08.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 220 / Zusatzpunkt 2

Johannes KahrsSPD - Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Winkelmeier-Becker, Karneval soll das hier nicht sein, glaube ich. Ich glaube auch nicht, dass man das mit einem Kaffee bei Herrn Oppermann erledigen kann. Ehrlich gesagt, wollen wir Ihnen auch kein altbackenes Image verpassen. Das haben Sie ohnehin.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mechthild Rawert [SPD]: Heute ist Frauentag! Bitte keine Frauendiskriminierung!)

In Teilen Ihrer Rede schimmern Dinge durch, die ich vernünftig finde. Sie haben auch in der Vergangenheit bei bestimmten Abstimmungen entsprechend mitgestimmt. Das Problem ist aber der Grundtenor dahinter.

Ich halte das tatsächlich für eine Frage, über die man in diesem Hohen Haus wirklich ernsthaft streiten kann. Wenn es keine Gleichstellung gibt, dann ist das Diskriminierung. Insofern können Sie sich jetzt nicht hierhinstellen und sagen, das sei überhaupt keine Diskriminierung. Wenn Menschen nicht gleichbehandelt werden, dann ist das nun einmal Diskriminierung.

Ich würde gerne meinen Freund heiraten. Mit ihm bin ich seit 24 Jahren zusammen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie spießig!)

Wegen Ihrer Fraktion kann ich das nicht. Ich persönlich fühle mich diskriminiert. Ehrlich gesagt: Ich will Ihnen kein altbackenes Image verschaffen, sondern ich würde gerne heiraten.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht, ob mich das am Ende glücklicher macht, als ich jetzt bin. Ehrlicherweise gestehe ich Ihnen das zu. Und ob das nun mit außerehelichem Sex besser oder schlechter ist, weiß ich auch nicht.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sagen nichts!)

Das konnte ich noch nicht ausprobieren; denn bisher war es immer außerehelich.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Details!)

Wie gesagt, kann ich das nicht beurteilen. Ich würde es aber vielleicht gerne einmal beurteilen können.

Das Ganze hat auch deswegen nichts mit Karneval zu tun, weil es einen wirklich tragischen Hintergrund hat. Bei den schwulen und lesbischen Jugendlichen liegt die Selbstmordrate deutlich höher als bei vielen anderen. Und das am häufigsten gebrauchte Schimpfwort an deutschen Schulen ist nun einmal „du Schwuler“ oder „du Schwuchtel“.

Ehrlich gesagt, kriegt man einen gesellschaftlichen Wandel nur dann hin, wenn man das gemeinsam macht.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür ist der Deutsche Bundestag auch da. Wenn wir nach vorne gehen, dann ist das nicht immer populär, führt aber dazu, dass sich auch gesellschaftliche Positionen verschieben. Ich habe bei der Bundeswehr einmal gelernt: Führen durch Vorbild.

Wir sind bei bestimmten Gesetzen vielleicht nicht immer auch in der Bevölkerung in der Mehrheit. Aber wir sind es häufig nach vielen Jahren, weil wir auch eine Vorbildfunktion haben. Diese sollte man wahrnehmen.

Ich habe ja zur Kenntnis genommen, dass man Sie zu einigen Punkten auch nötigen konnte und dass Sie durchaus mitgemacht haben – allerdings nie wirklich freiwillig; entweder hat Rot-Grün es beschlossen, oder das Bundesverfassungsgericht hat Sie genötigt. Ich finde aber, dass man das irgendwann einmal – ich mache das hier seit 1998 – hinbekommen muss; und ich würde das gerne in dieser Legislaturperiode hinbekommen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das liegt aber an euch!)

Es gibt einen Koalitionsvertrag; das Stichwort ist eben genannt worden. Lesen wir einmal im Koalitionsvertrag.

(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Ich bin immer für eine gemeinsame Lektüre. Vielleicht bildet das weiter. Im Koalitionsvertrag steht:

Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ehrlicherweise muss ich jetzt sagen: Ich weiß nicht, was man daran nicht verstehen kann. Die Öffnung der Ehe gehört dazu.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt können Sie natürlich sagen: Wir subsumieren die Öffnung der Ehe nicht unter diesem Satz. – Dann haben wir natürlich ein echtes Problem miteinander, weil ich das deutlich anders verstehe. Ich fände es gut, wenn wir das gemeinsam hier hinbekommen, weil gemeinsam soll es sein.

Thomas Oppermann hat gesagt, dass wir den Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe in die nächste Sitzung des Koalitionsausschusses einbringen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen war ich über diese Aktuelle Stunde gar nicht so unglücklich. Gestern wäre nämlich eigentlich eine Sitzung des Koalitionsausschusses gewesen, und dann hätte man das hier heute abfeiern können. Leider ist die Sitzung gestern ausgefallen. Ich weiß nicht, ob vor Schreck oder weswegen sonst.

(Dr. Sabine Sütterlin-Waack [CDU/CSU]: Weil Herr Seehofer krank ist!)

Wir Sozialdemokraten jedenfalls wollen in dieser Legislaturperiode mit allen Parteien, die hier vertreten sind – CSU, CDU, Grüne, SPD und Linke –, die Öffnung der Ehe beschließen, weil das einen Vorbildcharakter für die Menschen in diesem Land hätte.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen: Geben Sie sich einen Ruck, und seien Sie dabei.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielleicht bekommt man es ja, wenn die CDU nicht will, mit der CSU hin. Es sollen ja noch Wunder passieren.

Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Beifall der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Kollege Marcus Weinberg spricht jetzt für die CDU/CSU.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082358
Wahlperiode 18
Sitzung 220
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle
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