08.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 220 / Zusatzpunkt 2

Karl-Heinz BrunnerSPD - Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle

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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Sie auf den Rängen dort oben werden wahrscheinlich denken: Was soll die ganze Diskussion heute überhaupt?

(Dr. Sabine Sütterlin-Waack [CDU/CSU]: Ja! Das fragen wir uns nämlich auch alle! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das denken die meisten Menschen zum Glück nicht!)

Das, was man hier hört, sind ja keine Argumente, sondern ist eigentlich nur die Wiedergabe von teilweise ganz persönlichen Empfindungen.

Ich sage aber auch Ihnen, lieber Herr Kollege Petzold, ganz deutlich: Eigentlich schätze ich Sie. Aber das, was Sie jetzt gerade gesagt haben, hat Sie in gewisser Hinsicht disqualifiziert. Sie wissen, was im Koalitionsvertrag von SPD und Union steht. Sie wissen auch, dass die Union, wenn sie die Ehe für alle nicht umsetzt, den Koalitionsvertrag aus meiner Sicht – Kollege Kahrs hat es ausgesprochen – missachtet und bricht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Oh! Der Kollege Kahrs hat es anders verstanden!)

Wir, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, haben nicht die Absicht, zuzulassen, dass der Koalitionsvertrag gebrochen wird. Deshalb verhandeln wir mit unserem Koalitionspartner, und ich hoffe, Horst Seehofer wird schnell so weit gesundet sein, dass er an dem nächsten Koalitionsgipfel teilnehmen kann. Wir verhandeln, um das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, nämlich Ungleichbehandlungen zu vermeiden und abzubauen, auch umzusetzen, also hier in diesem Hause gemeinsam zu beschließen, dass die Ehe für alle Wirklichkeit wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es wird vonseiten der Opposition immer gerne argumentiert, dass wir, die SPD, das verhinderten. Dazu muss ich anmerken: Wir sind zwar in einer Großen Koalition, aber wir sind noch nicht der größere Partner. Wir müssen noch bis zum 24. September 2017 warten, bis wir die Mehrheit in Deutschland haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Unserem Sankt-Martins-Tag!)

Meine Kolleginnen und Kollegen von der Union, wer will denn in Deutschland die Ehe für alles?

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: „Für alles“!)

– Für alle! – 83 Prozent aller Deutschen wollen sie.

(Barbara Woltmann [CDU/CSU]: Woher wollen Sie das wissen?)

Auch die Mehrheit dieses Hohen Hauses und die Mehrheit des Bundesrates will sie, und wenn Sie ganz ehrlich sind, dann müssen Sie zugeben: Das will auch die Mehrheit innerhalb der Unionsfraktion. Deshalb frage ich mich: Warum passiert hier nichts, obwohl wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, Diskriminierung abzubauen?

Ich gebe der Kollegin Künast recht, die in ihrer Presseerklärung gesagt hat, dass Spielchen gespielt werden und man sich fragen müsse, ob das Taktik, Machtkalkül oder nur Trotz ist. Es kann ja nicht sein, dass es um religiöse Gefühle geht. Die Mehrheit der Evangelischen Landeskirchen in Deutschland schließt bei Lebenspartnerschaften inzwischen nämlich Ehen, was nur ein bisschen illegal ist. Die Menschen wollen also die Ehe für alle. Deshalb kann ich diese parteitaktische Argumentation politisch nicht akzeptieren. Sie ist unredlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich sage aber: Ich akzeptiere es – hier haben Sie mich voll an Ihrer Seite –, wenn jemand in diesem Hohen Hause oder in diesem Lande sagt, dass er aus Gewissensgründen, seinem persönlichen Gewissen folgend, eine bestimmte Entscheidung – zum Beispiel für die Ehe für alle – nicht mittragen kann. Wenn dies der Fall ist – das sage ich nicht nur den Kolleginnen und Kollegen der Union, sondern vorrangig auch unserer Kanzlerin, die mit ihrem Bauchgefühl ja offensichtlich ihr Gewissen ausdrückt –, dann bedeutet das, dass die Entscheidung in diesem Hohen Hause freizugeben ist und hier eine Gewissensentscheidung zu treffen ist.

(Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD])

Wenn eine Abstimmung im Zuge einer solchen Gewissensentscheidung durchgeführt wird, werte Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, dann – da bin ich mir sicher – werden wir hier über die Parteigrenzen hinaus eine Mehrheit für die Ehe für alle haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn nun der eine oder andere erklärt, dass dies schon aus formellen Gründen in dieser Legislaturperiode vielleicht nicht mehr klappen könne, halte ich ihm entgegen: Wenn wir etwas gewollt haben – Hilfe für Menschen, für Europa, für unsere Freunde in Griechenland –, dann haben wir in diesem Hohen Haus in weit kürzerer Zeit Mehrheiten organisieren, Gesetzesentscheidungen treffen und Gesetze beschließen können.

Ich möchte nicht, dass wir bei dieser wichtigen Frage noch länger zuwarten; denn es geht um Menschen, die in Liebe verbunden sind, die gegenseitig Verantwortung übernehmen wollen, die unsere Gesellschaft entlasten und in diesem Land solche Werte leben, wie wir es uns wünschen, indem sie füreinander einstehen, miteinander alt werden und Verantwortung für Kinder übernehmen wollen. Deshalb glaube ich, dass es gut und richtig ist, wenn möglichst schnell ein Gesetzentwurf der Bundesregierung in diesem Hohen Hause beraten wird,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Es kann doch auch einer aus dem Parlament sein! Nicht so devot!)

um danach die Ehe für alle hier mit großer Mehrheit zu beschließen.

Viele Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Die Kollegin Renate Künast spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082363
Wahlperiode 18
Sitzung 220
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle
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