Peter WeißCDU/CSU - Soziale Absicherung von Solo-Selbständigen
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man der Frau Vorrednerin zugehört hat, dann musste man den Eindruck gewinnen: Für die Linke in Deutschland sind Selbstständige ein großes Problem – sowohl für die Wirtschaft wie für den Arbeitsmarkt.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Die Armut! – So ein Schwachsinn!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will erst einmal festhalten: Selbstständige sind ein wichtiger Motor der wirtschaftlichen Dynamik in unserem Land.
(Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dem wird in keiner Weise widersprochen!)
Sie sind innovationsfreudig,
(Zuruf von der LINKEN: Für umsonst!)
und sie sind von einer hohen Risikobereitschaft geprägt.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Ein hohes Armutsrisiko!)
Das ist ein Gewinn für unser Land.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Lesen bildet!)
Allerdings hat sich das Bild vom Selbstständigen in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Nach wie vor ist es so, dass ein großer Teil der Selbstständigen erfolgreich eigene Unternehmen betreibt, mit guten Betriebsergebnissen, und damit auch einen guten Lebensstandard für sich selber absichern kann, auch für das Alter entsprechend gut vorsorgt.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Haben Sie die Fragen nicht gelesen? Lesen Sie mal die Antworten!)
Aber wir haben auf der anderen Seite in den letzten Jahren eine Zunahme der Zahl von Personen, die selbstständig arbeiten und keine weiteren Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter haben. In diesem Personenkreis, den man kurz „Solo-Selbstständige“ nennt, haben wir auch wieder ein differenziertes Bild. Es gibt Personen, die sehr gute Einkommen erzielen, die auch eine gute Altersvorsorge betreiben,
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: 60 Prozent leben in Armut!)
aber eben auch Personen, die sehr geringe Einkünfte erzielen und die deswegen auch nicht groß etwas übrig haben, um zu sparen.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Die sich die Krankenversicherung nicht leisten können!)
Wenn man sich diese Gruppe anschaut, sieht man, dass darunter sehr viele Personen sind, für die die Selbstständigkeit nur eine vorübergehende Form der Berufstätigkeit ist.
(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Sie haben ein Bild von der Gesellschaft!)
Viele der Solo-Selbstständigen – das zeigen ja die präzisen Zahlen, die die Bundesregierung zur Großen Anfrage der Linken vorgelegt hat –
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Die sind selber schuld, oder?)
– Sie haben ja bereits gesprochen; dann brauchen Sie nicht ständig Zwischenrufe zu machen – sind nach wenigen Jahren wieder in einem Angestelltenverhältnis.
Auch nimmt die Zahl derjenigen zu, die beides sind: Sie haben einen Job als Angestellte, und sie sind nebenbei auch noch in irgendeiner Form als Selbstständige tätig. Deswegen haben wir heute im Vergleich zur Vergangenheit ein in der Tat differenzierteres Bild bei der Selbstständigkeit. Ich muss sagen: Auch das finde ich nicht verwerflich. Wer auf dem deutschen Arbeitsmarkt unterschiedliche Formen der Beschäftigung sucht und sie mit Erfolg ausüben kann, ist kein Problem für unser Land, sondern ist ein Gewinn für unser Land.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Allerdings stellt die Ausdifferenzierung dieser Selbstständigkeit – die Tatsache, dass es eben nicht mehr so ist: man hat sich irgendwann in seinem Leben entschieden hat: ich werde jetzt selbstständig, und das bleibe ich bis zu meinem Lebensende –, also die Tatsache, dass sehr oft zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit gewechselt wird, neue Fragen an unsere Sozialversicherungssysteme, und auf diese Fragen muss man in der Tat dringender denn je eine Antwort geben.
Wir als Union hatten in der letzten Legislaturperiode mit dem damaligen Koalitionspartner FDP bereits versucht, ein Modell zu entwickeln, wie eine solche zusätzliche Absicherung, vor allen Dingen für das Alter, aussehen könnte.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Gescheitert!)
– Ich gebe es offen zu, Herr Rosemann – Ihr Zwischenruf ist richtig –: Wir haben es nicht zu Ende bringen können, was schade ist. Deswegen bleibt uns das als Aufgabe für die Zukunft erhalten. Aber an Dringlichkeit hat es nicht verloren.
Ich glaube, ein Grundprinzip sollte sein – und zwar für jeden, egal in welchem Beschäftigungsverhältnis –, dass zwingend etwas für das Alter vorgesorgt wird. In den Jahren, in denen man gut verdient, sollte man wirklich so viel zur Seite legen, dass man im Alter nicht auf staatliche Unterstützung, auf Grundsicherung angewiesen ist. Es ist ja eine großartige Zusage unseres Sozialstaates: Wir lassen niemanden verhungern und verdursten. Jeder kann dank der Grundsicherung auch im Alter am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. – Aber umgekehrt: Es besteht ein Erfordernis für jeden von uns, so vorzusorgen – wenn er kann –,
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Aha! Wenn er kann!)
dass er auf Grundsicherung möglichst nicht angewiesen ist.
Deswegen war es unsere Idee, eine Form von sozialer Absicherung einzuführen. Entweder geht der Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung, oder er weist zur Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach, dass er im Rahmen der Altersvorsorge so viel anspart, dass er später mindestens Grundsicherungsniveau erreichen kann. Das ist das Prinzip.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Und wenn er kein Geld hat?)
Nun muss man auch ein paar Nebenbedingungen beachten. Erstens. In der Existenzgründungsphase ist es in der Regel so, dass der Existenzgründer einen Kredit aufnimmt, hohe Zins- und Tilgungsraten zahlen muss und meist wenig Gewinn erzielt. Für Existenzgründer muss es also beitragsfreie Jahre geben.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Zweitens. Wer den Beitrag, der mindestens zur Grundsicherung führt, wegen geringem Verdienst nicht leisten kann, der muss auch niedrigere Beiträge zahlen können. Die Frage ist, wie man diese staffelt, in Stufen oder in Prozentsätzen.
Drittens. Selbstständige haben in der Regel kein regelmäßiges Einkommen. Es gibt keinen Arbeitsvertrag, wo drinsteht: „Jeden Monat kommt soundso viel“, sondern das Einkommen geht rauf und runter. Also muss es Möglichkeiten geben, die Beiträge dem Auf und Ab der Einkommensentwicklung anzupassen.
Mein nächster Punkt ist: Ab welchem Alter beginnen wir? Selbstständige, die 50 Jahre und älter sind, haben in der Regel schon für die Zukunft vorgesorgt. Es wäre unsinnig, sie zwangsweise in ein neues System zu überführen. Deswegen muss eine Regelung so aussehen: Bei den über 50-Jährigen belassen wir es dabei, wie es heute geregelt ist, für die Gruppe der 30- bis 50-Jährigen schaffen wir eine Wahlmöglichkeit, und für unter 30-Jährige führen wir die neue Pflicht ein. Selbstständige müssen sich auf das, was wir für die Zukunft neu regeln wollen, einstellen können.
Ich finde, dass ein Konzept, wie wir es damals entwickelt haben, nach wie vor attraktiv wäre und dabei mithelfen würde, ein Hauptproblem im Bereich der Selbstständigkeit befriedigend zu lösen, nämlich dass jeder Selbstständige in Zeiten, in denen er leistungsfähig ist – das kann sich ja von Jahr zu Jahr und von Monat zu Monat ändern –, einen Teil seines Einkommens in eine vernünftige Altersversorgung einbringt. Das muss unser Ziel sein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sehen, dass sich ehemalige Selbstständige zu einem höheren Prozentsatz in der Grundsicherung wiederfinden als diejenigen, die nicht selbstständig gearbeitet haben.
(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Aha!)
Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass es in Zukunft gerade im Bereich der Selbstständigen zum Problem der Altersarmut kommen könnte.
Mit einer obligatorischen Pflicht zur Altersvorsorge muss natürlich auch die Frage verbunden sein, welche Regelungen man mit Blick auf die Krankenversicherung trifft; das ist vollkommen richtig. Ich glaube, es nützt nichts, Anträge zu Einzelpunkten zu stellen, sondern es muss ein Gesamtkonzept her, das die Versicherungspflicht und die Leistungsfähigkeit der Selbstständigen im Hinblick auf ihre soziale Absicherung insgesamt berücksichtigt. Es muss gewährleistet werden, dass Selbstständige tatsächlich leistungsfähig sind, wenn es darum geht, wie sie ihre Kranken- und Pflegeversicherung sowie ihre Altersvorsorge gestalten.
In den vergangen Jahren haben wir etwas erlebt; damit bin ich beim Thema Scheitern von Herrn Rosemann.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Nicht ich bin gescheitert! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
– Nein, Sie haben das Wort „scheitern“ in die Debatte eingebracht.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Euer Ansatz ist gescheitert!)
Ein Grund für das Scheitern damals war, dass sich viele Verbände und Gruppen von Selbstständigen massiv gegen zusätzliche Regelungen, was ihre soziale Absicherung anbelangt, zur Wehr gesetzt haben. Ich will daran erinnern, dass in der letzten Legislaturperiode eine große Onlinepetition mit zahlreichen Unterschriften bei uns eingegangen ist, mit der sich der Petitionsausschuss beschäftigen musste.
Erfreulich ist, dass in den letzten Jahren offenbar ein Sinneswandel eingetreten ist.
(Kai Whittaker [CDU/CSU]: Ja, das ist richtig!)
Viele Verbände, die Selbstständige organisieren, sagen heute klipp und klar: Ja, wir sehen das ein. So kann es nicht weitergehen. Wir brauchen für alle Selbstständigen, ob Solo-Selbstständige oder nicht, verlässliche Regelungen zur sozialen Absicherung.
Unser Anliegen ist, dass wir die Selbstständigen auf dem Weg zu einem solchen Konzept mitnehmen und ein solches System der sozialen Absicherung von Selbstständigen gemeinsam mit den Verbänden der Selbstständigen entwickeln, damit sie erkennen: Wir denken nicht nur an ihre Anliegen, sondern wir lassen sie auch mitreden, damit sie bei ihren Berufskolleginnen und -kollegen Werbung dafür machen, dieses Anliegen aktiv zu unterstützen, sodass bei uns keine Onlinepetition mehr eingeht, die das Gegenteil behauptet.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Peter Weiß. – Nächster Redner: Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Erklären Sie es noch mal!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7074344 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 219 |
Tagesordnungspunkt | Soziale Absicherung von Solo-Selbständigen |