Swen SchulzSPD - Nachtragshaushaltsgesetz 2016
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Tribünen!
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und an den Rundfunkgeräten!)
Der Kollege Volkmar Klein hat es angedeutet, und mir ging es auch so: Wenn ich früher das Wort „Nachtragshaushalt“ gehört habe, dann habe ich an eine Krise und an Schulden gedacht. So war das in früheren Zeiten ja auch immer.
Das ist jetzt aber vorbei. Wir haben wieder einen Nachtragshaushalt, der nicht das Stopfen von Löchern mit neuen Schulden vorsieht, sondern zusätzliche Investitionen aus Überschüssen. Das ist wirklich eine starke Leistung dieser Koalition.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben heute Morgen ja bereits über das große Paket der Gesetzentwürfe zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen diskutiert. Bei allen Kontroversen zu den verschiedenen Punkten hat auch die Opposition richtigerweise festgestellt: Es ist richtig, zusätzliche Mittel für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen bereitzustellen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wir sind ja auch konstruktiv!)
Ich bin auf dem Feld der Bildung besonders stark engagiert seit ich im Deutschen Bundestag bin, und ich war schon immer ein Kritiker des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern. Darum freue ich mich wirklich sehr, dass das wenigstens ein Stück weit gelockert wird und damit mehr Engagement des Bundes für die Bildung möglich ist.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Die Bildung – darin sind wir uns doch sicherlich alle einig – ist sehr wichtig für die Menschen, für die Gesellschaft und für unsere Zukunft. Wir müssen hier alle Kräfte zusammennehmen und an einem Strang ziehen. Das wird jetzt leichter.
Dazu gehört dann aber auch – das sage ich ebenso klar –, dass wir hier keine Blankoschecks verteilen. Die Länder können mit dem Geld nicht machen, was sie wollen. Dieses Geld des Bundes muss dann auch wirklich für die Bildung ausgegeben werden, und wir müssen darauf achten, dass das korrekt läuft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir Sozialdemokraten sagen freimütig, dass wir uns bei aller Freude über das Erreichte durchaus hätten mehr vorstellen können. Das betrifft zum einen das Kooperationsverbot, das wir auch ganz abschaffen würden, zum anderen betrifft das auch das Geld; denn es gibt ja einen zusätzlichen Haushaltsüberschuss in Höhe von 6,2 Milliarden Euro. Wir haben vorgeschlagen, dieses Geld für weitere Investitionen zu nutzen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und die CDU/CSU wollten das jedoch nicht. Sie wollten mit dem Geld lieber Schulden tilgen. Wir konnten uns auch nach langen Diskussionen nicht einigen,
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Schade!)
sodass das Geld nach geltender Rechtslage in die Rücklage für Flüchtlinge fließt.
So weit, so schade; denn das Geld wird an den Schulen dringend gebraucht. Die baulichen Investitionen sind in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. 34 Milliarden Euro fehlen. Ich zitiere die KfW:
Den Trend steigender Investitionsrückstände zu brechen ist notwendig, um das Bildungssystem zukunftsfit zu machen und das Bildungsniveau langfristig zu steigern ...
Anders formuliert: Jeder weiß, dass in einer Schule ohne funktionierende Heizung, ohne ordentliche Sporthalle und ohne moderne Ausstattung nicht gut gelernt werden kann.
Es gäbe auch jede Menge anderer Investitionsziele, etwa bezahlbare Wohnungen, moderne kommunale Infrastruktur, schnelles Internet usw. Ökonomen wie der DIW-Chef Fratzscher beklagen den öffentlichen Investitionsstau der letzten Jahre, der dringend aufgeholt werden muss. Auch die OECD fordert uns zu stärkeren Investitionen gerade im Bildungsbereich auf.
Die Bertelsmann-Stiftung hat jüngst in einer Studie dargelegt, dass die öffentliche Hand in Deutschland zu wenig investiert. Mehr öffentliche Investitionen würden sich demnach rechnen und auszahlen. Die Stiftung schreibt:
Durch die geringe öffentliche Investitionstätigkeit bleibt Deutschland hinter seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten zurück und setzt den Wohlstand kommender Generationen aufs Spiel.
Deutlicher geht es doch nicht!
Die Union orientiert sich aber am Leitbild der vielzitierten schwäbischen Hausfrau.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit dem Hausmann?)
– Nur mit der Ruhe! – Nichts gegen die schwäbische Hausfrau an sich, aber der Staat ist eben kein Familienhaushalt.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist so!)
Mir als gebürtigem Hamburger sei gestattet, zu sagen: Was wir mehr brauchen, ist der Geist des hanseatischen Kaufmannes, der vorausschauend investiert und auf Wachstumskurs fährt.
(Beifall bei der SPD – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das müssen die noch lernen! – Klaus-Dieter Gröhler [CDU/CSU]: Aber er macht auch keine Schulden auf Teufel komm raus!)
Wir haben im Grundsatz gar nichts gegen das Zurückzahlen von Schulden. Aber das können wir doch erst machen, wenn die Schulen in Ordnung und wenn genügend Wohnungen vorhanden sind, wenn also die Infrastruktur stimmt. Dafür interessieren sich doch die Menschen, nicht dafür, ob der Schuldenstand 0,4 Prozent höher oder niedriger ist.
Dass wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Differenzen in der Koalition offen aussprechen und hier debattieren, finde ich übrigens gut; denn so werden bei allen gemeinsamen Erfolgen in der Koalition auch die Unterschiede in der Herangehensweise an die Themen deutlich. Das hilft der Demokratie, und das hilft den Bürgern bei der Wahlentscheidung.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist ein Luxusproblem, das wir haben!)
Jetzt wird argumentiert, dass der Bund schon sehr viel macht und die Mittel gar nicht recht abfließen. Ich habe da einen Vorschlag. Die Bundesbildungsministerin Wanka hat unlängst einen Digitalpakt für Schulen ins Spiel gebracht. Der Bund will in den nächsten Jahren massiv in die digitale Ausstattung an Schulen investieren. Jährlich 1 Milliarde Euro an Bundesmitteln soll fließen. Darüber gab es eine breite Berichterstattung. Allein: Frau Wanka hat dafür keinen einzigen Euro. Sie verschiebt die Finanzierungsfrage auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das macht man doch nicht! – Bernhard Daldrup [SPD]: Sie hätte ja einmal mit Schäuble reden können!)
Das ist – mit Verlaub – eher fragwürdig.
Wir könnten aber sofort mit einer ganz schnellen und einfachen Entscheidung die Mittel für den Digitalpakt aus dem Überschuss zur Verfügung stellen. Das wäre doch einmal eine kraftvolle Entscheidung vor der Bundestagswahl.
(Beifall bei der SPD)
Aber die Union lässt sich nicht überzeugen. So bleiben die Mittel zweckgebunden in der Reserve für Flüchtlinge. Dort bleiben sie dann auch, bis der nächste Deutsche Bundestag und die nächste Bundesregierung nach den Wahlen anders entscheiden und das Geld sinnvoll einsetzen werden. Ich bin sicher, dass Bundeskanzler Martin Schulz das ordentlich regeln wird.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD – Klaus-Dieter Gröhler [CDU/CSU]: Ich kenne nur Swen Schulz!)
Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Dr. Tobias Lindner das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7073926 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Nachtragshaushaltsgesetz 2016 |