Martina Stamm-FibichSPD - Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher und Besucherinnen! Fast zwei Jahre – wir haben es gehört – haben Vertreter der Pharmaindustrie und der Bundesregierung im Pharmadialog verhandelt. Diese Form der Gespräche war unter demokratischen Gesichtspunkten eher ungewöhnlich. So waren weder die Krankenkassen noch die zuständigen Berichterstatter der Fraktionen beteiligt. Auf den Punkt gebracht: Wir Abgeordnete waren nicht Teil des Dialogs, mussten aber jetzt über das Gesetz beraten. Absprachen, die im Pharmadialog getroffen wurden, sind jedoch für uns Abgeordnete nicht bindend. Frau Kollegin Schulz-Asche, Gesetze werden eben hier gemacht. Das ist, glaube ich, auch gut so.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz als Ergebnis des Pharmadialogs einen vernünftigen Kompromiss erarbeitet und einen eigenen Fokus auf Transparenz und Qualität in der Versorgung gelegt. Folgende Änderungen finden wir als SPD-Fraktion besonders begrüßenswert:
Seit Einführung des AMNOG im Jahre 2011 sind alle neuen, innovativen Epilepsie-Medikamente an der frühen Nutzenbewertung gescheitert. Der Epilepsie Bundes-Elternverband hat sich deshalb Mitte des Jahres 2015 mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt. Mit dieser Petition wurde eine Reform des AMNOG gefordert, damit die Versorgung aller therapieresistenten Menschen mit der Krankheit Epilepsie mit neuen Medikamenten sichergestellt wird. Die Petition befindet sich immer noch in der Prüfung. Wir haben aber mit diesem Gesetz jetzt eine Lösung zum Wohle dieser Patientinnen und Patienten gefunden; denn künftig können Hersteller, deren Medikament keinen Zusatznutzen hat, auch nach der Marktrücknahme mit den Krankenkassen über einen Erstattungsbetrag verhandeln.
Wir gehen hier aktuell von rund 2 500 Betroffenen aus, die ihr Medikament aus dem europäischen Ausland erhalten, weil es auf dem deutschen Markt nicht mehr verfügbar ist. Epileptiker sind ein Beispiel für betroffene Patientinnen und Patienten; denn bei Krankheiten wie Epilepsie sprechen wir über Medikamente, die sehr individuell ansprechen. Zudem müssen diese Patienten häufig eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen, und dabei kommt es oft zu Wechselwirkungen.
Je größer die Bandbreite der auf dem Markt existierenden Arzneimittel ist, desto größer ist folglich die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten das für sie individuell richtige Medikament finden und damit anfallsfrei und selbstbestimmt leben können. Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz haben wir jetzt die Chance genutzt und diese Rahmenbedingungen so geändert, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen besser versorgt werden können.
Auch im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit konnten wir viele Verbesserungen erzielen. Seit rund 20 Jahren verweisen Experten auf das Problem der unzureichenden Arzneimittelversorgung für Kinder und Jugendliche. So sind etwa immer noch 20 Prozent der Arzneimittelverordnungen im ambulanten und beinahe 70 Prozent der Verordnungen im stationären Bereich außerhalb oder ohne eine formale Zulassung. Die Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche muss gestärkt werden. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die im Gesetz verankerte Übertragung von Evidenz bei Kinderarzneimitteln.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Auch die Neuerung im Bereich Festbetrag begrüßen wir; denn die bestehenden Festbetragsregelungen führen dazu, dass nicht ausreichend Arzneimittel mit neuen alters- und kindgerechten Darreichungsformen, also Säften und Lösungen, zur Verfügung stehen. Um dem entgegenzuwirken, haben wir eine gesonderte Berücksichtigung altersgerechter Darreichungsformen für Kinder bei der Bildung von Festbetragsgruppen beschlossen.
Der Markt für Kinderarzneimittel ist deutlich kleiner und damit weniger profitabel als der Markt für Erwachsenenmedikamente. Die Marktkräfte allein reichen hier leider nicht aus, um die Entwicklung von Medikamenten für Kinder voranzutreiben. Deswegen haben wir als Gesetzgeber eine Hilfestellung geschaffen. Von Anfang an haben wir hier Verbesserungen gefordert.
Wir fordern gemeinsam mit den Kollegen von der Union endlich die Abschaffung der Impfstoffausschreibungen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Da sind wir uns doch mal einig!)
Impfungen sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und der beste Schutz vor schwerwiegenden Infektionserkrankungen. Über das Ziel einer hohen Durchimpfungsrate besteht gesellschaftlicher und überparteilicher Konsens. Aber noch immer sind die Impfquoten in Deutschland viel zu niedrig. Gerade bei der Grippe sind wir weit davon entfernt, das EU-Ziel von mindestens 75 Prozent geimpfter Senioren zu erreichen.
Die Ärzteschaft fordert bereits seit 2014 die Abschaffung der Ausschreibung von Impfstoffen. Zuletzt kam es beim Grippeimpfstoff wirklich vermehrt zu Lieferengpässen; aber auch bei verschiedenen Standardkinderimpfungen gab es Engpässe. Das verunsichert die Patienten. Wir schaffen nun die Ausschreibungen ab und fördern damit die Versorgungssicherheit und langfristig sicher auch höhere Impfquoten.
Last, but not least haben wir auch die Honorare der Apotheker für Rezeptur- und BtM-Gebühren um rund 100 Millionen Euro erhöht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gesundheitsausgaben sind auch im Jahr 2015 gestiegen. Insgesamt haben sich die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 15 Milliarden Euro erhöht. Laut Statistischem Bundesamt ist im Jahr 2015 mehr als jeder neunte Euro für Gesundheit ausgegeben worden. Das ist erfreulich; denn die Gesundheit scheint einen hohen Stellenwert zu genießen. Immer mehr Menschen nehmen ihre Gesundheit ernst. Sie achten auf Ernährung, integrieren Sport in ihren Alltag und interessieren sich für die medizinische Vorsorge. Das ist richtig und wichtig; denn jeder Euro, der der Gesundheit der Bürger nutzt, ist gut angelegt.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Deshalb werden wir auch alle älter! Das ist gut!)
Aber perspektivisch sollten wir darüber nachdenken, ob wir innerhalb der EU weiter das einzige Land sein wollen, in dem alle neu zugelassenen Arzneimittel zunächst zum Wunschpreis der jeweiligen Hersteller in den Markt eingeführt werden können. Um für Patientinnen und Patienten langfristig den Zugang zu einer modernen Arzneimitteltherapie und zu echten Innovationen erhalten zu können und gleichzeitig die Finanzierbarkeit sicherstellen zu können, müssen wir weiter an einem ausgewogenen Ausgleich der Interessen arbeiten.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Martina Stamm-Fibich. – Schönen Nachmittag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war jetzt der zweite Wechsel zu mir. Ich hoffe, ich sehe Sie heute Nacht um eins auch – da bin ich wieder dran –; ich würde mich sehr freuen. Vielleicht brauchen wir da die Gesundheitsexperten sowieso.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kommen dann extra wegen dir noch mal vorbei!)
Ich sehe, dass die Abdeckung an den Plätzen immer noch nicht wieder angebracht worden ist. Das kommt auch noch. Zwei Kolleginnen sitzen sozusagen im Freien.
Letzter Redner in dieser Debatte: Thomas Stritzl für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7082849 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV |