17.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 219 / Zusatzpunkt 8

Katrin Göring-EckardtDIE GRÜNEN - Managergehälter

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Managergehälter, Boni: Kartell des Schweigens über Jahre. Geschwiegen haben die Manager natürlich selbst. Geschwiegen hat die Große Koalition. Geschwiegen haben Aufsichtsräte. Geschwiegen hat ein Ministerpräsident. Geschwiegen haben sogar Betriebsräte und Gewerkschafter. Alle, die immer gern über Gerechtigkeit reden, wenn es um die anderen geht, schweigen.

Ein Kanzlerkandidat redet – gut so –, schweigt aber, wenn es plötzlich um VW geht, wenn es plötzlich um das Stammland geht, wenn es plötzlich um die eigenen Leute geht. Wenn es um Glaubwürdigkeit gehen soll, dann macht man das anders, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Also reden wir. Anlass dieses Mal: 12 Millionen Euro Abfindung für 13 Monate Tätigkeit von Christine ­Hohmann-Dennhardt im VW-Vorstand. Sie erinnern sich? Das war jene Frau, die von Daimler abgeworben wurde, um im Zuge des Dieselabgasskandals Ordnung in den Saustall VW zu bringen. Sie war Integritäts- und Compliance-Chefin – ausgerechnet. 12 Millionen Euro.

Es ist nicht verwunderlich, dass bei VW ausgerechnet die Frau für Integritätsfragen geht. Es ist auch nicht verwunderlich, dass es die Abfindungspraktiken immer noch gibt. Schließlich bezahlte der Konzern – wir erinnern uns – auch die Heizung für den Koi-Karpfen-Teich des früheren VW-Chefs. Seine Betriebsrente von VW übrigens 3 100 Euro pro Tag. Schon klar, dass es dann für den Koi nicht mehr reicht.

Nun kommt ausgerechnet von VW der Vorschlag, Managergehälter auf 10 Millionen Euro zu begrenzen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Armen!)

Klar, wenn man die Rekordbezüge von 17,5 Millionen Euro als Maßstab nimmt, die der Ex-Vorstandsvorsitzende Winterkorn eingestrichen hat, sind 10 Millionen Euro schon weniger. Wenn man sich einmal anschaut, was im DAX los ist, dann sieht man: Es gibt genau zwei Vorstände, die darüber liegen. Für alle anderen ist das, was VW vorschlägt, eine Orientierung nach oben. Meine Damen und Herren, das ist obszön. Das ist alles andere, als verstanden zu haben, worum es hier eigentlich geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr richtig!)

Es ist doch tragisch, dass man heute bei VW nicht an moderne Autos, an sichere Autos, an umweltbewusste Autos, gar an Elektroautos denkt, sondern man denkt an Boni, Dieselskandal. Aber es gibt leider überhaupt niemanden, der dafür Verantwortung übernimmt. Das schadet dem Gemeinwohl, meine Damen und Herren, und zwar grundständig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es ist doch absurd. Es widerspricht auch allen wirtschaftlichen Ideen, wie man nachhaltig wirtschaftet. Und es widerspricht übrigens auch dem, was die allermeisten Menschen, die heute in der Wirtschaft Verantwortung übernehmen, denken und sagen. Die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, die redlich handeln, die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich nicht obszöne Beträge in die eigene Tasche stecken, werden in Mithaftung genommen. So wird ein ganzer Berufszweig durch solch obszönes Handeln diskreditiert, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Kein Zweifel: Manager in einem großen Konzern zu sein, ist ein harter Job. Die Verantwortung ist groß. Aber dass man deswegen 57-mal mehr verdienen muss – das ist der Durchschnitt bei DAX-Unternehmen – als der Arbeiter im eigenen Unternehmen, das geht nicht, das hat nichts mit Zusammenhalt zu tun. Das ist das Gegenteil von dem, was Verantwortung bedeutet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da will ich gar nicht über die Rettungssanitäterin und ihre Verantwortung reden; das werden sich viele dazudenken. Solche Millionengehälter, meine Damen und Herren, kann man nicht mit Leistung, Verantwortung, Weitblick rechtfertigen – all dem, von dem dann immer die Rede ist. Denn auch in einem DAX-Konzern gilt: Es sind immer viele Menschen für den Erfolg verantwortlich, mit ihrer Leistung, mit ihrer Kreativität, ihrem Engagement und ihrem Wissen. Ja, wer viel leistet, soll anständig bezahlt werden – natürlich! Aber was hier geschieht, hat eben nichts mit nachhaltiger Unternehmensführung zu tun.

Vor allem – wenn es um Vertrauen geht –: Was ist denn eigentlich, wenn man sich seiner Verantwortung als nicht würdig erweist, weil man es etwa in der Automobilbranche verschläft, zukunftsfähige Entscheidungen zu treffen, wie beispielsweise in Bezug auf die Elektromobilität, oder wenn durch den Abgasskandal bei VW 23 000 Menschen ihre Jobs verlieren? Was macht dann der Vorstand? Er streicht immer noch 63,2 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2015 ein. Das geht nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Wenn es einen Bonus gibt, dann muss es doch auch einen Malus geben. Das muss doch selbstverständlich sein. Wenn man von Verantwortung redet, dann muss dies auch dann gelten, wenn es schlecht läuft, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Es kann nicht sein, dass es, wenn es schlecht läuft, eine Extraschippe obendrauf gibt.

Sie von der Großen Koalition haben jahrelang nichts dagegen getan, diese Praxis zu ändern.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Doch! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Sie haben dagegengestimmt!)

Jahrelang waren Sie untätig, und dann beginnt der Wahlkampf und es tut sich etwas. Ich bin ja dafür – wenn es jetzt geht, dann von mir aus gerne.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Selbst Frau Hasselfeldt hat sich inzwischen dafür ausgesprochen. Herzlichen Glückwunsch! Ich bin gespannt, was Sie dazu sagen. Ich habe gehört, bei Ihnen in der Fraktion gab es deswegen Ärger.

Ich bin gespannt. In Niedersachsen jedenfalls war Herrn Weil die soziale Gerechtigkeit nicht so wichtig, und er hat die Bosse gewähren lassen. Im Übrigen haben auch die IG Metall und die Betriebsräte im Aufsichtsrat kein gutes Bild abgegeben, sondern sie haben durchgewinkt. Still war Herr Weil auch, als es um die 12 Millionen Euro für Frau Hohmann-Dennhardt ging. Herr Kahrs hat ja dann vorgeschlagen, dass Frau Dennhardt das Geld doch bitte spenden könnte. Ein umfassenderes Eingeständnis, dass es eine absurde Praxis ist, ein umfassenderes Eingeständnis der eigenen, absurden Untätigkeit kann es gar nicht geben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Ganze hat Herr Weil im Fall Hohmann-Dennhardt gemacht – das kann ich Ihnen nun wirklich nicht ersparen –, obwohl die Mehrheit des Niedersächsischen Landtags, mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen und sogar der CDU, beschlossen hat, dass es anders gehen soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Peter Stein [CDU/CSU])

Das war im Jahr 2013. Im Jahr 2015 wurde immer noch das Gegenteil getan. Und ich möchte wissen, wie Sie das sehen. Ich möchte auch wissen, warum Sie im Oktober 2016, als wir hier im Bundestag eine Debatte dazu hatten, nicht zugestimmt haben. Da hätten Sie nämlich auch schon die Gelegenheit gehabt, meine Damen und Herren.

Ich fordere Sie auf: Handeln Sie jetzt endlich! Sorgen Sie dafür, dass man mit dieser Obszönität aufhört! Sorgen Sie dafür, dass Zusammenhalt ernst gemeint ist, dass Glaubwürdigkeit ernst gemeint ist und dass das nicht nur für die unten gilt, sondern auch für die ganz oben. Dafür stehen wir jedenfalls, und ich hoffe, Sie auch, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Michael Meister das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7074090
Wahlperiode 18
Sitzung 219
Tagesordnungspunkt Managergehälter
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