08.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 220 / Zusatzpunkt 2

Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die These der heutigen Diskussion lautet offenbar: Wer nicht für die Ehe für alle ist, der ist homophob, der ist diskriminierend.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

Dieser These möchte ich zunächst einmal ganz ausdrücklich widersprechen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wort „homophob“ habe ich nicht verwendet! Außer mir hat noch keiner geredet! Das muss der Präsident gewesen sein!)

Für meine Person und für fast alle, die ich kenne, ist dies zu widerlegen.

Ich weiß nicht, wem Sie mehr Unrecht tun: denen, denen Sie permanent zu Unrecht unterstellen, dass sie homophob sind und diskriminierend,

(Mechthild Rawert [SPD]: Das sind Fake News!)

oder vielleicht den Betroffenen selber, die sich dadurch viel mehr gesellschaftlicher Ablehnung ausgesetzt sehen, als es der Wahrheit entspricht.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich eine andere Rede von mir erhofft! Da hätte Ihnen Ihre Mitarbeiterin zwei Versionen anbieten sollen!)

Es gibt andere Gründe dafür, an zwei Begriffen festzuhalten. Der wesentliche Einwand ist, dass die Ehe kein staatlicher Begriff ist, sondern es ist ein seit langer Zeit kulturell und religiös vorgeprägter Begriff, der uns in diesem Sinne überhaupt nicht gehört und über den wir nicht alleine verfügen können.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Mechthild Rawert [SPD]: Was?)

Er wird von der Kirche immer noch so verstanden,

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die evangelische Kirche ist wohl für Sie auch nur eine kirchliche Gemeinschaft! Soll ich Ihnen den Herrn Bedford-Strohm vorlesen?)

er wird von der Gesellschaft in weiten Teilen so verstanden. Deshalb können wir dies nicht abschaffen, solange hier nicht Einigkeit besteht.

Es kommen verfassungsrechtliche Bedenken hinzu. Ohne Zweifel haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes ganz klar die Gemeinschaft von Mann und Frau vor Augen gehabt, als sie Artikel 6 formuliert haben.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Damals gab es auch noch den Kuppeleiparagrafen! Wollen Sie den auch wieder einführen?)

Auch das Bundesverfassungsgericht sagt ganz klar, zu den wesentlichen Merkmalen der Ehe gehört die Verschiedengeschlechtlichkeit und die Anlegung auf Dauer, und das auch in der jüngeren Rechtsprechung. Dass dem Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle jemand Homophobie vorgeworfen hätte, habe ich in diesem Jahrtausend jedenfalls noch nicht gehört.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Herr Beck auch nicht gemacht, Frau Kollegin! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch bei meiner Rede zu, wenn Sie schon erwidern wollen!)

Ich rate uns im Übrigen, Veränderungen im Recht nicht im Wege der Begriffsjurisprudenz, im Wege des Umdefinierens von Begriffen, vorzunehmen. Das geht schief, wie auch im aktuellen Gesetzentwurf des Familienministeriums zum Mutterschutz.

(Mechthild Rawert [SPD]: Hä? – Johannes Kahrs [SPD]: Es wird nicht besser!)

Meine Damen und Herren, nach Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 haben wir viele Änderungen durchgebracht, die wirklich dazu geführt haben, dass eine gleiche rechtliche Situation bei Ehe und Lebenspartnerschaft besteht: Zwischen den Partnern bestehen die gleichen Rechte. Es gibt die gleichen Formvorschriften. Das Erbrecht, das Steuerrecht, weitgehend auch das Adoptionsrecht sind angepasst. Mir persönlich ist die Diskussion über die steuerliche Gleichstellung noch sehr gut in Erinnerung, weil ich mich persönlich sehr stark gegen die damalige echte Diskriminierung eingesetzt habe

(Mechthild Rawert [SPD]: Was ist denn eine falsche Diskriminierung?)

und damit in meiner Partei nicht nur Freude ausgelöst habe.

Es bleibt die Frage, ob allein die Verwendung unterschiedlicher Begriffe eine Diskriminierung darstellt. Das Grundgesetz gibt uns da eigentlich schon ein Gegenbeispiel. Da heißt es nämlich in Artikel 3 Absatz 2:

Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Auch hier gibt es also unterschiedliche Begriffe, aber gleiche Rechte.

(Beifall der Abg. Ingrid Pahlmann [CDU/CSU])

Wenn auch gerade am Weltfrauentag natürlich zu beklagen ist, dass gleiche Rechte noch nicht zu 100 Prozent erreicht sind, kommt keiner auf die Idee, dass man das im Wege der Definition ändern kann.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für eine absurde Argumentation?)

Dann wird immer argumentiert, es schade doch der Ehe nicht, wenn wir sie für gleichgeschlechtliche Partnerschaften öffnen. Das ist auch nicht meine Sorge. Aber es geht auch andersrum: Ich war vor meiner Zeit im Bundestag als Familienrichterin tätig und habe viele Familiensachen behandelt. Von daher kann ich Ihnen glaubhaft versichern, dass allein der Begriff der Ehe nicht die Garantie für glückliche Partnerschaft und glückliches Zusammensein ist,

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber gleiches Unglück für alle! – Johannes Kahrs [SPD]: Auch im Elend kann man gleich sein!)

sondern dabei kommt es auf andere Dinge an, auf Gemeinsamkeit, auf die Beziehung, auf die Liebe, auf den Schatz an Gemeinsamkeiten und die Substanz der Beziehung.

Wir haben hier eine Aktuelle Stunde. Das ist normalerweise eine spontane Debatte über eine Frage, die keinen Aufschub verträgt. Nun hatten wir Karneval im Rheinland – vielleicht habe ich etwas verpasst. Aber eigentlich war hier der einzige Anlass – das Einzige, was sich geändert hat – die Äußerung von Fraktionschef Oppermann, dass er an das Thema noch mal ran will. Eigentlich hätte es gereicht, wenn Sie sich deshalb mit ihm zum Kaffee getroffen hätten. Aber okay, wir diskutieren das auch gerne hier in dieser Debatte.

(Mechthild Rawert [SPD]: Was? – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Herr Seehofer hat den Koalitionsgipfel gleich vor Schreck abgesagt!)

Es wurde gerade klar, dass Sie die SPD unter Druck setzen wollen und der Union ein altbackenes Image anhängen wollen.

(Zuruf von der SPD: Herr Spahn macht das! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Spahn! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist eigentlich der Finanzstaatssekretär? Der hat richtige Worte dazu gefunden!)

Ich will dem ausdrücklich entgegentreten. Wir haben ein klares Menschenbild, das Würde und Werte eines Menschen nicht davon abhängig macht, welcher sexuellen Orientierung er anhängt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Anhängt“? Ich hänge nichts an!)

Wir wollen die Rehabilitierung der früher nach § 175 verurteilten Männer. Wir haben die LSU in unserer Partei; sie wird sehr geschätzt. Da wird natürlich auch für die Öffnung der Ehe geworben. Wir haben eine Verteidigungsministerin, die sich als Erste an das Thema herangewagt hat, die Situation von Homosexuellen in der Bundeswehr aufzuarbeiten.

(Johannes Kahrs [SPD]: Die Erste garantiert nicht! Das war Rudolf Scharping!)

Wir haben da, auch was den Zugang zu interessanten und einflussreichen Positionen in unserer Partei angeht, wirklich kein Defizit; auch Menschen mit homosexueller Orientierung kommen in die entsprechenden Ämter,

(Lachen des Abg. Johannes Kahrs [SPD] – Mechthild Rawert [SPD]: Was?)

und das nicht, weil sie homosexuell sind, auch nicht, weil sie nicht homosexuell sind oder trotzdem, sondern einfach völlig unabhängig davon, weil sie einfach gut sind.

Das ist unsere Herangehensweise. Ich denke, es muss so normal und unspektakulär sein, wie es ist. Daher gehe ich schlicht davon aus, dass wir weiterhin bei den Begriffen „Ehe“ und „Lebenspartnerschaft“ bleiben und dass sich daran auch der Koalitionspartner bis zum Ende der Legislaturperiode hält.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Lay, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082356
Wahlperiode 18
Sitzung 220
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle
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