09.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 15

Ralf Brauksiepe - Bundeswehreinsatz EUTM Somalia

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für kaum ein Land ist der Begriff „Failed State“ leider so zutreffend wie für Somalia – und das seit Jahrzehnten. Seit rund einem Vierteljahrhundert wird das Land, dem die wirtschaftliche Basis fehlt, von Krieg und Konflikten, von Hungersnöten und von der tödlichen Bedrohung durch islamistische Terrormilizen heimgesucht, die in diesem Land ihre Spuren hinterlassen haben, einem Land, das in einer Region am Horn von Afrika liegt, die groß, komplex und insgesamt krisenträchtig ist. Es ist eine bedeutende strategische Frage, aber natürlich auch eine ganz wichtige humanitäre Aufgabe, diese Region zu stabilisieren.

Wer behauptet, wir seien dort nur mit dem Militär aktiv und leisteten dort keine Entwicklungshilfe und keine humanitäre Hilfe, der stellt dummdreist falsche Tatsachen in den Raum. Das sind bestenfalls alternative Fakten, die nichts mit der Realität zu tun haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Viel zu wenig!)

Ohne den Aufbau wirksamer staatlicher Strukturen in Somalia wird sich die Lage nicht verbessern können – weder in dem Land selbst noch in den angrenzenden Regionen. So schwierig die Lage war und ist: Es sind auch Erfolge zu verzeichnen. Davon war schon die Rede.

Seit mehreren Jahren engagieren wir uns auch im Rahmen von EUTM Somalia. Diese Mission begann in Uganda, weil die Sicherheitslage das Engagement in Somalia nicht zugelassen hatte. Seit 2014 sind wir mit dieser Trainingsmission in Somalia, und wir sind zuversichtlich, dass wir dort die Lage weiter verbessern können.

Kollege Roth hat es hier angesprochen: In diesem ganzen Prozess, der auch immer wieder mit Rückschlägen behaftet war, gibt es neue Hoffnung dadurch, dass am 8. Februar ein neuer Präsident in einer Weise gewählt worden ist, die einen friedlichen Übergang auf ihn ermöglicht hat. Er übt Macht aus, soweit somalische Stellen Macht ausüben können. Es war aber ein friedlicher Übergang.

Ich hatte die Gelegenheit, am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz mit Michael Keating, dem Vertreter des UN-Generalsekretärs dort, über dieses Thema zu sprechen. Sie behaupten ja gerne, das sei eine Konferenz von Militaristen und ganz schlimmen Menschen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir sprechen dort mit Menschen, die jeden Tag vor Ort sind und sich couragiert und engagiert für den Frieden und die Stabilität in der Region einsetzen. Und es gibt neue Hoffnung, dass jetzt auch dort ein friedlicher Übergang gelingt, wenn er denn von der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird.

Wir stehen eben vor der schwierigen Aufgabe, ein von Hungersnot, Dürren und Terroranschlägen bedrohtes Land aus seiner Fragilität herauszuführen. Das ist ein denkbar schwieriger Weg – aber ein Weg, bei dem die somalische Bevölkerung unsere Unterstützung braucht. Es ist, glaube ich, richtig, gelegentlich einmal zu fragen: Wie wäre es denn eigentlich, wenn wir nicht dort wären? Gäbe es dann keine Instabilität? Gäbe es dann keine Dürre? Gäbe es dann keine Hungersnot? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind zwar bei weitem nicht in der Lage, alle humanitären Probleme in Somalia zu lösen, aber wir leisten einen wichtigen Beitrag dazu. Dafür können wir dankbar sein. Und wir können auf unsere Soldatinnen und Soldaten, die diesen Einsatz leisten, stolz sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weil wir, wie Kollege Roth zu Recht gesagt hat, die Probleme überhaupt nicht übersehen, hat die Europäische Union auch eine strategische Überprüfung durchgeführt. Sie hat reagiert, indem sie die Ausbildungs- und Beratungsmission, die wir dort durchführen, teilweise neu ausgerichtet hat. Dieses neu ausgerichtete Konzept geht nun weg von der Ausbildung einzelner Rekruten bzw. Soldaten hin zu einer clanübergreifenden gemeinsamen Ausbildung ganzer Kompanien. Es wäre ja töricht, sich die Clanstrukturen nur wegzuwünschen. Sie sind da, und wir müssen mit ihnen umgehen.

Es gibt im Übrigen – das sei nur der guten Ordnung halber erwähnt – dort auch keine Statistikbehörde, wie wir das hier in Deutschland oder in Europa gewohnt sind, die auflistet, wer nach einer erfolgreichen Ausbildung eben nicht den Dienst leistet, den wir eigentlich von ihm erwartet haben. Ja, solche Fälle gibt es. Aber man kann sie nicht quantifizieren. Das hat mit den Clanstrukturen zu tun. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen, und das tun wir. Deshalb gibt es eine Neuausrichtung, eine Neukonzeption in der Ausbildung. Es war gerade auch uns als Bundesrepublik Deutschland wichtig, dass die Europäische Union mit dieser Neuausrichtung sowohl auf die positiven als auch auf die negativen Erfahrungen reagiert hat. Daran werden wir uns beteiligen.

Unsere militärische Beteiligung beträgt – bei einer Obergrenze von 20 – derzeit insgesamt neun Soldaten. Sie soll in dieser Höhe, aber eben mit einer Neuausrichtung in der Konzeption fortgesetzt werden, um den besonderen Strukturen vor Ort gerecht zu werden und um in der angespannten Sicherheitslage dort richtig reagieren zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin ganz sicher: Mit der Fortsetzung der Unterstützung senden wir wichtige und richtige Signale aus – Signale an die Europäische Union, von deren Verantwortung für Sicherheits- und Verteidigungspolitik wir überzeugt sind, und Signale an das Land Somalia, das weiterhin unserer Unterstützung bei seinem Weg aus der Instabilität bedarf. Deswegen bitte ich Sie um Ihre Unterstützung für dieses Mandat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Omid Nouripour für das Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7082962
Wahlperiode 18
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EUTM Somalia
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