08.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 220 / Zusatzpunkt 2

Renate KünastDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist ja ein besonderer Tag. Es ist eigentlich eine gute Sache, dass wir am Internationalen Frauentag, wo es ja auch um Gleichstellung geht, nicht nur über die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern, sondern auch einmal über Liebe und Verantwortung reden.

Seit einem Vierteljahrhundert sind wir an diesem Thema dran. Es ist ja schon gesagt worden: 83 Prozent aller Deutschen befürworten Gleichstellung auch bei der Ehe. Das muss man doch endlich einmal realisieren, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich meine, bei der Atomkraft haben Sie es ja auch irgendwann gelernt, dass das Volk einfach nachhaltig nicht – –

(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Toller Vergleich! Wunderbar!)

– Ach, Herr Lengsfeld ist auch noch da! – Also, warum ist es ein guter Vergleich? Weil es um den Punkt geht, dass man sich teilweise ewig lange ziert, es aber am Ende doch, wenn auch ein bisschen spät, tut.

Ich finde, Sie von der CDU/CSU haben hierbei ziemlich komische Pirouetten vorgeführt. Frau Winkelmeier-Becker ist hier angekommen und hat gesagt, das Wort „Ehe“ gehöre uns gar nicht. Auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen, Frau Winkelmeier-Becker. Das war eine Pirouette am Redepult des Deutschen Bundestages, bei der ich schon fast den Zwischenruf machen wollte, ihn aber nicht kurz genug hinbekam: Melden Sie das für den Eistanz an! Da sucht man auch immer nach neuen Figuren; und wenn Sie Glück haben, kommen Sie am Ende wieder mit beiden Kufen auf dem Boden an.

Es ist doch eine absurde Debatte, darüber zu sprechen, ob uns das Wort „Ehe“ gehört oder nicht, meine Damen und Herren. Es geht um den Punkt, dass wir gesellschaftlich mit diesem Begriff etwas ausdrücken wollen. Wir wollen mit ihm ausdrücken, dass wir Liebe und Verantwortung respektieren und schützen wollen. Es gibt nach unserem Grundgesetz keinen Grund, Gleiches nicht gleich zu behandeln. Das ist der Kern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Ich finde es bedauerlich, dass wir im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens GO-Eiertänze vollziehen. Seit Herbst 2015 werden die Anträge der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jedes Mal wieder vertagt. So auch heute. Herr Brunner hat leider den Job übernommen, das immer wieder per Geschäftsordnung zu beantragen. Mittlerweile ist aber auch schon mehrere Male die Behandlung des Bundesratsbeschlusses vertagt worden, meine Damen und Herren. Ich empfehle Ihnen einen Blick ins Grundgesetz. Das Grundgesetz sagt in Artikel 76 Absatz 3 letzter Satz:

Der Bundestag hat über die Vorlagen

– des Bundesrates –

in angemessener Frist zu beraten und Beschluss zu fassen.

Also irgendwann werden Sie im Plenum dieses Bundestages einen Beschluss über den Beschluss des Bundesrates fassen müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Bettina Bähr-Losse [SPD])

Alles andere, meine Damen und Herren, ist verfassungswidrig, echt verfassungswidrig.

Herr Weinberg hat hier gesagt, wir sollten einen kühlen Kopf behalten. Das tue ich, Herr Weinberg, mein Kopf wird in dieser Angelegenheit immer kühler und klarer. Ich kann Ihnen deshalb sagen: Ich habe nicht verstanden, wo jetzt eigentlich Ihr Problem ist und wo Sie noch Klärungsbedarf haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Sie führen jetzt eine Diskussion, die zum Beispiel um den Begriff „Reproduktionsgemeinschaft“ kreist. Die Ehe ist keine Reproduktionsgemeinschaft bzw. Reproduktionsinstitution. Das ist so an keiner Stelle unseres Grundgesetzes festgelegt worden. Insofern brauchen Sie sich mit diesem Begriff gar nicht mehr abzumühen. Die Ehe beinhaltet eine Verantwortungsübernahme, hat aber verfassungsrechtlich nicht zwingend etwas mit Reproduktion zu tun, meine Damen und Herren.

Warum können Sie als Partei mit dem großen „C“ im Namen eigentlich nicht einmal der Idee des christlichen Ehegelübdes folgen? Da heißt es doch: In guten wie in schlechten Zeiten. – Was hindert Sie eigentlich, wenn Menschen zueinander sagen: „Wir beide wollen uns in guten wie in schlechten Zeiten nicht nur lieben, sondern auch Verantwortung übernehmen. Wir wollen uns bei Krankheit gegenseitig helfen, unsere Eltern pflegen, Patenkindern beim Aufwachsen helfen oder selber Kinder adoptieren“, froh darüber zu sein, dass Menschen Verantwortung übernehmen? Ich verstehe es nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Ich verstehe es schon gar nicht in diesen Tagen, wo an manchen Stellen so wenig Verantwortung wahrgenommen wird, aber so viel Hass vorhanden ist.

Wir haben vor 15 Jahren mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz den ersten Schritt gemacht. 15 Jahre danach gibt es meines Erachtens nicht mehr viel zu diskutieren. Lassen Sie uns einfach das Wort „gleichgeschlechtlich“ in § 1353 BGB hineinschreiben, meine Damen und Herren. Das Bundesverfassungsgericht wird es Ihnen eines Tages sowieso überhelfen. Es überhilft Ihnen ja alles, und Sie müssen dann – so auch bei der Adoption – nachher hinterherklappern.

Ich suche manchmal nach eindrucksvollen Lebensweisheiten und Menschen, die mir eine Wegweisung geben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh, wie schön! Wunderbar!)

Ich habe einen solchen Menschen gefunden: Wilhelm Busch.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Hat der das auch schon diskutiert? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

– Na ja, Wilhelm Busch hat das auch schon diskutiert; das werden Sie gleich merken. Er hat nämlich festgestellt, dass es keine Liebe zweiter Klasse gibt. Ich habe allerdings auch festgestellt, dass der Mann neugierig ist. Ein kurzes Zitat von ihm lautet:

Liebe – sagt man schön und richtig –,  ist ein Ding, was äußerst wichtig. Nicht nur zieht man in Betracht,  was man selber damit macht,  nein, man ist in solchen Sachen  auch gespannt, was andre machen.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Dr. Sabine Sütterlin-Waack [CDU/CSU])

Das finden Sie nur heraus, wenn Sie die Ehe für alle zulassen, meine Damen und Herren. Ich bin überzeugt: Es ist genug Ehe für alle da.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Die Kollegin Dr. Sabine Sütterlin-Waack spricht jetzt für die CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist eine Gute! Es hätte gereicht, wenn sie allein redet!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082372
Wahlperiode 18
Sitzung 220
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle
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