt, schon lange mit Wohnungsbau und klimapolitischen Aspekten unseres gesellschaftlichen Lebens, sei es hier im Bundestag oder früher auf Landesebene. Eines habe ich dabei gelernt: Ein Mehr an Klimaschutz sozialverträglich auszugestalten, ist eine sehr knifflige Angelegenheit. Hier gibt es eben keine Patentlösungen. Entscheidungen im Wohn- und Baubereich haben eine immense Tragweite. Man bedenke nur, dass Gebäude meist fast 100 Jahre Bestand haben, manche sogar darüber hinaus. Daher können Fehlentscheidungen auch noch sehr lange verhängnisvolle Nachwirkungen mit sich bringen.
Genau deswegen habe ich mit Ihrem Antrag ein Problem. An vielen Stellen ist er zu einfach gestrickt und realitätsfern.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn Ihr Konzept? Wo ist es denn?)
– Wir diskutieren heute Ihren Antrag.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber wir sind am Ende der Legislaturperiode!)
In Deutschland haben wir zu drei Vierteln Heizungsanlagen, die auf Öl oder Gas basieren. Ich stimme Ihnen zu, dass wir diesen Anteil reduzieren müssen. Aber das muss sozialverträglich geschehen. Sie sagen, Sie wollen das. Aber das kann ich beim besten Willen in Ihrem Antrag nicht erkennen.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lesen Sie ihn vernünftig!)
Sie kommen immer wieder mit Verboten und Zwang, mit übersteigerten Anforderungen an die Bürgerinnen und Bürger und mit unrealistischen Annahmen.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie ihn doch einmal!)
Zwang ist übrigens auch das Leitmotiv für Ihren Gesetzentwurf zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den die CDU in Baden-Württemberg eingeführt hat!)
– Das war aber trotzdem eine Fehlentscheidung, auch wenn es eine CDU-Ministerin gemacht hat. Das habe ich immer gesagt. – Diesen Gesetzentwurf debattieren wir heute als Zusatzpunkt in zweiter und dritter Lesung. Diesen werden wir ablehnen.
Nun zurück zu Ihrem Antrag. In ihm fordern Sie beispielsweise, dass wir die Mittel für die energetische Sanierung von 3,5 Milliarden Euro auf 7 Milliarden Euro verdoppeln. Fakt ist aber, dass die Gelder, die aktuell zur Verfügung stehen, gar nicht vollständig abgerufen werden. Was soll dann mehr Geld bringen? Viel hilft nicht immer viel.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann ich Ihnen erklären!)
Es ist eine inhaltsleere Forderung, außer Sie möchten das Geld zukünftig verschenken.
Wirklich problematisch finde ich manche Unterpunkte zur sozial gerechten Modernisierung. So wollen Sie, dass wir Vermieter von Wohnungen dazu bringen, dass sie ihre Wohnungen energetisch sanieren. Das kann ich noch unterstützen. Sie fordern aber, dass die Kosten nur noch bedingt auf den Mieter umgelegt werden dürfen. Das mag in den Ohren eines Mieters erst einmal gut klingen. Aber warum sollte ein Vermieter diese Sanierung durchführen? Wie soll er sich diese leisten können?
Was Sie bei Ihrem Antrag vermutlich bewusst verschweigen: Die anteilig größte Gruppe am Wohnungsmarkt sind private Vermieter und nicht irgendwelche Immobilienhaie. Die gibt es zwar auch bei uns, vor allen Dingen in Großstädten, aber das ist nicht die Regel in Deutschland. Wie sollen die privaten Vermieter, die zu über 40 Prozent Rentner sind – das darf man auch nicht außer Acht lassen –, eine solche Sanierung stemmen, ohne die Kosten dafür anteilig auf die Mieter umlegen zu können? Sie spielen bei Ihren Forderungen mit den Bildern von Immobilienspekulanten, die ihre Mieter auf die Straße setzen, damit sie Luxussanierungen durchführen können. Das ist aber nicht die Realität, und deswegen ist es unfair.
Ebenso führen Sie aus, dass Menschen in Grundsicherung einen Steuerbonus für die energetische Sanierung ihrer Eigentumswohnung bekommen sollen. Das ist doch an der Realität schlicht vorbei. Erstens gibt es bei diesen Menschen in der Regel kein Eigentum, zweitens zahlen sie kaum Steuern, und drittens bekommen sie aufgrund ihrer Einkommenssituation in der Regel gar keine Kredite. Das heißt, dieses Instrument kann überhaupt nicht greifen.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie gegen den Steuerbonus, oder was?)
Zu guter Letzt werfen Sie der Industrie und dem Gewerbe vor, dass diese die Energieeffizienzpotenziale, die sich ihnen bieten, nicht ausreichend nutzen. Auch das ist schlichtweg so nicht richtig. Ein Unternehmen reduziert schon aus Eigennutz seine Kosten. Außerdem können Unternehmen Ausgaben für besseren Klimaschutz und mehr Energieeffizienz sogar noch steuerlich geltend machen. Sie haben also eine doppelte Rendite. Schauen Sie sich in diesem Kontext einmal unsere Supermärkte an. Die investieren in regelmäßigen Abständen in effiziente Kühltheken, eine bessere Dämmung oder andere Maßnahmen. Damit sparen sie Kosten. Allerdings sollten wir dann als Verbraucher die Kühlregale auch wieder zügig schließen und sie nicht offen stehen lassen, sonst funktioniert das Ganze nämlich nicht.
Wenn wir die Wärmewende sinnvoll und sozial gerecht angehen wollen, dann müssen wir nachhaltig agieren, das heißt, soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte gleichermaßen in den Blick nehmen. Außerdem haben die bisherigen Ergebnisse gezeigt, dass wir einen breiten Mix an Ideen, Instrumenten, Vorgaben und Förderprogrammen brauchen sowie eine noch verbesserungsfähige Abstimmung von Wohn-, Verkehrs- und Energiepolitik.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hatten dreieinhalb Jahre Zeit, etwas vorzulegen! Warum haben Sie nichts gemacht?)
– Wir haben in dem Bereich eine ganze Menge gemacht.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Das hat doch keinen Erfolg gezeigt!)
– Das stimmt so natürlich nicht. Bei der Sanierung im Gebäudebestand wäre es mir aber auch lieber, wenn wir weiter wären.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Welche Maßnahmen wollen Sie denn nutzen, um das zu erreichen?)
Aber ich kann die Menschen nicht dazu zwingen. Ich biete Fördermaßnahmen und viele Hilfestellungen an. Die müssen aber auch abgerufen werden.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt hat Frau Dr. Gundelach das Wort.
Wir müssen – das ist für mich ganz wichtig – die Bürgerinnen und Bürger sinnvoll miteinbeziehen. Wir müssen es ihnen leichter machen, Teil der Wärme- und Energiewende zu werden. Wie der Antrag der Grünen richtig herausstellt, stehen unsere Bürgerinnen und Bürger, wenn sie energetisch sanieren wollen, noch zu oft vor einem Förderdschungel. Er ist zwar in den letzten Jahren schon ein bisschen durchlässiger geworden, einige Antragsarten wurden vereinfacht, aber hier ist aus meiner Sicht noch viel Musik drin. Darüber sind wir auch mit der KfW und anderen Einrichtungen im permanenten Gespräch, um zu einer besseren Inanspruchnahme der Angebote zu kommen, die der Staat macht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Jetzt hat für die Linke Eva Bulling-Schröter das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7073903 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Klimaschutz in der Wärmeversorgung |