Bettina Bähr-LosseSPD - Effektivere und praxistauglichere Strafverfahren
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zu den Aufgaben des Staates gehört auch, eine funktionierende Strafrechtspflege zu gewährleisten. Das bedeutet, dass prozessuale Vorschriften laufend auf Tauglichkeit, Zeitgemäßheit und Effektivität hin zu überprüfen sind.
Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens reformiert die Strafprozessordnung an wichtigen Stellen und ermöglicht eine Verfahrensvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung, die zugleich die Rechte der am Verfahren Beteiligten wahrt. Er basiert auf der Untersuchung aller Verfahrensabschnitte des Strafverfahrens durch eine Expertenkommission.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Vorschläge haben Sie aber nicht übernommen!)
Der Grat, Herr Ströbele, auf dem wir uns bei diesem Vorhaben bewegen, ist schmal. Wir wollen und müssen den Strafanspruch des Staates durchsetzen. Gleichzeitig sind die Grundrechte der mit Strafe Bedrohten zu sichern und zu gewährleisten.
Zwei Punkte möchte ich an dieser Stelle in den Fokus stellen. Die Forensik hat wesentliche Fortschritte auf dem Gebiet der DNA-Analyse erzielt. Augen-, Haar- und Hautfarbe einer Person lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmen. Denjenigen, die meinen, dass dadurch eine Stigmatisierung bestimmter Gruppen erfolge, halte ich entgegen, dass zahlreiche andere Verdächtige entlastet werden, die vielleicht vorher unter Generalverdacht standen. Im Übrigen wäre eine Öffentlichkeitsfahndung ohne klare Benennung von Äußerlichkeiten völlig sinnlos. Wenn die technischen Möglichkeiten diese wichtigen Hinweise für die Ermittlungsarbeit liefern, muss die Polizei, müssen die Ermittlungsbehörden in der Lage sein, diese auch zu nutzen.
Davon getrennt zu betrachten sind die sogenannten Beinahetreffer. Hierzu gab es vor einigen Jahren eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, dass, so die bisherige Rechtslage, die bei einer Reihenuntersuchung gewonnene Information, dass die DNA eines Untersuchten zwar nicht mit der Tatort-DNA identisch ist, aber ein Verwandtschaftsverhältnis besteht, weder hätte gewonnen noch verwertet werden dürfen. In dem damaligen Fall wurde die erfolgte Verurteilung gleichwohl nicht aufgehoben. Aber es wurde deutlich auf bestehende Zweifel an der Verwertbarkeit derartiger Informationen hingewiesen. Um diese Zweifel zu beseitigen und klarzustellen, dass diese Informationen verwertet werden dürfen, erfolgte die Anpassung in dem Entwurf.
Insgesamt darf bei der Bewertung dieser Fragen nicht aus den Augen verloren werden, dass es um die Aufklärung von schweren Straftaten geht. Wenn also Wissenschaft dabei helfen kann, Verbrechen aufzuklären, sollte das auch möglich sein und sollte falsche Rücksichtnahme nicht dazu führen, dass zum Beispiel Mörder geschützt werden.
(Beifall bei der SPD)
Der zweite wichtige Punkt, den ich herausgreifen möchte, betrifft den Bereich der Verbesserung der Dokumentation des Ermittlungsverfahrens. Der Entwurf knüpft an die jüngst aus Opferschutzgründen erweiterten Regelungen zur audiovisuellen Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen an und will diese moderat auch auf einen begrenzten Bereich der Beschuldigtenvernehmung ausdehnen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur Tötungsdelikte!)
Bei vorsätzlichen Tötungsdelikten – Herr Ströbele, eine Sekunde; ich komme jetzt dazu – sowie bei besonders schutzbedürftigen Personen sollen Vernehmungen des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren grundsätzlich in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Das Recht des Beschuldigten, in der Hauptverhandlung aussagen zu können und gehört zu werden, wird dadurch also nicht beschnitten.
Ich habe eingangs gesagt, dass der Grat, auf dem wir uns bewegen, schmal ist. Ich setze deshalb auf Ihre konstruktive Mitarbeit bei kritischen oder strittigen Punkten des Entwurfs in Gesprächen und Verhandlungen, die dieser ersten Lesung folgen werden. Ich bin froh, dass wir einen so erfahrenen Strafverteidiger wie Sie, Herr Ströbele,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hören ja nicht auf mich!)
und einen engagierten Juristen wie Herrn Sensburg dabei haben, die sich in diese Verhandlungen wirklich nutzbringend für alle einbringen können.
Das Justizministerium wird zudem in diesem Monat ein Symposium abhalten, dessen Inhalte auch Eingang in den Entwurf finden werden, sodass wir die notwendigen Reformen zu einem erfolgreichen Abschluss bringen können; denn das sind wir den Opfern von Gewaltverbrechen und ihren Hinterbliebenen schuldig.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als letzter Redner in dieser Aussprache spricht nunmehr Alexander Hoffmann von der CDU/CSU-Fraktion zu Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7082797 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Effektivere und praxistauglichere Strafverfahren |