17.02.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 219 / Zusatzpunkt 8

Lothar BindingSPD - Managergehälter

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir lesen Headlines: „Gutverdiener zahlen den Löwenanteil der Einkommensteuer“, und die CDU/CSU-Kollegen werden auch nicht müde, zu sagen, dass 10 Prozent der am höchsten Besteuerten mehr als die Hälfte des Einkommensteueraufkommens zahlen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: 54 Prozent! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das stimmt ja auch!)

– Das stimmt hundertprozentig. – Wir sprechen oft über Steuer und Steuergerechtigkeit, und wir hören auch, dass die Reichen den größten Anteil des Aufkommens überhaupt erbringen. Auch das stimmt. Es hörte sich jetzt ungerecht an, wenn ich sagen würde: Lasst uns doch genau dieser Gruppe noch ein bisschen mehr aufbürden! Das klingt doch richtig ungerecht; aber die Absurdität löst sich schnell auf, wenn man zwei Fragen stellt:

Wie ist die Einkommenslage vor Steuern? Wenn wir annehmen, dass jemand mit 10 000 Euro im Jahr zurechtkommt und jemand mit 40 000 Euro am Tag Probleme hätte, wenn er mehr als 50 Prozent Steuern bezahlt, merken wir, dass da etwas nicht stimmt; denn ich meine, jemand mit 20 000 Euro pro Tag – ich schaue einmal ins Publikum – könnte zurechtkommen, wenn er sich anstrengen würde. Deshalb müssen wir auch fragen: Was bleibt nach der Steuer?

Ein normaler Arbeitnehmer verdient etwa diesen Anteil von 4 Zentimetern auf meinem mitgebrachten Zollstock. Jetzt versuche ich zu messen, was ein Manager verdient. Das ist mir ein bisschen peinlich; denn mein Zollstock – bei uns heißt er Metermaß – ist 2 Meter lang und damit zu kurz, um das Gehalt der Manager zu messen. Mein Zollstock reicht dafür nicht aus, während der Verdienst der Arbeitnehmer, die ihm dieses Gehalt ermöglichen, der kleine Teil ganz unten ist.

Daran merken wir, es ist etwas ganz anderes durcheinandergekommen: die Ausgangslage in der Gesellschaft. Herr Hirte, möglicherweise könnte uns das auf den Gedanken bringen, das objektive Nettoprinzip einzuschränken. Das könnte sinnvoll sein.

(Beifall bei der SPD) – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist wie bei Peter Lustig!)

Insofern muss sich eine Gesellschaft, die dies akzeptiert, überlegen: Was wäre eigentlich die Konsequenz? Einmal angenommen, wir würden sagen, 10 000 Euro am Tag müssen denen da oben genügen, dann hieße das: Einer muss 75 Prozent Steuern bezahlen; und 75 Prozent hören sich exorbitant, ja geradezu ungerecht viel an, aber 10 000 Euro am Tag bleiben, und das würde mir persönlich eigentlich genügen – und vielen hier im Saal sicher auch.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen also: Gerechtigkeit lässt sich nicht mit einer physikalischen Größe messen; aber die Ungerechtigkeit gibt uns sehr wohl ein Gefühl dafür, wie sich Manager fühlen müssen, wenn sie noch irgendeine moralische Kategorie im Hinterkopf haben.

Jetzt wollen wir natürlich diese Boni und die Managergehälter begrenzen. Das ist auch eine gute Sache. Vorhin wurde gesagt, das sei doch dumm, die Einkommensteuer ist doch fiskalisch mehr, als wenn wir die Boni im Betriebsausgabenabzug begrenzen. Aber hierbei geht es überhaupt nicht um eine fiskalische Größe, sondern darum, ob eine Gesellschaft diese Ungerechtigkeiten überhaupt aushält. Wir wissen von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapiere, dass Vorstände in DAX- und MDAX-Unternehmen – das haben wir heute schon einmal gehört – im Durchschnitt 50-mal mehr als ein Angestellter im MDAX- oder im DAX-Unternehmen verdienen. Diese Asymmetrie wollen wir aufheben.

Wenn man fragt, wie es dazu kommt, dann stellt man fest, dass dahinter noch viel tiefer liegende Ursachen stecken, nämlich Fehlanreize. Ein Fehlanreiz besteht darin, dass sich die Bezüge an kurzfristigen Zielen orientieren. Kurzfristige Ziele im Unternehmen zu verfolgen, heißt immer, die langfristigen Ziele aus dem Blick zu verlieren. Wer sich bestimmte Großunternehmen in Schieflage anschaut, der merkt genau, dass die kurzfristigen Ziele alle erreicht wurden, das Ganze im Ergebnis aber im Desaster endet. Das können wir ganz häufig sehen. Immer waren die Boni die Triebfeder für Fehlentscheidungen, die am nächsten Bilanzstichtag, 90 Tage im Voraus, orientiert waren. Jeder merkt: Das ist keine langfristige Orientierung. Deshalb müssen wir sehr viel mehr machen als bisher.

Wir haben aber auch schon etwas gemacht: Im Aktiengesetz sind die Angemessenheit der Vergütungsvereinbarung und die Transparenz im Entscheidungsfindungsverfahren geregelt. Selbst im Deutschen Corporate Governance Kodex der Unternehmen steht, was unter einer angemessenen und leistungsgerechten Vergütung zu verstehen ist. Nur: Wir haben gesehen, dass nichts von alldem, was ich erzählt habe, irgendwie auch nur andeutungsweise eingetreten ist. Stattdessen haben in diesen Unternehmen Exzesse stattgefunden, und eine Selbstbedienungsmentalität hat um sich gegriffen. Das ist natürlich ein riesengroßes Problem. Deshalb müssen wir die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern. In diesem Zusammenhang ist der Betriebsausgabenabzug eine Idee; das ist völlig klar. Denn sonst wäre der Steuerzahler an diesen überbordenden Boni und Gehaltszahlungen immer mit 30 Prozent beteiligt, weil das Unternehmen natürlich 30 Prozent Gewinnsteuer sparen würde, wenn diese Gehälter dort angerechnet werden könnten. Insofern ist das eine sehr gute Sache.

Die Überlegung, ob man darüber im Aufsichtsrat entscheidet oder in der Hauptversammlung, ist natürlich kompliziert. Die Hauptversammlung schafft Transparenz; das ist völlig klar. Die Entscheidung im Aufsichtsrat stärkt die Mitbestimmung. Das ist sicherlich eine Sache, über die zu reden sein wird; denn die Gewerkschaften zu schwächen, ist die eine Sache, die Transparenz zu stärken, die andere.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Ich würde gerne darüber noch einmal etwas genauer nachdenken und jetzt sozusagen nicht eilfertig einen Vorschlag machen. Das ist eine hochkomplexe Sache, die das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber möglicherweise in eine völlig neue Situation bringt.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele Jahre noch?)

Kollege Binding, Sie müssen bitte einen Punkt setzen.

Ich schlage vor, noch einmal darüber nachzudenken. Das hat selten geschadet.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7074109
Wahlperiode 18
Sitzung 219
Tagesordnungspunkt Managergehälter
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta