09.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 10 + ZP 9

Heike BaehrensSPD - Personalbemessung in der Altenpflege

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir heute wieder einmal über ein Thema debattieren können, das uns Sozialdemokraten besonders am Herzen liegt,

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Nicht nur Ihnen! Auch uns!)

nämlich über eine würdevolle Pflege im Alter oder bei Krankheit. Ich bin sehr froh darüber, dass wir einiges von dem, was dafür notwendig ist, in dieser Legislaturperiode tatsächlich miteinander auf den Weg bringen konnten.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])

Insofern hinken Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, mit Ihrer zentralen Forderung der Realität etwas hinterher. Denn ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen zu entwickeln und zu erproben, ist längst beschlossen und in Auftrag gegeben.

(Beifall der Abg. Bärbel Bas [SPD] – Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Trotzdem fehlt das Personal schon jetzt! Davor kann man die Augen nicht verschließen!)

Gerade für die Pflegeheime ist es dringend notwendig, die Pflegeschlüssel neu zu bestimmen. Denn in den meisten Bundesländern wird noch heute mit den gleichen Personalrichtwerten wie vor 25 Jahren gearbeitet, und das, obwohl sich die Bewohnerstruktur in den Pflegeheimen inzwischen völlig verändert hat. Wesentlich mehr Menschen mit fortgeschrittener demenzieller Erkrankung, ein höherer Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, kürzere Verweildauern und intensivere Begleitung in der letzten Lebensphase, das kennzeichnet die heute beschriebenen Anforderungen. Sie können mit den alten Personalschlüsseln nicht ausreichend bewältigt werden.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])

Darum ist es so wichtig, tatsächlich tragfähige Grundlagen für die Personalbemessung zu schaffen.

Aber auch unabhängig davon sind die Verhandlungspartner der Selbstverwaltung, also die Einrichtungen und die Kostenträger, aufgefordert und in der Pflicht, bereits vorhandene Erkenntnisse umzusetzen. Denn sie können in Pflegesatzverhandlungen selbstverständlich nicht nur die auskömmliche Finanzierung, sondern eben auch gute Personalschlüssel vereinbaren. Das wurde im vergangenen Jahr im Zuge der Umstellung auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff vielerorts tatsächlich gemacht. Dafür haben wir als Große Koalition mit den Pflegestärkungsgesetzen I und II die Grundlage geschaffen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Mehr Personal!)

Woran wir aber schon heute denken müssen: Mehr Personal kostet auch mehr Geld.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Ja, richtig!)

Im jetzigen System zur Finanzierung der Pflegeversicherung führt das dazu, dass die Eigenanteile der Pflegebedürftigen steigen. Diese Eigenanteile sind aber schon heute außerordentlich hoch und überfordern viele Betroffene. Darum werden wir als SPD sehr genau beobachten, wie sich die vielen Neuerungen der Pflegereformen auswirken. Wenn es so sein sollte, dass die finanzielle Belastung der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner noch weiter steigt, dann werden wir in der nächsten Legislaturperiode die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen. Es kann jedenfalls nicht sein, dass die steigenden Personalkosten allein von den Pflegebedürftigen bezahlt werden müssen. Nein, da benötigen wir andere Ideen und Finanzierungskonzepte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Erich Irlstorfer [CDU/CSU])

Wir werden beim Personal definitiv nicht sparen können. Nein, wir werden vielmehr ins Personal und in bessere Rahmenbedingungen für die Pflege investieren müssen. Denn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen nicht länger hinnehmen, dass Pflegekräfte immer mehr Aufgaben in immer weniger Zeit verrichten müssen, dass engagierte Pflegekräfte aus dem Beruf aussteigen, weil sie sich überfordert fühlen, dass Pflegekräfte eine zunehmende Entfremdung von ihrer Arbeit empfinden, weil sie ihren Arbeitsalltag mit ihrem Verständnis von einer würdevollen Pflege nicht in Einklang bringen können.

(Pia Zimmermann [DIE LINKE]: Und warum ist das so? Weil zu wenig Personal da ist!)

Wir wollen es nicht länger hinnehmen, Frau Zimmermann, dass die Ökonomisierung und die zunehmende Arbeitsverdichtung den Pflegekräften keinen Raum mehr für den eigentlichen Kern der Pflege lassen, nämlich für Zuwendung, für Anteilnahme und für den Blick auf den pflegebedürftigen Menschen mit seinem individuellen Bedarf und seinen sozialen Bezügen. Das ist es, was sich die Pflegekräfte wünschen und was diesen Beruf wieder attraktiver machen würde; denn wir brauchen – das wurde heute schon angesprochen – nicht nur eine bessere Personalbemessung, sondern auch die Pflegekräfte, die die zusätzlichen Stellen mit Leben füllen. Sollen sich mehr Menschen für diesen verantwortungsvollen Beruf begeistern lassen, braucht es eben neben verbesserten Arbeitsbedingungen vor allem eine höhere Wertschätzung und mehr Anerkennung.

Daher zum Abschluss mein Appell an die Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion: Blockieren Sie nicht länger die dringend notwendige Pflegeberufereform.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir arbeiten dran! – Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Der Ball liegt bei Ihnen!)

Vielen Dank, Heike Baehrens. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Ute Bertram für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082874
Wahlperiode 18
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Personalbemessung in der Altenpflege
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