09.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 15

Alexander NeuDIE LINKE - Bundeswehreinsatz EUTM Somalia

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Sehr geehrte Damen und Herren! Somalia ist ein seit langem gescheiterter Staat – genau genommen seit 1991. Das westliche Staatsverständnis in Somalia ist nicht oder, besser gesagt, nicht mehr ausgeprägt; wie übrigens in vielen Ländern Asiens und Afrikas das Staatsverständnis nicht mehr ausgeprägt ist, zum Beispiel in Libyen oder Syrien. In diesen Ländern wie auch in Somalia, worum es hier ja speziell geht, dominieren die traditionellen Clanstrukturen. Das heißt, die Clans verfolgen ihre egoistischen Interessen auf Kosten eines funktionierenden Gesamtstaates und somit auf Kosten der einfachen Menschen. Die neueste Föderalisierung Somalias soll gewissermaßen eine Kompromissformel zwischen einerseits den Clanstrukturen und andererseits dem Erfordernis eines funktionierenden Gesamtstaates darstellen. Ob das funktionieren wird, Kollege Roth, bleibt abzuwarten. Ich bin da angesichts des Erfordernisses, dass die Clans mitspielen, noch skeptisch.

Heute reden wir über EUTM Somalia. Im Prinzip gibt es ja zwei Militäreinsätze in Somalia, einmal die Operation Atalanta und zum anderen EUTM Somalia. Heute reden wir, wie gesagt, über EUTM Somalia. Die Mission hat Anfang 2010 begonnen, und die Bundeswehr ist – mit einer kurzen Unterbrechung – seit März 2010 dabei. Das Ziel, so die Formulierung, ist der Aufbau von Sicherheitsstrukturen, also von funktionierendem Militär und funktionierender Polizei, zur Gewährleistung des Gewaltmonopols.

Die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung ist wichtig; das ist überhaupt keine Frage. Dazu gehört auch eine Sicherheitssektorreform; auch das ist keine Frage. Die Sicherheitssektorreform, vor allem in Somalia, leidet aber zum einen unter Stümperhaftigkeit und zum anderen unter nationalen Egoismen.

Kommen wir zum nationalen Egoismus: Es gibt neben der Europäischen Union noch viele andere Akteure, die dort bei der Ausbildung der sogenannten somalischen Armee mitmischen. Das heißt, es gibt diverse Ausbildungskonzepte, die mit der somalischen Armee abgesprochen werden. Somit gibt es keine einheitlichen Standards.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Wären Sie sonst dafür?)

Warum gibt es keine Vereinheitlichung der Ausbildungsstandards? Weil die Staaten mithilfe ihrer Ausbildungskonzepte dort ihre eigenen Interessen verfolgen. Es geht mal wieder nicht in erster Linie um Somalia, sondern um Interessenverfolgung.

Ein anderes Beispiel für die Stümperhaftigkeit: Es kommt immer wieder vor, dass somalische Soldaten oder auch Polizisten ihren Sold nicht erhalten. Das führt zu Korruption oder gar zu Desertation. Bei der von Ihnen genannten Zahl von, ich glaube, 5 500 ausgebildeten Soldaten haben Sie vergessen, zu erzählen, wie viele von denen desertiert oder übergelaufen sind. Das wäre eine wichtige Information gewesen. Hinzu kommt der US-Drohnenterror über Somalia, der nach wie vor zivile Opfer mit sich bringt und damit auch den Terrorismus fördert.

Das alles untergräbt letztendlich einen effektiven Staatsaufbau. Wir, die Linke, fordern: Hungerbekämpfung statt Bundeswehr in Somalia;

(Beifall bei der LINKEN)

denn wichtiger als die Sicherheitssektorreform ist die Hunger- und Armutsbekämpfung.

Es wurde angesprochen: Derzeit droht angesichts der schweren Dürre in Somalia und der umliegenden Region eine massive Hungersnot. Der neue UN-Generalsekretär Guterres hat am 7. März 2017, also vor wenigen Tagen, mit Blick auf Somalia getwittert: „Menschen sterben. Die Welt muss jetzt handeln, um das zu stoppen.“ Meine Frage ist: Was tut die Bundesregierung eigentlich gegen diese Hungerkatastrophe, abgesehen von der Anwesenheit der Bundeswehr in Somalia?

(Michael Roth, Staatsminister: Habe ich doch gesagt! – Zuruf von der SPD: Zuhören!)

– Darauf komme ich gleich. – Haben Sie den Hilferuf von Guterres gehört? Sie sprachen von 16,5 Millionen Euro. Ich glaube, 16,5 Millionen Euro sind wirklich nichts im Vergleich zu dem, was erforderlich wäre. Es ist schändlich, mit 16,5 Millionen Euro hier im Bundestag aufzutreten und so zu tun, als sei man ein großer Helfer mit zivilen Mitteln.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hätte gerne von Ihnen gehört, welche zivilen Hilfeleistungen Sie jetzt dort einzubringen wirklich planen. Oder möchte die Bundesregierung ihrer internationalen Verantwortung doch wieder nur mit militärischen Mitteln nachkommen?

Die Linke erwartet Antworten seitens der Bundesregierung genau auf diese Frage,

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Hat er doch erzählt!)

und auch die Menschen in unserem Land erwarten Antworten auf diese Frage. Wie lange gedenkt die Bundesregierung eigentlich noch mit militärischen Aktivitäten in Somalia und anderswo die Übernahme von internationaler Verantwortung vorzutäuschen?

(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Die Rede war schon vorgeschrieben! – Franz Thönnes [SPD]: Sehr unflexibel, der Kollege! – Gegenruf des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Niemals!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082961
Wahlperiode 18
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
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