09.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 4 + ZP 3 u. 4

Michael FrieserCDU/CSU - Kündigungsschutz für Mieter und Mietpreisbremse

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Vielen Dank. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin, Ihre Vorgängerin hat gerade darum gebeten, die Redezeiten wirklich einzuhalten, weil wir schon sehr spät dran sind. Die Minute, die sich Frau Künast gerade für den Berliner Wahlkampf geklaut hat, gebe ich Ihnen selbstverständlich gern zurück, damit das Haus auch wirklich weiterkommt.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war keine volle Minute!)

Frau Künast, zu dieser gespielten Form von Entrüstung: Kehren Sie zu Ihrer eigentlichen Bestimmung zurück: Treten Sie im Deutschen Bundestag weiter Schutzbretter heraus! Das funktioniert effektiv. Die Argumentation funktioniert bisher nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ha, ha, ha! – Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Sie hatten gerade doch genug Zeit, und trotzdem sind Sie noch nicht zu Ende.

Es war zu erwarten, dass eine solche Debatte noch einmal aufflammt. Ich muss am Anfang ganz eindeutig sagen: Das, was hier mit etwas Brimborium formuliert wird, heißt doch: Wir müssen tatsächlich überlegen, ob wir bei Verzugsfolgen und der Umlage der Modernisierungskosten etwas ändern. Niemand hätte etwas dagegen. Auch davon spricht der Koalitionsvertrag.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber umsetzen! Der Koalitionsvertrag ist doch schon drei Jahre alt!)

Aber jetzt einmal zur Linken gesagt: Mir ist die Orientierungslosigkeit klar, in der sich Ihre Partei befindet. Aber Ihre Argumentation zu Ende gedacht, würde Enteignung bedeuten. Das würde am Ende des Tages – damit wären viele Ihrer Probleme gelöst – Enteignung bis hin zur Bodenenteignung bedeuten. Dann bräuchte der Vermieter bei der Nutzung seines Eigentums am Ende überhaupt nicht mehr auf Wirtschaftlichkeit zu achten. Das wäre noch nicht einmal mehr Sozialismus. Ich kann mir überhaupt nicht erklären, wie man so einen wirklich funktionierenden Wohnungsmarkt dort installieren will, wo er nicht funktioniert.

Die Behauptung, Mieter würden in diesem Land nicht geschützt, ist unwahr. Sie bleibt auch trotz noch so häufiger Wiederholung unwahr. Dass es Missstände gibt, stellt, glaube ich, niemand in Abrede. Insofern meine ich: Es ist jetzt wirklich alles an Argumenten ausgetauscht worden. Es ist immer das Schöne an einem etwas späteren Platz auf der Rednerliste, dass man sich gut auf die Vorredner beziehen kann.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen die elf Minuten nicht ausschöpfen!)

Beim Thema Mietpreisbremse ist es ja nicht so, dass wir nicht darauf hingewiesen hätten, an welchen Stellen sie systembedingt zum Teil nicht funktionieren kann. Genau da, wo sie nicht funktioniert, nämlich in den Ballungsräumen, helfen jedoch all Ihre Vorschläge nicht besonders weiter.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Was ist denn Ihr Vorschlag?)

Ich werfe einmal die entscheidende Frage auf: Wollen Sie eigentlich vom Ballungsraum auf der einen Seite bis hin zum Leerstandsgebiet auf der anderen Seite in diesem Land alles über einen Kamm scheren? Das würde am Ende des Tages bedeuten: Es funktioniert nirgendwo mehr. Es wird nirgendwo mehr investiert, sei es im Ballungsraum oder sei es in Gebieten mit tatsächlich vorhandenen Leerständen.

Das Land ist ungleich besiedelt, also braucht es auch ungleiche Antworten, um einen Mietmarkt am Laufen zu halten. Deshalb sage ich noch einmal – zurück zu den entscheidenden Grundsätzen –: Der Normalfall ist eben nicht der herzlose Großkonzern, der mit Fremdkapital Wohnungen anbietet. Nein, es ist der Klein- und Kleinstvermieter. Drei Viertel der Wohnungen in diesem Land werden von Familien, von Einzelvermietern an die Menschen, an die 20 Millionen Mieter, vermietet.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der Kollege hat vorhin 65 Prozent gesagt! Was gilt denn jetzt, 65 Prozent oder 75 Prozent? Sprechen Sie sich auch mal ab?)

Der Normalfall in diesem Land ist, dass ein unbefristetes Mietverhältnis besteht und dass dieses nur in ausgewiesenen Ausnahmefällen beendet werden kann. Es gibt nur sehr wenige Gründe, die das zulassen. Das geht nur bei erheblicher Verletzung grundsätzlicher vertraglicher Pflichten. Insofern sage ich auch beim Thema der Eigenbedarfskündigung, das Sie immer wieder anführen:

(Caren Lay [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht! Haben Sie nicht zugehört?)

Es gibt hier nur begrenzte Möglichkeiten, die dem Vermieter in unserem Land zur Verfügung stehen.

Die entscheidende Frage – darauf will ich schon noch einmal eingehen – betrifft die Verzugsfolgen bei der Nichtzahlung von Miete. Es gibt gute Gründe, warum wir hier zwischen außerordentlicher Kündigung und ordentlicher Kündigung unterscheiden. Wenn Sie tatsächlich zum Prinzip machen wollen, dass durch die Zahlung eines Kleinstbetrages trotz eines hohen Betrages an aufgelaufenen Mietschulden die wesentlichen Leistungen – die Zurverfügungstellung der Mietsache – erbracht werden, dann kündigen Sie das Synallagma auf. Irgendwann sind die Hauptleistungspflichten, das Zurverfügungstellen von Mietraum auf der einen Seite und das Zahlen von Miete auf der anderen Seite, nicht mehr in Ausgleich zu bringen. Das bedeutet die Aufkündigung dessen, was wir bei dieser Frage der Verlässlichkeit, der Berechenbarkeit und, wenn Sie es denn so haben wollen, der Planungssicherheit für einen Mieter durchaus brauchen und haben müssen.

Am Ende des Tages geht es doch darum, dass in diesem Bereich – dazu sagt niemand ein Wort – 1 Million Wohnungen fehlen. Der Fehlbestand an Wohnungen in diesem Land hat sich mittlerweile auf 1 Million summiert. Ich höre kein einziges Wort darüber, wie sich dieser Mietwohnungsbestand auf Dauer effektiv, nachhaltig und bezahlbar für beide Seiten – für einen Investor oder Vermieter und einen zukünftigen Mieter – tatsächlich herstellen lässt. Der wesentliche Unterschied in diesem Haus ist, dass wir nicht nur daran denken, den Mieter zu versorgen, der im Augenblick schon eine Wohnung hat, sondern auch den Mieter, der keine Wohnung hat, damit er in Zukunft eine Wohnung haben wird. Das geht in diesem Land anscheinend nur mit CDU/CSU, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD]: Was sollen wir dazu nur sagen?)

Für dieses Auf-die-Tränendrüse-Drücken habe ich durchaus Verständnis. Aber wenn einer sagt, dass er damit gegen Altersarmut angehen will, dann stelle ich fest: Auch die Vermieter, gerade die Kleinstvermieter, sind Menschen, die Wohnraum brauchen. Auch dort gibt es Kinder, die Wohnraum brauchen. – Um diesen entscheidenden Punkt geht es nämlich. Wir wollen, dass die Menschen in Eigentum investieren, um ihre Zukunft zu sichern, um ihre Altersvorsorge ein Stück weit zu sichern. Deshalb sage ich: Mit dem Vergießen von Krokodilstränen über die Explosion des Wohnraumbedarfs in den Ballungsräumen und dem Missachten aller anderen in diesem Land verhindern Sie keine Altersarmut, sondern Sie schaffen sie erst, wenn Sie Ihren Antrag am Ende des Tages durchsetzen wollen.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Frieser, Sie haben die Grundsystematik der Mietpreisbremse nicht verstanden! Sie gilt nur in Gegenden mit Wohnraummangel!)

Die Antwort auf die entscheidende Frage bleiben Sie schuldig. Wenn Sie über die Mietpreisbremse und die Orientierung an Vergleichsmieten reden, dann müssen Sie auch die entscheidende Frage beantworten: Wie wollen Sie das ohne Mietspiegel überhaupt machen? Wie wollen Sie in dieser Frage eine Orientierung bekommen? Sie schütten nicht nur das Kind mit dem Bade aus, sondern Sie sorgen auch dafür, dass es am Ende des Tages kein Badewasser mehr gibt.

(Ulli Nissen [SPD]: Ha, ha!)

Das kann sicher nicht im Sinne des Erfinders sein und sicherlich nicht im Sinne der deutschen Mieter und eines Mietmarktes, der tatsächlich funktioniert.

Kein Satz zum Thema „Sozialer Wohnungsbau“ bei einer anscheinend so wahnsinnig wichtigen mietrechtlichen Debatte.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hatten wir vor ein paar Wochen! – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Mietrecht!)

Kein Satz über die entscheidende Botschaft, dass ein Wohnungsmarkt nur dann aufrechterhalten werden kann, wenn er beständig mit neuen Wohnungen versorgt wird. Kein Satz zu der entscheidenden Frage: Wenn ich tatsächlich die Modernisierung des Altbestandes nicht mehr zulassen will, wo soll der ausreichend hohe Wohnungsbestand am Ende des Tages herkommen?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir schon vor ein paar Wochen diskutiert!)

Dann ein Satz zum Thema Verteuerung; auch hier gab es Krokodilstränen, und es wurde gesagt, wie teuer das Ganze geworden ist. Hier muss man doch der Vermieterseite ein Stück weit entgegenkommen. Aber schauen wir uns einmal die Länder an, in denen die Grünen in der Regierungsverantwortung sind: Wenn Sie schon von Verteuerung reden, dann reden Sie doch auch darüber, dass an dieser Stelle die Grunderwerbsteuer gesenkt werden muss. Das würde den Wohnungsbaumarkt tatsächlich entlasten. Am Ende des Tages – es tut mir leid – bleibt nur das übrig: eine Rote Karte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. Danke schön, Sie haben Ihr Versprechen eingehalten. Das ist wunderbar. Das können andere auch und damit Zeit einsparen.

Nächste Rednerin ist Ulli Nissen für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082547
Wahlperiode 18
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Kündigungsschutz für Mieter und Mietpreisbremse
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta