17.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 219 / Tagesordnungspunkt 21

Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Schutz von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer auf den Rängen und zu Hause! Am 22. Januar dieses Jahres postete die Berliner Polizei auf Facebook folgenden Beitrag:

+++ In unseren Fahrzeugen befinden sich Menschen +++

Unbekannte haben vergangene Nacht mehrfach Steine auf Polizeiautos geworfen. Das stellt einen Angriff dar, zu dem wir den Tätern aber auch der Öffentlichkeit etwas zu sagen haben ...

Unsere Kolleginnen und Kollegen sind auf der Straße für jeden von Ihnen rund um die Uhr da. ... sie helfen, trösten, trauern, (be-)schützen, passen auf und hören zu. Aber sie schlichten auch Streits, sorgen nachts für Ruhe, überprüfen, kontrollieren, finden klare Worte ... und nehmen fest.

Natürlich machen sie sich dabei auch bei dem einen oder anderen unbeliebt. Das ist quasi Berufsrisiko ...

Was jedoch gar nicht geht, sind feige Übergriffe, wie in der letzten Nacht.

Dann folgt die Schilderung dessen, was in der vorausgegangenen Nacht passiert war: Das Polizeifahrzeug war gegen 2 Uhr nachts auf einer normalen Streifenfahrt ohne besonderen Anlass mit Steinen beworfen worden. Es wurden weitere Funkwagen angefordert. Als sie kamen, prasselten auch auf sie Steine nieder. Ein Angestellter wurde verletzt. Die Täter flüchteten. Fünf Polizeiautos wurden stark beschädigt.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, Berlin!)

Meine lieben Zuhörer, das richtige Maß an Sicherheit auf der einen Seite und Freiheit auf der anderen Seite muss immer wieder neu austariert werden. Das ist wichtig, denn sonst geht das eine neben dem anderen unter. Für unsere Demokratie, aber auch für unsere ganz persönliche Lebensqualität muss beides gegeben sein. Sicherheit darf die Freiheit nicht ersticken, aber muss sie schützen: die Freiheit, abends noch in den Park zu gehen, die Freiheit, sein Zuhause für längere Zeit verlassen zu können, ohne damit rechnen zu müssen, dass es einen Einbruch gibt.

Bei alldem kann es nicht darum gehen, dass die potenziellen Opfer ihr Verhalten ändern müssen, sondern es muss klar sein, dass es weiterhin darum geht, dass die Täter gestoppt werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist Sache des Staates, mit seinem Gewaltmonopol genau dafür zu sorgen. In diesem Kontext sind eben die Polizisten und Rettungskräfte diejenigen, die sich für uns einsetzen, die sich für den Schutz unserer Freiheit, unserer körperlichen Unversehrtheit, der Meinungsfreiheit, des Eigentums, die sich für Demokratie und damit letztendlich für unseren Staat und unsere Gesellschaft in Notlagen und Gefahr einsetzen.

Sie können sich nicht aussuchen, in welche Situation sie kommen. Sie müssen mutig sein. Ihr Tun und Handeln sind keine Selbstverständlichkeit. Sie halten den Kopf in gefährlichen Situationen hin, etwa dann, wenn Clans, die unbedingt zusammenhalten, sich gegen Polizisten im Einsatz zusammenrotten, oder wenn sie gegen Einbrecherbanden vorgehen und nicht wissen, welche Gefahr auf der anderen Seite auf sie wartet. Das müssen wir respektieren. Das verdient Anerkennung, und das verdient auch den nötigen Schutz.

In der Realität ist es anders – wir haben die Zahlen schon gehört –: Die Angriffe richten sich nicht nur persönlich gegen Polizisten, sondern diese werden auch als Vertreter des Staates angegriffen.

Polizeibeamte und Rettungskräfte sind keine besseren Menschen, im Gegenteil. Der Post der Berliner Polizei geht genau damit weiter, dass betont wird: Es geht um ganz normale Menschen mit ihren Familien, die sich zu Hause Sorgen machen. Es geht um Menschen, die ihren Angehörigen wieder erklären müssen, dass sie wegen eines Einsatzes nicht rechtzeitig zum Abendbrot zu Hause sind und dass sie wieder einmal nicht mit auf die Geburtstagsfeier im Freundeskreis gehen können. Dieser persönliche Einsatz macht sie besonders schutzwürdig. Dass sie aber auch für den Staat eintreten, dass sie auch in gefährlichen Situationen ihren Kopf hinhalten, macht sie auch besonders schutzbedürftig.

Ein weiterer Aspekt ist, dass es aus dem Blickwinkel des Täters nicht damit getan ist, dass er bei einem Angriff auf einen Polizisten eine Privatperson attackiert, sondern der Täter bringt damit auch eine besondere Respektlosigkeit gegenüber dem Staat zum Ausdruck.

Das alles zusammengenommen ist der Grund dafür, dass wir hier eine besondere Norm brauchen, die dieses besondere Tatunrecht zum Ausdruck bringt, das sich dann auch in der strafrechtlichen Bewertung im Einzelfall niederschlagen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal den Richterbund gefragt?)

Meine Damen und Herren, wie folgenschwer und belastend solche Übergriffe sind und dass das auch das Funktionieren der Dienststellen vor Ort wirklich beeinträchtigt, kann sich jeder anhören, der sich zu Hause im Wahlkreis auch einmal mit Rettungskräften und Polizisten unterhält. Es gibt aber auch eine Studie aus dem Jahre 2011 aus Nordrhein-Westfalen dazu. In dieser haben 43 Prozent der befragten Polizeivollzugsbeamten angegeben, in diesem einen Jahr – 2011 – mindestens einmal einen tätlichen Übergriff erlebt zu haben. 2,1 Prozent der Befragten gaben an, davon eine dauerhafte körperliche Beeinträchtigung davongetragen zu haben. „ 2,1 Prozent“ hört sich wenig an, aber das bezieht sich auf ein Jahr. Rechnen Sie das einmal auf die durchschnittliche Dienstzeit eines Polizistenlebens hoch.

Die Studie zeigt auch, was mit den Betroffenen dann passiert. Eine Polizistin wird zitiert:

Ich glaube, dass unterschätzt wird, was ständige Anfeindungen von Bürgern (oft auch wegen völlig nichtiger Anlässe) oder Unterstellungen auf Dauer anrichten können (z. B. ein Abstumpfen des Umgangs mit den Bürgern, Resignation, was Bemühungen im Dienst angeht, und deutliche Verkürzung der eigenen Geduld).

Das zeigt auch auf, was auf dem Spiel steht; denn wir wollen doch, dass sich unsere Polizisten motiviert, mutig, unvoreingenommen in die Situationen hineinbegeben, in die sie gerufen werden, dass sie mit Fingerspitzengefühl und Verständnis agieren. Auch deshalb müssen wir etwas tun, um die zunehmende Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte einzudämmen.

Wir sind der Auffassung, dass wir hier auch das Mittel des Strafrechts heranziehen müssen. Das ist eine lang gehegte, seit Beginn dieser Legislaturperiode seitens der Union eingebrachte Forderung. Es ist auf unser Betreiben in den Koalitionsvertrag hineingekommen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: So ist es!)

Wir haben mit dem Koalitionspartner lange darüber verhandelt. Wir waren uns von Anfang an einig, dass es eine bessere Ausstattung, dass es mehr Personal geben muss. Aber wir waren von Anfang an uneinig darüber, ob wir auch das Strafrecht anpassen.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das stimmt!)

Darüber haben wir lange streitig verhandelt. Es war durchgängig unsere Ansicht, dass wir auch an den § 113 StGB heranwollen, während das vom Koalitionspartner nicht zugestanden wurde. Das lässt sich heute durchaus noch nachlesen, zum Beispiel auf der Homepage vom vorwärts, vorwaerts.de , oder auch – ganz zutreffend dargestellt – in der FAZ vom letzten Sonntag. Jeder, der das anders in Erinnerung hat, kann sich da noch einmal vergewissern, ob seine Erinnerung stimmig ist.

Was ist nun neu an dem Paragrafen, den wir ändern wollen? Wir wollen, wie gesagt, auch die allgemeinen Diensthandlungen in den besonderen Schutz des § 113 hineinnehmen. Wir werden auch das Strafmaß erhöhen. Es soll bei tätlichen Angriffen bei mindestens drei Monaten Haftstrafe – im besonders schweren Fall wie bisher bei sechs Monaten – beginnen und bis hin zu fünf Jahren reichen. Dabei ist mir vor allem der untere Strafrahmen noch einmal wichtig. Es wird zu Recht gesagt, dass der Strafrahmen meist noch Luft nach oben lässt. Aber die Erfahrung ist eben, dass dieser Strafrahmen nicht ausgereizt wird. Deshalb müssen wir als Gesetzgeber diesen Strafrahmen neu justieren, damit in diesen Fällen auch gleich zur Haftstrafe gegriffen werden kann und das nicht im Ungefähren bleibt bzw. mit einer kleinen Geldstrafe abgetan wird. Genau das ist das Ziel dieses Gesetzgebungsverfahrens.

Aber wir wollen natürlich nicht das eine tun, um das andere zu lassen, sondern müssen es im Gesamtpaket sehen. Wir stehen ja am Anfang der parlamentarischen Beratungen und müssen uns noch verschiedene Dinge überlegen, die teilweise auch schon angesprochen wurden. Wir müssen uns den Kreis der besonders geschützten Personen noch einmal ansehen. Von unserer Seite war auch hier immer der Vorschlag, möglicherweise in § 46 StGB zum Ausdruck zu bringen, dass auch andere, die für den Staat stehen – Angestellte in den Jobcentern zum Beispiel, medizinische Helfer in den Ambulanzen und dergleichen mehr –, besonders geschützt werden sollten. Kontrolleure in S-Bahnen wären auch eine Gruppe, die wir in den Blick nehmen müssen. Es gibt dazu, darf ich sagen, einen Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen, im Dezember im Bundesrat eingegangen. Ich schaue einmal, ob das Wirkung auf den Koalitionspartner und den Justizminister hat.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Selbstverständlich! Nordrhein-Westfalen immer!)

Vielleicht können wir an dieser Stelle noch etwas nachbessern.

Zur nötigen Ausstattung ist schon etwas gesagt worden. Ich möchte noch einmal an uns alle appellieren, dass wir neben all den Forderungen – Ausstattung, Strafrecht und dergleichen – vor allem gut über die Polizei reden und auch in unseren Reden den Respekt und die Anerkennung gegenüber den Rettungskräften und Polizisten zum Ausdruck bringen. Frau Peters Aussagen wurden schon als Gegenbeispiel genannt. Ich nenne als positives Beispiel den Antrag der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, der ausdrücklich den Dank an die Polizisten, die in der letzten Silvesternacht im Einsatz waren, zum Ausdruck bringt. Diesem Dank schließe ich mich ausdrücklich an.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7074079
Wahlperiode 18
Sitzung 219
Tagesordnungspunkt Schutz von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften
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