Barbara WoltmannCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident hat es gesagt: Ich bin die letzte Rednerin in dieser Debatte, die zwölfte Rednerin zu diesem Thema in der Aktuellen Stunde. Ich wage die Prognose: Auch wenn noch weitere zehn Redner heute hier reden würden
(Mechthild Rawert [SPD]: Und Rednerinnen!)
– und Rednerinnen, vielen Dank –, dann würden wir uns heute hier dennoch nicht annähern;
(Johannes Kahrs [SPD]: Aber Ihr Vorredner war schon grottig!)
denn die Positionen sind miteinander ausgetauscht. In vielen Sitzungswochen – das ist auch schon von Vorrednern angesprochen worden – ist das Thema immer wieder intensiv im Rechtsausschuss und auch in Debatten hier im Parlament behandelt worden.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist gelogen! Wir haben es nicht im Rechtsausschuss diskutiert!)
– Gut, aber es ist immer wieder debattiert worden.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann diskutieren wir es doch im Rechtsausschuss! Das war jetzt ein Angebot der Union!)
Ich weiß, dass es hier im Plenum beraten worden ist und dass Positionen ausgetauscht worden sind.
Eines möchte ich auch einmal sagen: Ich möchte mir hier nicht mit einem missionarischen Eifer eine Meinung aufzwingen lassen. Wir sind im politischen Diskurs,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Den verweigern Sie ja!)
und da ist es schon erlaubt, dass jemand eine andere Meinung haben kann. Da gibt es unterschiedliche Meinungen, auch bei uns in der Fraktion. Es ist schon angesprochen worden, dass wir da nicht alle einer Meinung sind. Aber ich finde, auch das gehört zu einer Volkspartei.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Volkspartei, die nicht diskutiert!)
Wir müssen sehen, wie wir da zu einer gemeinsamen Linie kommen.
Für uns ist es so, dass die Öffnung dieses Rechtsinstituts Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Wertentscheidung des Verfassungsgebers vorbehalten ist.
(Zuruf von der SPD: Das sind doch wir!)
Das bedeutet nicht, dass die Union den Menschen, die sich lieben und die dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen und sich Stabilität geben wollen, keine Anerkennung oder Wertschätzung zuteilwerden lassen will. Ganz im Gegenteil: Ob verschieden oder gleichgeschlechtlich, der Staat unterstützt alle Lebensformen, die von Verantwortung füreinander getragen werden.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen den Widerstand Ihrer Fraktion und Ihrer Länder!)
Auch wir wollen, dass Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, egal welchem Geschlecht sie angehören. Wir entziehen uns nicht einer Diskussion über eine vollständige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, im Gegenteil.
(Mechthild Rawert [SPD]: Aber?)
Wir haben in den vergangenen Jahren bei der Anpassung der Rechtsvorschriften des Partnerschaftsgesetzes eine Fast-Gleichstellung der Ehe erreicht.
(Johannes Kahrs [SPD]: Aber nicht freiwillig! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber gegen Ihren Widerstand!)
– Gut, vielleicht nicht immer freiwillig, aber wir haben es gemacht. – Der Gesetzentwurf des Bundesrats vom 11. November 2015 spricht daher auch von einer symbolischen Diskriminierung. Um Symbolik geht es aber bei der Verfassung nicht. Der verfassungsmäßige Ehebegriff hat sich eben nicht verändert.
Was sich durchaus verändert hat, ist die Gesellschaft; das ist hier ja auch schon angesprochen worden.
(Mechthild Rawert [SPD]: Und die Familie!)
Auch das sehen wir natürlich. Viele wollen gar nicht oder erst später heiraten. Es gibt Ehen, in denen man sich gegen oder erst später für Kinder entscheidet, weil man sich vielleicht erst beruflich entfalten möchte. Es gibt also ganz unterschiedliche Lebensentwürfe. Es ist ja auch gut so, dass es diese unterschiedlichen Lebensentwürfe gibt.
Es hat sich – das ist auch gut so – auch gesellschaftlich die Einsicht breitgemacht, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in keiner Form diffamiert oder diskriminiert werden dürfen.
(Mechthild Rawert [SPD]: Können die jetzt doch adoptieren?)
Das bewerten ich und unsere Fraktion sehr positiv. Die Gleichberechtigung ist – in der Tat: bis auf die Eheschließung – erreicht.
Schauen wir doch einmal ins Grundgesetz. Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes schützt die Ehe und die Familie. Mit dem Begriff „Ehe“ ist die auf Dauer angelegte, auf freiem Entschluss und auf Gleichberechtigung beruhende und förmlich geschlossene Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau gemeint. Das ist ja auch durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts mehrfach so bestätigt worden.
Nicht erfasst werden nichteheliche oder eheähnliche Lebensgemeinschaften. Auch gleichgeschlechtliche Verbindungen wie die eingetragene Lebenspartnerschaft sind nach dem Grundgesetz und auch nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts keine Ehe, da Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes allein heterosexuelle Lebensgemeinschaften meint. Die Ehe zwischen Mann und Frau hat also Verfassungsrang. Da hilft es uns auch nicht weiter, wenn Sie auf andere Länder verweisen. Das Grundgesetz gilt hier.
(Johannes Kahrs [SPD]: Das macht es jetzt alles nicht besser!)
Nun zu Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz: Gleichheit vor dem Gesetz. Was ist die Bedeutung dieses Artikels? Er greift, wenn es eine Ungleichbehandlung gibt, also eine unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer Sachverhalte.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie zum Beispiel beim Adoptionsrecht!)
Die heterosexuelle ist eben nicht mit der gleichgeschlechtlichen Ehe vergleichbar, da zwei Männer oder zwei Frauen keine Kinder zeugen und gebären können.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie eine der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts seit 2009 zur Kenntnis genommen? Sie können offensichtlich nicht lesen!)
Das heißt, dass es kein gleicher Sachverhalt ist. Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verbietet nicht nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo haben Sie das denn her?)
– Das können Sie in Kommentaren nachlesen; da finden Sie das. – Da ist auf der einen Seite eine heterosexuelle und auf der anderen Seite eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Das ist eben etwas Unterschiedliches.
Die Ungleichbehandlung aufgrund sexueller Orientierung als ein personengebundenes Merkmal unterliegt allerdings einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Bei dieser Überprüfung hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit entschieden, dass es Ungleichbehandlungen gab. Diese sind mittlerweile beseitigt worden; das ist von Vorrednern schon angesprochen worden. Insofern sehen wir hier keine Verletzung des Artikels 3 oder des Artikels 6. Daher muss man, wenn von Benachteiligung gesprochen wird, sagen: Die Verfassung sieht das so nicht.
Es bleibt also festzuhalten – der Präsident meldet sich; ich muss zum Ende kommen –, dass wir zu keinem Kompromiss kommen werden. Was die Adoption angeht, glaube ich, wird es Veränderungen geben. Das könnte ich mir vorstellen, aber nicht bei der Ehe.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7082380 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 220 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu dem Thema: Ehe für alle |