Tobias ZechCDU/CSU - Bekämpfung von Fluchtursachen
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt bin ich etwas verwundert und frage mich, ob ich im falschen Land lebe oder meine Vorredner.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorrednerinnen!)
Ich glaube, wir alle in diesem Hause, die wir hier sitzen – auch die Regierung –, müssen uns nicht verstecken, wenn es darum geht, was wir die letzten Monate auf die Beine gestellt haben im Bereich „Bekämpfung von Fluchtursachen“ – überhaupt nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir können auch einmal Danke sagen für die Geschwindigkeit des Bundeskanzleramtes, – Staatsminister Roth ist anwesend – für die Geschwindigkeit des Auswärtigen Amtes und – Staatssekretär Fuchtel ist anwesend – für die Geschwindigkeit des BMZ, aber vor allem auch den Beamten dieser Ministerien und den Botschaften vor Ort, die ohne bürokratische Hemmnisse miteinander für die Menschen arbeiten, um die es in dieser Debatte geht, diejenigen nämlich, die aus Syrien geflohen sind und jetzt in Jordanien, in der Türkei oder im Libanon versuchen, ihr Leben zu verbessern. Denen kann man Danke sagen. Auf diese Ergebnisse – Frau Roth, Sie haben es ja mehrfach vor Ort gesehen – können wir stolz sein.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Somit zu sagen, wir hätten in dieser Regierung nichts hinbekommen, hat mit der Realität nichts zu tun.
(Abg. Niema Movassat [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Herr Movassat möchte etwas sagen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.
Ja.
Haben Sie sie bestellt? – Bitte schön, Herr Movassat.
Herr Kollege Zech, danke, dass Sie die Frage zulassen. – Ihr engagiertes Plädoyer, dass die Bundesregierung so viel gegen Fluchtursachen tun würde, ruft mich auf den Plan. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die relativ wenig mit der Bekämpfung von Fluchtursachen zu tun haben. Das sind Abkommen mit Ländern wie dem Sudan, Äthiopien, Eritrea etc., wo es um sogenanntes Migrationsmanagement geht. Aber im Wesentlichen geht es bei diesen Maßnahmen darum – hier ist vor allem die EU am Ball –, Polizisten auszubilden, auszurüsten. Solche Maßnahmen finden statt. Mit Ägypten, einer Militärdiktatur, ist ebenfalls ein solches Abkommen in der Pipeline. Mich würde interessieren: Was haben solche Maßnahmen, bei denen die Bundesregierung mit Diktaturen zusammenarbeitet, um Migranten und Flüchtlinge zu stoppen, mit der Bekämpfung von Fluchtursachen zu tun?
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Movassat, vielen Dank für diese Frage. – Ich beantworte sie mit einem anderen Beispiel. Ich beziehe mich auf die Waffenlieferungen an die Peschmerga-Kurden, gegen die Sie auch gestimmt haben.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Jetzt gehen sie aber ganz woanders hin!)
– Doch, doch. – Bei der Frage „Was hat Sicherheit, was hat die Ausbildung vor Ort mit Flucht zu tun?“, bei der Frage „Unterstütze ich ein Volk wie die Kurden im Nordirak, um sich gegen einen Feind, die Islamisten des IS, zu verteidigen?“ sage ich: Ja, natürlich unterstützen wir die. Wenn Sie sagen, denen dürfen wir nur Lebensmittel, Medikamente und Sanitärausrüstung liefern: Dann sind sie satt, sauber und gesund, bevor sie vom IS erschossen werden. Ich sage: Natürlich arbeiten wir mit Sicherheitspolitik. Natürlich hat es etwas mit der Bekämpfung von Fluchtursachen zu tun, einem Volk auch die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Insoweit sind wir tatsächlich auf einem anderen Weg.
Aber ich war bei einem anderen Punkt. Gerade habe ich die Regierung gelobt. Aber wir sind nicht nur mit der Regierung vor Ort, sondern auch mit Organisationen: Die großen NGOs sind vor Ort: das Rote Kreuz, der Rote Halbmond, aber auch kleine Organisationen. Wir haben in Bayern eine ganz kleine NGO – die heißt Orienthelfer –, die seit Jahren im Libanon, in der Türkei, in Jordanien hervorragend arbeitet. Sie erhält auch Unterstützung durch das Bundesverteidigungsministerium. Der Staatssekretär hat mit ausgemusterten Feldküchen, mit denen man für 1 000 Menschen pro Tag kochen kann, geholfen. Es ist ein kleiner Verein, und was er tut, das verdient unseren Respekt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In der letzten Woche haben wir in Barelias in der Bekaa-Ebene ein Handwerkerhaus eingeweiht, das direkt an der Grenze zu Syrien jungen Flüchtlingen Handwerksausbildungen ermöglicht, finanziert vom Bildungswerk der bayerischen Wirtschaft und von der Bayerischen Staatskanzlei. Das funktioniert alles vor Ort. Wir stellen allein vom BMZ 2017 3,5 Milliarden Euro für die drei großen Maßnahmen bereit: Minderung von Fluchtursachen in den Herkunftsländern, Unterstützung von Flüchtlingen im Aufnahmeland und Unterstützung von Aufnahmegemeinden. Die Hauptaufgabe – egal ob die Flüchtlinge in der Türkei sind, in Gaziantep, in Nizip oder Kilis, ob sie im Libanon sind, in Tripoli, oder ob sie in Jordanien sind – übernehmen die Kommunen. Auch diese unterstützen wir. Somit ist Deutschland mittlerweile der zweitgrößte bilaterale Geber für diese Regionen. Auch darauf können wir stolz sein. Auch das hat die Bundesregierung hinbekommen. Somit werden wir unserer Verantwortung nicht nur gerecht, sondern wir werden dieser Verantwortung mehr als gerecht. Wir dienen auch als Vorbild, wenn ich mir einmal die Regierung in Frankreich ansehe, die 63 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat, oder die in Italien mit 43 Millionen Euro – im Gegensatz zu unseren 1,2 Milliarden Euro.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Ute Finckh-Krämer [SPD])
Wir leisten also finanzielle Unterstützung vor Ort.
Kollegin Roth hat es vorhin angesprochen, Sie auch, Frau Hänsel: Was machen wir denn? Wir verteilen das Geld ja nicht mit der Gießkanne, sondern machen Projekte, die eine Perspektive schaffen. „ Cash for Work“ hat der Kollege Klimke schon angesprochen. Wir versuchen, die Infrastruktur auszubauen, aber nicht für jemanden, sondern mit jemandem, auch mit der heimischen Wirtschaft. Auch Freihandel ist, wenn er fair ist, ein richtiges Instrument, und auch dafür kämpfen wir.
(Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Natürlich müssen wir auch die Fluchtursachen bekämpfen,
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau!)
die sich durch Kriege in einer Region ergeben, in der wir Frieden brauchen, die sich durch Erschütterungen in der Sicherheitslandschaft ergeben, aber auch durch Menschenhandel, durch verbrecherische Organisationen, die es geschafft haben, dass im Jahr 2016 auf dieser Welt mehr Geld mit Menschenhandel als mit Drogenhandel verdient worden ist. Wir haben es also auch mit organisierter Kriminalität zu tun. Schleppern – auch das gehört zur Bekämpfung von Fluchtursachen – muss man das Handwerk legen. Insofern ist die Unterstützung für Frontex, die Unterstützung der Grenzsicherung ein wichtiger Schritt, damit Schlepper kein Geld damit verdienen, dass sie das Leben von Menschen gefährden, die sie aufs Meer hinausschicken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für mich ist wichtig: Wir können uns nicht hinsetzen und zufrieden sein – es gibt in all diesen Regionen noch viel zu tun. Ich glaube aber, wir sind mit dem, was wir bis jetzt gemacht haben, auf einem richtigen Weg. Noch einmal danke an alle, die beteiligt waren! Ich hoffe, dass wir diese Debatte nicht mehr allzu oft führen müssen, sondern sich die Situation vor Ort zum Besseren wendet.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7073948 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 218 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung von Fluchtursachen |