09.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 3

Cem ÖzdemirDIE GRÜNEN - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im September 1946 geschah etwas Erstaunliches: Gerade einmal ein Jahr war vergangen seit dem schrecklichsten Krieg aller Zeiten mit 60 Millionen Kriegstoten und dem Holocaust mit 6 Millionen Opfern. Europa war noch immer ein Trümmerfeld. Genau in einer solchen Situation ruft Winston Churchill, zwischenzeitlich Oppositionsführer im Unterhaus in Großbritannien, die „Vereinigten Staaten von Europa“ aus. Man höre und staune: Zentrale Akteure dieser „Vereinigten Staaten von Europa“ sollten die einstmaligen Erzfeinde Frankreich und Deutschland sein. Was sich damals wie eine wilde Utopie anhörte, ist heute längst Realität.

Nein, wir haben nicht die Vereinigten Staaten von Europa, aber wir können bald 60 Jahre Römische Verträge und damit 60 Jahre europäische Integration feiern. Ich finde, liebe Freundinnen und Freunde, das ist ein freudiger Anlass. Bei allen schlechten Nachrichten, die wir in diesen Tagen haben, sollten wir nicht vergessen, was wir da zu feiern haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

In diesen 60 Jahren haben viele Menschen, nicht nur bei uns in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in der ganzen Europäischen Union, ein großartiges Europa aufgebaut, mit Demokratie, mit Menschenrechten und mit Freiheit – mit Werten, die am Ende triumphiert haben. Die Zeiten der Diktaturen sind in Südeuropa vorbei, aber sie sind Gott sei Dank auch in Osteuropa vorbei, genauso wie der Eiserne Vorhang Geschichte ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben mittlerweile – das sage ich mit Stolz – ein Europa der offenen Grenzen innerhalb der EU, wir haben ein Europäisches Parlament, eine direkt gewählte Volksvertretung, wir haben eine Unionsbürgerschaft – alles Dinge, auf die wir stolz sein können, alles Dinge, die wir aber auch verteidigen müssen, damit es sie morgen noch gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Eigentlich sollte jede Kollegin und jeder Kollege, die bzw. der an diesem Pult hier reden darf, als Deutsche bzw. als Deutscher reden, aber sie bzw. er sollte immer auch zugleich als überzeugte Europäerin bzw. Europäer reden; denn man kann nur guter deutscher Staatsbürger sein, wenn man gleichzeitig auch überzeugter Europäer ist und das in seinem Handeln und in seiner Sprache deutlich macht. Auch das wäre sehr wichtig für den Zusammenhalt der Europäischen Union.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber – das gilt für jedes Projekt, das man liebt, für jedes Projekt, das einem wichtig ist – es gehört Ehrlichkeit dazu. Das heißt: Europa kann nur erfolgreich sein, wenn es dynamisch bleibt, wenn wir selbstkritisch sind, wenn wir anpassungsfähig sind und wenn wir auch nicht den Reformwillen verlieren. Darum ist es erforderlich, angesichts der Angriffe von innen wie von außen zu reagieren. Zu den Angriffen muss man sagen: Dass diese von Herrn Putin kommen, gut, daran haben wir uns gewöhnt. Dass er uns und der Europäischen Union nicht gut gesinnt ist, das wissen die meisten hier, vielleicht bis auf einige wenige.

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)

Aber dass jetzt noch dazu der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika kommt, ist etwas, was ich mir zumindest in meiner Schulzeit nicht hätte vorstellen können. Aber das kann doch nicht heißen, dass wir uns jetzt hier den ganzen Tag erzählen, wie schlimm die Welt ist, sondern daraus kann es doch nur eine Konsequenz geben, nämlich dass wir uns mit allen Kräften darum kümmern, dass das vornehmste Ziel der deutschen Außenpolitik Europa sein muss, die Europäische Union sein muss, ein starkes, ein handlungsfähiges Europa sein muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Thomas Oppermann [SPD])

Ich will nicht, dass wir, wenn wir in 120 Jahren hoffentlich erneut die Römischen Verträge feiern, Austrittsschreiben im Briefkasten der Europäischen Union haben. Ob wir die bekommen oder ob wir sie nicht bekommen, das liegt eben auch an uns. Da will ich schon sagen: Ich hätte in den vergangenen Jahren Ihrer Kanzlerschaft, Frau Merkel, gerne etwas von Ihnen darüber gehört, wie Sie sich Europa vorstellen, wie Ihre Vorstellung von Europa ist.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da hätten Sie mal zuhören sollen!)

Wenn man nicht führt, wenn man nicht erklärt, dann macht man sich weniger angreifbar – natürlich ist das einfacher; das verstehe ich schon –, dann polarisiert man nicht so.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Führen Sie mal Ihre eigene Partei ein bisschen!)

Nur, das Problem ist: Es gibt in der Politik kein Vakuum. Das Vakuum wird immer gefüllt, und wenn wir als Demokraten es nicht füllen, dann füllen es die Populisten. Ich will aber nicht, dass die Populisten uns sagen, wie es mit Europa weitergehen soll, sondern wir müssen sagen, was mit Europa passiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Michelle Müntefering [SPD])

Auch das will ich sehr klar sagen: Wer glaubt, dass Europa zu einem reinen Binnenmarkt zurückentwickelt werden kann, der ist nicht nur naiv, sondern der hat Europa bereits abgeschrieben. Die Römischen Verträge, die die Gründungsmütter und Gründungsväter wollten, sind eben nicht bloß reine Handelsverträge gewesen; ihnen ging es immer um eine große europäische Idee.

Machen wir uns doch nichts vor: Auch wir Deutsche mit all unserer wirtschaftlichen Stärke sind am Ende des Tages zu klein, um die Probleme, über die wir hier regelmäßig im Parlament reden, ob es die Terrorbekämpfung ist, ob es der Kampf gegen den Klimawandel ist, ob es der Kampf gegen Epidemien oder der Einsatz für Demokratie ist, zu lösen. Dafür brauchen wir die anderen Partnerinnen und Partner; aber dann muss man auch mit den Partnern so umgehen, dass die Partnerschaft erfolgreich wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Norbert Spinrath [SPD])

Darum hätte ich gerne von Ihnen gehört, dass Sie sagen: Nur wenn es den europäischen Nachbarn gut geht, dann geht es uns Deutschen gut. Das muss künftig das Narrativ der deutschen Europapolitik sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau das hat sie gesagt! – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Davon war doch die Rede!)

– Wir werden es gleich sehen, meine Damen und Herren.

Ich hätte gerne einmal etwas darüber gehört, dass über 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland und Spanien eben nicht nur ein griechisches und spanisches Problem sind, sondern dass das auch ein Problem der deutschen Innenpolitik ist, meine Damen und Herren;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn wenn die Zukunftshoffnungen der Menschen in Europa verloren gehen, dann gehen sie regelmäßig leider nicht zu den Demokraten, sondern dann gehen sie oft zu den Populisten, und das führt uns nicht weiter. Meine Damen und Herren, wenn man über Europa spricht, dann muss man eben auch über Sozialpolitik sprechen. Dann muss man darüber sprechen, dass ein Europa, das zukunftsfähig ist, nur ein gerechtes Europa sein kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ein gerechtes Europa, das bekommen wir nur, wenn wir verstehen, was jeder Unternehmer weiß: Man kann sich in der Krise eben nicht nur raussparen, sondern in der Krise muss man auch investieren, damit der Rubel wieder rollt,

(Lachen bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Rubel soll nicht rollen!)

damit die Wachstumszahlen steigen

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Rubel eben nicht!)

und damit Arbeitsplätze geschaffen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Ich freue mich auch – Kollege Oppermann hat es angesprochen –, dass wir mittlerweile an jedem Wochenende Menschen sehen, junge Menschen, die in europäischen Städten auf die Straßen gehen und sich versammeln, und es werden Woche für Woche mehr. Das Motto „Pulse of Europe“, unter dem sie sich versammeln, bedeutet: Wir alle sind für die Zukunft Europas verantwortlich, jeder und jede von uns.

Wissen Sie, ich bin ja jetzt lange genug dabei, dass ich immer so ein bisschen darauf warte: Wann kommt eigentlich „die bösen Europäer, die Bösen in Brüssel“? Ich finde es großartig, dass die das nicht sagen. Die sagen nicht nur nicht: „Die anderen sind schuld“, sondern sie sagen: Wir sind, jeder von uns ist Europa. Jeder von uns hat es in der Hand, wie Europa aussieht. – Ich finde, wir sind diesen jungen Menschen zu großem Dank verpflichtet. Den Enthusiasmus, den ich mir hier wünschen würde, finden wir auf den Straßen bei den jungen Menschen, meine Damen und Herren, und das tut gut. Es tut gut, in diesen Tagen diesen Enthusiasmus zu hören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich gestatte mir jetzt einen Exkurs, weil es ja hieß: Wir sollten türkische Politiker hier reden lassen. – Dazu sage ich gleich etwas. Aber, Herr Oppermann, wenn türkische Politiker hier reden dürfen, dann ist es natürlich schwierig, zu begründen, warum dann ein Herr Orban nicht bei der CSU zu Gast sein soll. Da ist ja eine gewisse Logik. Also, laden Sie ihn von mir aus ein.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Der Vergleich ist wirklich schräg!)

Aber wenn Sie ihn einladen, dann sagen Sie ihm bitte, wie Asylpolitik in Europa auszusehen hat, und dann sagen Sie ihm bitte etwas über europäische Werte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Erzählen Sie ihm doch etwas von Ihren CSU-Bürgermeistern vor Ort, die eine ganz großartige Politik machen. Das würde ich mir wünschen: nicht nach dem Mund reden, sondern Klartext!

Jetzt will ich doch noch etwas zur Türkei sagen. Meine Damen, meine Herren, ich höre in diesen Tagen immer: Wir brauchen die Türkei. – Klar. Wer könnte da widersprechen? Aber gerade jetzt ist es wichtig, zu sagen, dass die Türkei auch uns braucht! Es ist doch nicht so, dass die Bundesrepublik Deutschland und Europa Mitglied in der Türkei werden wollen. Die Türkei will Mitglied in der Europäischen Union werden. Da wäre es doch vielleicht auch ganz gut, wenn man mal sagt, wer sich wem anzupassen hat und wer sich an wessen Normen orientieren muss.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Auch das hat sie gesagt, sehr deutlich sogar! Haben Sie es nicht gehört? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU)

Meine Damen, meine Herren, als wir Teil dieser Bundesregierung mit der Sozialdemokratie waren und die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geführt haben, da war die Türkei auf dem Reformweg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben damals Beitrittsverhandlungen initiiert und haben eine reformorientierte Türkei unterstützt, in der Eigentum an Christen zurückgegeben wurde, in der über die kurdische Frage gesprochen werden konnte und in der die Folter bekämpft wurde. Sie haben eine Türkei, die sich in die gegenteilige Richtung entwickelt hat, auf einmal auf Ihrer Karte nicht nur wiederentdeckt durch den Flüchtlingsdeal, sondern Ihnen konnte es mit den Beitrittsverhandlungen nicht mehr schnell genug gehen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wahnsinn! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich gestehe, es überfordert mich intellektuell, zu verstehen, wie die Türkei-Logik dieser Regierung funktioniert. Vielleicht liegt es daran, dass es in der Frage der Türkei bei Ihnen gar keine Logik gibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich wollte gar nicht so polemisch sein. Sie haben mich einfach dazu provoziert.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist aber eigentlich unter Ihrem Niveau!)

Lassen Sie mich zur Türkei Folgendes sagen: Alle haben gesagt, dass diese Vorwürfe aus der Türkei mit dem Nazivergleich absurd sind, dass sie eigentlich so absurd sind, dass man gar nicht darauf antworten muss. Ich finde, die beste Antwort geben unsere Lehrerinnen und Lehrer in der Bundesrepublik Deutschland, die im Geschichtsunterricht, aber auch in anderen Fächern das Narrativ unseres Landes „Nie wieder Auschwitz!“ unseren Kindern gemeinsam beibringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht nehmen wir das sogar zum Anlass, zu überlegen, wie wir das künftig vermitteln in Gesellschaften, in Schulklassen, die bunt zusammengewürfelt sind, da es ja leider immer weniger Überlebende des Holocaust gibt, die in die Schulklassen kommen. Ich hatte das Glück, dass ich eine Überlebende in meiner Schulklasse erlebt habe. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mich das beeindruckt hat als jemanden, der so etwas zu Hause nie gehört hat. Vielleicht müssen wir das künftig gemeinsam so weiterentwickeln, dass wir in interkulturellen Klassen gerade ganz besonderen Wert darauf legen, dass dieses „Nie wieder Auschwitz!“ gelehrt wird, aber auch die Verantwortung aufgezeigt wird, die daraus erwächst: dass man das nur umsetzen kann, wenn man sich nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt dafür einsetzt, dass Diktaturen keine Chance haben, dass Unterdrückung von Menschen gemeinsam bekämpft wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen, meine Herren, ich will Ihnen mit Blick auf diese Debatte einen konstruktiven Vorschlag machen: Lassen Sie uns aufhören, zu streiten, ob türkische Politiker hier reden sollen oder nicht! Dazu haben wir jetzt einiges gehört. Sie sollen in Gottes Namen hier reden; sie sollen sehen, was für ein großartiges Land dies ist.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: In Gottes Namen nicht! – Weitere Zurufe)

– In Gottes Gnade.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Auch nicht!)

– Herr Kauder, ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie Sie sich von dem C im Namen Ihrer Partei absetzen. Aber sei es drum; das machen Sie dann mit Ihren Wählern aus.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das diskutieren wir nachher aus. Ich habe mich schon ein paarmal gewundert, wie Sie sich da weiterentwickeln.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ich setze mich vom C nicht ab!)

Wenn sich Ihre Wähler heimatlos fühlen sollten: Ich hätte da bei uns eine Heimat anzubieten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: So wird das nix mit den Grünen!)

Aber zurück zum Thema. – Wenn türkische Politiker hier auftreten, dann erwarte ich von ihnen zumindest eine Geste des guten Willens in unsere Richtung, dass sie deutlich machen, dass beispielsweise Deniz Yücel freigelassen gehört, dass beispielsweise auch der Oppositionsführer Selahattin Demirtas freigelassen gehört;

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Brand [CDU/CSU])

der gehört nicht ins Gefängnis, sondern ins Parlament, damit man sich mit ihm darüber streiten kann, wie die Richtung der Türkei künftig sein soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

An die Adresse des türkischen Staatspräsidenten: Man ist nicht stark, wenn man Oppositionelle einsperrt. Man ist nicht stark, wenn man Angst vor Journalisten hat, weil sie kritische Fragen stellen könnten. Man ist nicht stark, wenn man Medien mit Rollkommandos niedermacht, weil man Angst vor ihren kritischen Berichten hat. Ich finde, man merkt dem türkischen Staatspräsidenten an, dass er Angst hat, das Referendum zu verlieren. Wir sollten alles dafür tun, dass er es verliert.

(Beifall des Abg. Michael Brand [CDU/CSU])

Das wäre eine gute Nachricht für die Demokratie in der Türkei und eine gute Nachricht für das deutsch-türkische Verhältnis.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wenn also türkische Politiker – in unser aller Namen, Herr Kauder – hier Kundgebungen machen wollen, dann sollen sie sie machen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es richtig!)

Dann lade ich Sie ein: Machen wir gemeinsam eine Gegenkundgebung – an der Seite der Türkischen Gemeinde, an der Seite der Alevitischen Gemeinde, an der Seite der vielen demokratischen türkischen, kurdischen Organisationen – und zeigen wir, was für eine großartige Demokratie, was für eine großartige Meinungsfreiheit wir hier haben! Ich glaube, das wäre ein klares Signal Richtung Ankara und würde dort der Opposition helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage ein Weiteres: Wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Wir haben die öffentlich-rechtlichen muttersprachlichen Angebote zurückgefahren, weil wir gesagt haben: Die Leute schauen doch sowieso Fernsehen aus Russland oder aus der Türkei oder von anderswo. – Das rächt sich jetzt. Deshalb schlage ich vor: Machen wir doch so etwas wie ein deutsch-türkisches Arte! Stärken wir Angebote in der Muttersprache,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber, bitte schön, rechtsstaatlich, ohne Erdogan-Propa­ganda bei uns! Die braucht keiner; die will keiner.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Brand [CDU/CSU])

Ich will noch etwas sagen, nicht nur an den Bund gerichtet, sondern auch an die Länder: Ein Spitzelnetzwerk à la Erdogan kann in der Bundesrepublik Deutschland nirgendwo akzeptiert werden:

(Beifall des Abg. Michael Brand [CDU/CSU])

in keiner Moschee, in keinem Kaffeehaus, bei keinem Imam, bei keinem türkischstämmigen Lehrer. Da haben wir auch eine Verantwortung für die Demokraten in der türkischen Community.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann geht mal ran in NRW!)

Sie müssen sich sicher sein, dass sie hier sicher sind und dass sie den Schutz unserer Gesetze genießen. Hier muss niemand Angst haben, meine Damen und Herren, vor dem langen Arm Erdogans.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Zum Schluss will ich mich an die Deutschtürken bei uns in der Bundesrepublik Deutschland wenden: Unsere Demokratie ist nicht dazu da, in der Türkei eine Diktatur zu errichten. Deshalb sagt bitte Nein zu Erdogans Verfassungsänderung! Nehmt den Menschen in der Türkei nicht die Freiheit, die ihr hier in unserem Land gemeinsam mit uns genießt!

Danke sehr.

(Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Volker Kauder hat nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082508
Wahlperiode 18
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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