08.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 220 / Zusatzpunkt 2

Marcus WeinbergCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Johannes Kahrs, du hast gerade zitiert, worauf wir uns im Koalitionsvertrag verständigt haben. Du weißt natürlich, dass das eine klare inhaltliche Ausrichtung hatte: Alle Diskriminierungssachverhalte sollen abgestellt werden;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Genau! Was hast du da nicht verstanden? – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Adoption! Eheschließung! Zwei Punkte!)

das heißt auch steuerliche Gleichstellung. Über eine andere Frage diskutieren wir gerade. Und ich erinnere mich, dass vor zwei Jahren, als wir schon einmal über dieses Thema diskutierten, eine Rehabilitierung der nach § 175 StGB Verurteilten noch in weiter Ferne war. Mittlerweile diskutieren wir darüber, wie wir das machen.

(Mechthild Rawert [SPD]: Genau! Das ist auch gut so!)

Das bezieht sich auf das Gebiet der Diskriminierungssachverhalte, auf den Bereich, wo wir Diskriminierung in der Beziehung zueinander abstellen können. Wie gesagt, beim Dienstrecht und beim Steuerrecht sowie bei den sich aus § 175 StGB entstandenen Folgen haben wir das gemacht.

(Sönke Rix [SPD]: Adoptionsrecht!)

Zwei Vorbemerkungen sind mir wichtig:

Erstens. Ich weiß, dass das eine hochemotionale Debatte ist, weil man betroffen ist, weil man meint, man sei betroffen, oder weil man sich betroffen fühlt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir bei dieser Debatte einen kühlen Kopf bewahren, zwar eine hitzige, aber auch eine, wie ich finde, sachlich gerechtfertigte Debatte führen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Das haben wir bisher gemacht!)

Der zweite Punkt. Man kann ja Positionen vertreten. Ich rede gleich über die Positionen innerhalb der Union, die sehr weit auseinanderliegen.

(Sönke Rix [SPD]: Innerhalb der Union!)

Eines muss hier aber, wie ich finde, Gültigkeit haben: der Respekt vor einer anderen Position.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Beck, dass Sie uns mit Ihrem Hinweis auf die 83 Prozent indirekt vorwerfen, dass wir hier eine Minderheit verteidigen oder vertreten, finde ich ziemlich skurril. Ich finde, auch eine Minderheit hat Anspruch darauf, parlamentarisch vertreten zu werden, und das machen wir als CDU und CSU.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte Sie ja gar nicht aus dem Bundestag werfen! Ich wollte Ihre Blockade auflösen! – Mechthild Rawert [SPD]: Es sind 17 Prozent laut Untersuchungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes!)

Deswegen bitte ich um den nötigen Respekt und darum, in der Debatte zu versuchen, auch die Position der anderen zu verstehen.

Noch einmal zum Koalitionsvertrag. Ich glaube, allen ist klar, was mit der Formulierung im Koalitionsvertrag gemeint war.

(Mechthild Rawert [SPD]: Gleichstellung der Rechte!)

Die SPD muss also aufpassen, was sie macht, wenn sie jetzt das Thema „Ehe für alle“ für den Koalitionsausschuss anmeldet. – Johannes Kahrs ist doch ein seriöser Hanseat,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sozialdemokrat; wenn der Hamburger einem die Hand gibt, dann zählt sein Wort. Ich glaube, Johannes, du wirst dafür sorgen, dass das Wort der SPD in dieser Frage zählt. – Im Koalitionsvertrag haben wir uns damals darauf verständigt, dass die Ehe für alle nicht in dieser Legislaturperiode kommt,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht aber nicht im Koalitionsvertrag! Das steht da nicht!)

und dazu stehen wir auch. Dazu solltet ihr auch stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Da war ich aber nicht dabei!)

Jetzt noch einmal zur Diskussion innerhalb der Union. Dass es unterschiedliche Positionen gibt, ist in den letzten Debatten immer deutlich geworden. Es ist keine Schwäche von zwei Parteien bzw. einer Fraktion, wenn sie über verschiedene Positionen debattiert und sie kritisch beleuchtet.

(Johannes Kahrs [SPD]: Aber seit 18 Jahren! Irgendwann müsst ihr euch doch einmal einigen! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geben Sie es doch frei! Dann kann jeder stimmen, wie er will!)

Es gibt tatsächlich viele in der Union, die unvoreingenommen für die Öffnung der Ehe stehen.

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD] – Mechthild Rawert [SPD]: Gratulation!)

Es gibt andere in der CDU, auch in der CSU, die die Öffnung der Ehe komplett ablehnen, und es gibt den einen oder anderen – dazu würde ich mich zählen –, der ernsthaft darüber nachdenkt, welchen Weg man gehen kann, wie man Stellschrauben verändern kann, damit man beiden Seiten gerecht wird,

(Johannes Kahrs [SPD]: Wie lange wollt ihr denn noch denken?)

denjenigen, die das kritisch sehen, ebenso wie denjenigen, die das voranbringen wollen. Die Stärke einer Volkspartei ist, diese Debatte zu führen und auch auszuhalten. Sie müssen schon Geduld aufbringen. Zunächst einmal führen wir die Debatte bei uns, und dann kommen wir möglicherweise auf Sie zu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Aber 18 Jahre lang! 18 Jahre! Wie lange wollen Sie denn noch denken?)

Also spiegelt die Union auch die gesellschaftliche Debatte wider.

Noch einmal: Ob es 80, 70 oder 83 Prozent sind, es gibt viele, die damit ein Problem haben, die sagen: Nein, Ehe und Familie – jetzt komme ich sozusagen zum Kern der 49er-Diskussion – stehen unter dem besonderen Schutz des Staates.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der staatlichen Ordnung! – Johannes Kahrs [SPD]: Da ist das Bundesverfassungsgericht weiter als Sie!)

Damit ist und war von den Verfassungsvätern und den vier Verfassungsmüttern ganz deutlich gemeint: Ehe als die Beziehung der Personen zueinander, aber auch die Möglichkeit, dass aus dieser Beziehung Kinder erwachsen können und eine Familie gegründet wird.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Abstimmung haben Sie 1949 im Parlamentarischen Rat verloren! Da wollten Sie das durchsetzen!)

Deswegen ist es auch in der Verfassung ein Alleinstellungsmerkmal.

(Mechthild Rawert [SPD]: Sehr viele Ehen bleiben kinderlos!)

Herr Beck, mit Respekt meine ich auch, dass man in einer parlamentarischen Debatte Stil haben muss. Momentan vermisse ich bei Ihnen den Stil. Sie müssen auch einmal zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Debatte ist weitergeführt worden. Frau Winkelmeier-Becker hat das Thema Adoptionsrecht schon angesprochen. Da sage ich persönlich für mich ganz klar: Ich bin der Meinung, dass auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption zugestanden werden sollte. Das ist gar keine Frage.

Auch da gibt es in der Union eine Diskussion. Am Ende der Diskussion werden wir auch eine Entscheidung treffen und in den politischen Diskurs bringen.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Es ist verfassungswidrig, eine andere Meinung zu haben! Es ist entschieden!)

– Kollege Bartke, warten Sie es doch ab.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Diskussion dauert ein Vierteljahrhundert!)

Noch ein verfassungsrechtlicher Blick auf die Ehe: Es ist richtig und wichtig, Artikel 6 rechtsgeschichtlich unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass die Verfassungsväter und -mütter damals gesehen haben, dass es mit Blick auf die Familiengründung ein Alleinstellungsmerkmal der Beziehungen von Frau und Mann gibt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber bei Frau Merkel und Herrn Kauder nicht geklappt!)

Ob eine Verfassungsänderung irgendwann notwendig sein wird, lasse ich einmal dahingestellt. Natürlich sehen auch wir, dass sich Menschen diskriminiert fühlen, wenn sie „verpartnert“ eintragen müssen. Das ist ein Problem, aber darüber diskutieren wir ja auch gerade innerhalb der Union.

(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das sind doch Nebelkerzen!)

Wir haben deutlich gemacht, dass wir diesen Diskussionsprozess zu Ende führen wollen, weil wir möchten, dass es einen möglichst großen Konsens gibt.

Ich sage noch einmal: Ich glaube, auch die sogenannte Minderheit – Herr Beck, es ist immer gut, wenn man sich für Minderheiten einsetzt – sollte in dieser Frage mitgenommen werden. Da stehen wir als Union als Ansprechpartner zur Verfügung. Das ist auch unsere demokratische Pflicht. Und dann werden wir in der Union sicherlich eine mögliche Entscheidung treffen. Noch einmal, Johannes Kahrs: Das ist in der Koalitionsvereinbarung so geregelt.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: Sagen Sie doch einmal, was für eine Meinung Sie haben!)

Herr Bartke, auch mit Blick auf die Zukunft rate ich Ihnen, uns zu ersparen, hier jetzt solch ein Spiel – übrigens hat dies Frau Lay gerade richtig dargestellt – zu treiben.

(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ist Ihnen das nicht unangenehm, Herr Weinberg, ohne eigene Position hier?)

Sechs Monate vor der Wahl Wahlkampfmanöver zu fahren, mit der Einberufung des Koalitionsausschusses zu taktieren und den Bruch der Koalition anzudrohen, das, glaube ich, sollte nicht der Stil am Ende der Großen Koalition sein.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Für oder gegen? Was ist Ihre Meinung? – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geben Sie es frei!)

Der Kollege Harald Petzold hat das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082359
Wahlperiode 18
Sitzung 220
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle
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