Michael Roth - Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
Guten Abend, lieber Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen erreichen uns wieder Nachrichten einer humanitären Katastrophe am Horn von Afrika, vor allem in Somalia, dem Land, über das wir hier heute beraten wollen.
Über 6 Millionen Menschen – das entspricht etwa der Hälfte der somalischen Bevölkerung – sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als 1 Million Somalis, darunter sehr viele Kinder, sind akut von Hunger bedroht. Ende Februar hat das Auswärtige Amt daher weitere 16,5 Millionen Euro bereitgestellt, um die drohende Hungersnot am Horn von Afrika zu bekämpfen.
Zudem erreichen uns immer wieder Berichte von grausamen Anschlägen, vor allem in der Hauptstadt Mogadischu, die viel zu viele unschuldige Opfer unter der Zivilbevölkerung fordern. Es ist einfach nur schrecklich, was Menschen dort erleiden müssen.
Die Lage, die ich Ihnen schildere, ist von viel Schatten, aber eben auch Licht geprägt. So gibt es durchaus auch ermutigende Zeichen: Anfang Februar ist in Somalia ein neuer Präsident gewählt worden – von einem Parlament, das erstmals in der Geschichte Somalias alle Regionen und die dort lebenden Volksstämme und Clans weitestgehend repräsentiert. Ein langer und schwieriger Wahlprozess ist damit erfolgreich abgeschlossen worden. Niemals zuvor war eine somalische Regierung derart umfassend demokratisch legitimiert.
Noch immer ist Somalia aber auch eines der Schlusslichter weltweit, was staatliche Funktions- und Handlungsfähigkeit betrifft. Dennoch hat Somalia heute die besten Zukunftsaussichten seit mehr als 25 Jahren, also seit dem Staatszerfall 1991. Das dauerhafte beharrliche Engagement der internationalen Gemeinschaft und die unerschütterliche Zuversicht der Somalis selbst, ihr Land wieder aufzubauen, tragen inzwischen erste Früchte. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch realistisch bleiben. Die Entwicklung Somalias ist und bleibt wie so oft ein Marathon, der Ausdauer und einen langen Atem verlangt. Das Land wird auch weiterhin auf unsere Unterstützung, auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angewiesen sein.
Deutschland hat zur positiven Entwicklung einen wichtigen Beitrag geleistet – national wie im europäischen Rahmen. Wir werden dies auch weiterhin tun.
(Beifall des Abg. Niels Annen [SPD] – Zurufe von der LINKEN)
Insbesondere unser ziviles Engagement möchte ich hervorheben: von der humanitären Hilfe über politische und gesellschaftliche Stabilisierung bis hin zur Entwicklungszusammenarbeit. Wir unterstützen den Aufbau eines föderalen Systems in Somalia, in dem sich möglichst alle Somalis wiederfinden. Diesen Prozess begleiten wir nicht nur auf der zentralen Staatsebene, über Verfassungs- und Organisationsberatung in der Hauptstadt Mogadischu, sondern auch in den Regionen beim Aufbau von Gliedstaaten.
In Zukunft werden wir dieses Engagement abermals verstärken. Wir wollen die erfolgreichen Programme, mit denen die meist jungen Kämpfer der al-Schabab-Miliz demobilisiert, entwaffnet und vor allem auch wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden sollen, ausweiten. Dabei wollen wir erstmals auch weibliche Kämpferinnen erreichen. Darüber hinaus wollen wir auch den allgemeinen Staatsaufbau weiter unterstützen. Eine funktionierende Finanzverwaltung, der nachhaltige Kampf gegen die grassierende Korruption und eine gesicherte Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, mit Wasser, mit den Grundnahrungsmitteln sowie medizinische Versorgung sind wichtige Pfeiler der weiteren Entwicklung Somalias. Hier engagieren wir uns im Verbund mit unseren internationalen Partnern.
(Beifall bei der SPD)
Bis hierhin – davon gehe ich fest aus – gibt es Konsens im Hohen Hause. Aber jetzt kommen wir zu dem nach wie vor kontroversen Aspekt. Wichtigste Voraussetzung für unseren vielfältigen Einsatz, den ich Ihnen eben in aller Kürze zu schildern versucht habe, bleibt ein Mindestmaß an Sicherheit. Deshalb gilt es, wieder tragfähige Sicherheitsstrukturen aufzubauen. EUTM Somalia leistet hier durch Ausbildung und Beratung der somalischen Streitkräfte einen wichtigen Beitrag, um das Land dauerhaft zu stabilisieren und zu befrieden.
Unser deutsches Engagement ist eben umfassend und setzt auf zahlreiche zivile, aber eben auch militärische Elemente. Deutsche Soldatinnen und Soldaten sind im Rahmen von EUTM Somalia und im Anti-Piraterie-Einsatz EUNAVFOR/Operation Atalanta eingesetzt. Und Deutschland beteiligt sich an den internationalen zivilen Einsätzen, beispielsweise beim Polizeiaufbau im Rahmen der politischen VN-Mission UNSOM und beim Aufbau einer Küstenwache durch die GSVP-Mission, also eine EU-Mission, EUCAP Somalia.
Die EU unterstützt die Friedensmission AMISOM der Afrikanischen Union, die derzeit noch eine ganz zentrale Säule für die Sicherheit des Landes und den Kampf gegen die Terrormiliz al-Schabab bildet. Doch nicht mehr lange: Der Abzug von AMISOM und die Übergabe der Verantwortung an die somalischen Sicherheitskräfte sind bereits angekündigt. Bis Ende 2020 soll dies abgeschlossen sein. Dadurch steigt zwangsläufig auch der Erfolgsdruck auf die EU-Mission.
EUTM Somalia hat in den vergangenen sieben Jahren über 5 500 Soldaten ausgebildet. Diese beachtliche Zahl wurde unter schwierigsten Bedingungen erreicht. Das General Dhagabadan Training Center, die Ausbildungsstätte von EUTM Somalia und AMISOM, muss aufwendig gesichert werden. Die Sicherheitslage in Mogadischu erlaubt den Ausbildern von EUTM nur einen Aufenthalt im Trainingscamp von wenigen Stunden pro Tag. Aber genau hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir geduldig bleiben. Die Arbeit von EUTM Somalia bleibt wichtig.
Wenn wir das Erreichte bewahren und darauf aufbauen wollen, müssen wir die Defizite der Vergangenheit aber auch ganz kritisch ansprechen. Genau dies hat die Bundesregierung getan; denn wir wollen und wir müssen besser werden. Gemeinsam mit anderen EU-Partnern haben wir uns in Brüssel erfolgreich dafür eingesetzt, die Mission neu auszurichten. So wollen wir den schwierigen Verhältnissen besser Rechnung tragen und die Wirksamkeit der Mission weiter erhöhen. Erst auf dieser deutlich verbesserten Grundlage haben wir beschlossen, das EU-Mandat von EUTM Somalia zu verlängern bzw. Sie um Ihre Unterstützung zu bitten. Mein Kollege aus dem Verteidigungsministerium wird Ihnen sicherlich noch die Punkte nennen, die sich in dem Mandat aus unserer Sicht deutlich verbessert haben.
Somalia braucht weiterhin internationale Unterstützung. Mit der Entscheidung, die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Beratungs- und Ausbildungsmission EUTM Somalia fortzuführen, würde der Deutsche Bundestag dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Deshalb bitte ich Sie im Namen der Bundesregierung um Ihre Unterstützung dieses schwierigen, aber auch wichtigen Mandats.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Alexander Neu, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7082959 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUTM Somalia |