Gerold ReichenbachSPD - Schutz von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer! Ich grüße auch die, um die es heute im Besonderen geht, nämlich die Polizeibeamten, die Feuerwehrleute, die Mitglieder der Hilfsorganisationen und der Rettungsdienste, die uns vielleicht zuschauen.
Einen Teil dessen, worüber wir reden, kenne ich aus eigenem Erleben. Ich war und ich bin noch beim Technischen Hilfswerk aktiv. In meinem Landkreis hat mir im letzten Jahr mein Stellvertreter erzählt, dass er zu einem brennenden Objekt, zu dem das THW zu Hilfe gerufen wurde, trotz Blaulicht nicht durchdringen konnte, weil er von der Gafferschar behindert wurde. Ich selber habe erlebt, als ich bei einem Hochwassereinsatz versucht habe, Gaffer vom Deich zu verweisen, weil sie nicht nur die Rettungskräfte behindert, sondern auch sich selbst gefährdet haben, dass ich nicht nur nach dem Motto: „Wir als Steuerzahler bezahlen doch dich und deinen Laden“ beschimpft wurde, sondern dass mir auch Prügel angedroht wurde.
Natürlich gebe ich Ihnen recht: All die Straftatbestände wären auch jetzt schon unter Umständen strafrechtlich verfolgbar. Wir erleben aber auch, dass Sanitäter oder Brandwachen der Freiwilligen Feuerwehr auf Festen, wo sie Bereitschaftsdienst leisten, bei Schlägereien plötzlich Objekt der Aggression sind.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird alles bestraft!)
Es gibt allerdings einen Riesenunterschied zwischen dem Bürger und Politiker, der ich bin, und mir als THW-Helfer. Als normaler Bürger kann ich versuchen, mich einer solchen Situation deeskalierend zu entziehen oder, wenn ich weiß, dass dort eine gefährliche Situation droht, sie zu vermeiden. Genau das können Polizeibeamte, Feuerwehrleute, Sanitäter und andere Rettungskräfte nicht. Sie müssen sich oft sogar dieser Situation aussetzen, um helfen zu können. Das ist der fundamentale Unterschied.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann werden sie geschützt nach § 113!)
Deswegen können wir sie beim Schutz, auch beim strafrechtlichen Schutz, nicht so behandeln wie jemanden, der durch eigenes Zutun auch dazu beitragen könnte, dass die Gefährdung bzw. der Straftatbestand nicht eintritt.
(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich kann, Herr Ströbele – das ist Ihre graue Theorie –, auf dem Deich nicht zu demjenigen, der mich angreift, sagen: „Ich gehe, dann hast du deinen Frieden, und ich habe meine Ruhe“ und damit den Konflikt vermeiden. Ich muss dableiben, weil ich das Ziel habe, zu helfen. Der Sanitäter kann nicht sagen: „Auf das Fest gehe ich nicht“, weil dort üblicherweise Schlägereien und andere Zwischenfälle drohen. Er hat den Auftrag, ob als Ehrenamtlicher oder als Hauptamtlicher, dort helfen zu müssen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eingreifen muss er!)
Er hat auch das Ethos, dort zu helfen, und das will er auch.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Deswegen kann ich nicht sagen, dass da der gleiche Schutz wie der für einen Bürger reicht, der sich auf andere Weise solch einer Situation entziehen kann.
Dann kommen wir zu einem zweiten Punkt und reden über den Strafrahmen.
Kollege Reichenbach, der Kollege Ströbele hätte gerne eine Zwischenfrage gestellt.
Gerne, das verlängert meine knappe Redezeit.
Herr Kollege, ich erkenne ja an, dass Sie bemüht sind, eine Unterscheidung hinzubekommen, warum dies notwendig ist. Wenn aber auf einem Fest eine Schlägerei stattfindet, dann kann der Polizeibeamte, der dort ist, nicht nach Hause gehen, sich wegducken oder sich unter dem Tisch verstecken, sondern er muss eingreifen. Aber genau in diesem Augenblick steht er unter dem besonderen Schutz des geltenden § 113 StGB, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, nach dem er besonders geschützt ist. Das hat der Gesetzgeber schon vor Jahren so eingeführt, übrigens damals auch nicht ganz unumstritten.
Vielen Dank, Kollege Ströbele, für die Zwischenfrage. Ich denke, Sie offenbaren damit ein wenig Praxisferne. Ich spreche eben nicht über den Feuerwehrmann,
(Dr. Eva Högl [SPD]: Genau!)
der zu Hilfe eilt, weil er einen Brand löschen muss, oder über den Polizisten, der einschreitet, weil es zu einer Schlägerei kommt, oder den Sanitäter, der einen Verletzten zu versorgen hat. Ich spreche von denen, die Bereitschaft haben, die am Rande des Festes stehen und Brandwache leisten. Das ist noch keine Vollstreckungshandlung in Ihrem Sinne. Sie können eben nicht, wie man es als Privatperson tun könnte, sagen: „Nein, auf dem Fest wird es mir langsam zu brenzlig und zu gefährlich. Ich gehe jetzt“, sondern sie haben dazubleiben.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer erwartet das denn?)
Sie haben weiter Brandwache zu leisten und weiter als Sanitäter in Bereitschaft zu stehen. Ich glaube, Sie verkennen diesen Unterschied.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe der Abg. Hans-Christian Ströbele und Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der letzte Punkt: der Strafrahmen. Mir hat ein Sanitäter, der angegriffen wurde – es kam dann auch zu einer Verhandlung und einer Verurteilung –, berichtet, dass er sehr enttäuscht war, da die Strafe aufgrund des Strafrahmens relativ niedrig ausfiel. Er sagte: Ich habe nach dem Urteil das Gefühl gehabt, ich sei so etwas wie Freiwild. – Ich denke, auch darum geht es, wenn wir dieses Gesetz hier beraten.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen geht es um das Gefühl, aber nicht darum, etwas zu verhindern!)
Deshalb bin ich der festen Auffassung, dass wir dies tun sollten. Ich war übrigens schon immer dieser Auffassung.
Außerdem sollten wir im Zuge der Beratungen auch das Problem der Gaffer, die zunehmend das Leben Dritter gefährden, indem sie die Einsatzkräfte behindern –
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die werden alle nicht bestraft!)
ich erinnere nur an die Rettungsgasse –, aufnehmen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum Abschluss dieser Aussprache hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Volker Ullrich.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7074082 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 219 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften |