Sascha RaabeSPD - Globale Investitionen
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es so, dass in Afrika oft nicht die Länder mit den wenigsten Investoren die ärmsten sind, sondern durchaus die Länder besonders arm sind, die die meisten ausländischen Investoren haben, sowie die Länder, die besonders viele Rohstoffe haben. Da, wo Rohstoffe sind, sind viele ausländische Investoren. Da braucht man nicht zu werben, man braucht nicht einmal Fördermittel der KfW, von internationalen Entwicklungsbanken oder von der Weltbank, sondern ausländische Investoren gehen dorthin, wo Öl, Kohle, Seltene Erden, Gold oder Diamanten vorkommen. Wir erleben, dass in diesen Ländern die Gewinne oft nicht bei den Menschen ankommen, dass die Einnahmen aus solchen Minen zweckentfremdet werden, dass damit oft Bürgerkriege und Kindersoldaten finanziert werden. Deswegen ist der Rohstoffreichtum in Afrika oft mehr Fluch als Segen. Deswegen ist die Zielrichtung des Antrages der Grünen das, was wir als Sozialdemokraten auch immer sagen: Wir wollen, dass die Gewinne der Globalisierung endlich den Menschen zugutekommen und nicht nur ausländischen Investoren und Großkonzernen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Wenn wir Globalisierung gerecht gestalten und dafür sorgen wollen, dass es den Menschen vor Ort dient, wenn dort Investitionen getätigt werden, dann brauchen wir auch verbindliche Regeln. Die SPD-Fraktion hat schon im Mai 2015, Herr Kekeritz, beschlossen:
In allen Handels-, Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und im Allgemeinen Präferenzsystem der EU sind deshalb Regeln für die verbindliche Einhaltung und Umsetzung menschenrechtlicher, ökologischer und sozialer Standards wie der ILO-Kernarbeitsnormen mit konkreten Beschwerde-, Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen zu vereinbaren.
Der letzte Punkt ist besonders wichtig, weil es oft in der Prosa von solchen Abkommen steht. Wenn aber dagegen verstoßen wird, greifen keine wirksamen Sanktionen. Deswegen haben wir Sozialdemokraten immer sehr dafür gekämpft.
Wir sind auch der Auffassung, dass zum Beispiel die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika nachgebessert werden müssen, in denen diese verbindlichen Regeln nicht enthalten sind, bei denen es keine Sanktionsmöglichkeiten gibt, wenn in Ländern, die zwar offiziell die international vereinbarten Arbeitnehmerrechte bei den Vereinten Nationen unterschrieben haben, aber Kinderarbeit und sklavenähnliche Arbeit an der Tagesordnung sind. Sonst werden wir diese Wirtschaftspartnerschaftsabkommen ablehnen. Wir wollen fairen statt freien Handel, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich wünsche mir nicht nur, sondern wir fordern auch von der Europäischen Union und der Kommission, dass sie mit dem, was wir bei den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Afrika fordern, auch dort Ernst machen, wo sie diese Möglichkeiten schon haben, zum Beispiel beim Allgemeinen Präferenzsystem. Wir haben die Initiative „Everything But Arms“, das heißt, die ärmsten Entwicklungsländer dürfen ihre Waren zollfrei in die Europäische Union exportieren, wenn sie Menschenrechte und Arbeitnehmerrechte einhalten. Aber leider sehen wir in den letzten Jahren, dass es viele Länder gibt, für die diese Zollfreiheit gilt, die zum Beispiel Textilien liefern, aber die Arbeitnehmerrechte trotzdem mit Füßen treten.
Ich finde es Mut machend, dass es mittlerweile ein Umdenken bei manchen Investoren gibt, auch in der Textilindustrie und auch bei der deutschen. Das zeigt das Beispiel Bangladesch. Die bangladeschische Regierung hat vor ein paar Wochen Gewerkschafter verhaftet. Arbeitnehmer haben für höhere Löhne demonstriert und wurden massenhaft entlassen. Es gibt ein Schreiben – das finde ich sehr bemerkenswert – von den deutschen Gewerkschaften, den deutschen NGOs, der Kampagne für Saubere Kleidung gemeinsam mit dem Textilhandelsverband und den Textilunternehmen, in dem ausdrücklich steht: Wenn die bangladeschische Regierung die Arbeitnehmerrechte nicht einhält, dann fordern wir die Europäische Kommission auf, von ihren Möglichkeiten Gebrauch zu machen, Zölle anzuheben, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer endlich Rechte haben, damit die Näherinnen und Näher, die Frauen, die oft stundenlang unter elenden Bedingungen in Fabriken arbeiten, ihre Kinder ernähren können. – Das ist der richtige Weg. Deswegen müssen wir weiter darauf drängen, dass wir mit solchen verbindlichen Regeln dafür sorgen, dass die Menschen, die mit ihrer Hände Arbeit die Gewinne für die Investoren erwirtschaften, am Ende gut davon leben können, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Genauso verbindlich müssen wir das auch machen. Ich habe gerade das Beispiel genannt, wenn Investoren nach Afrika gehen, um Seltene Erden, Gold oder andere Rohstoffe auszubeuten.
Wir haben viele Jahre dafür gekämpft, dass wir eine verbindliche Regelung im Bereich der sogenannten Konfliktrohstoffe erreichen. Hier möchte ich ein Beispiel dafür nennen, dass die Wirtschaft, dass Investoren am Ende mit uns in einem Boot sitzen können. In meinem Wahlkreis, in Hanau, ist die edelmetallverarbeitende Industrie mit Heraeus und Umicore recht groß vertreten. Schon seit Jahren bin ich deswegen jedes Jahr mit ihnen in Gesprächen, in denen es um ihre Problemstellungen geht. Vor sechs oder sieben Jahren kamen dann zum ersten Mal Forderungen von mir und anderen Entwicklungspolitikern auf: Wir wollen, dass zum Beispiel Gold aus Konfliktregionen wie dem Kongo zertifiziert sein muss, dass nur Gold nach Europa darf, mit dessen Ertrag keine Kindersoldaten finanziert werden und für dessen Gewinnung keine Kinder als Sklaven in Minen arbeiten.
Am Anfang war es das typische Konfliktfeld: Da saßen die Fachvereinigung Edelmetalle und auch Firmen aus meinem Wahlkreis, die gesagt haben: Wir wollen hier keine verbindlichen Regeln; das sorgt für Bürokratie, das behindert unsere Wirtschaft. – Auf der anderen Seite saß der Entwicklungspolitiker Raabe, der gesagt hat: Nein, ihr müsst an die Menschen dort, an die Kindersoldaten denken; das muss sein. – Dann haben die immer gesagt: Aber, Herr Raabe, wir nehmen doch schon auf freiwilliger Basis so viele gute Zertifizierungen vor. – Dann habe ich gesagt: Wenn das so ist, dann müsst ihr doch keine Angst davor haben, dass das, was ihr freiwillig macht, in verbindlicher Gesetzesform kommt.
Das Schöne war, dass am Ende, als wir in der Europäischen Union auch mit unserem Wirtschaftsminister dafür gekämpft haben, dass es wirklich eine verbindliche Regelung gibt, die deutsche edelmetallverarbeitende Industrie Seite an Seite mit uns war und gesagt hat: Ja, wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen, das heißt, wir wollen, dass sich auch Firmen in anderen Ländern daran halten. – Als einige südeuropäische Länder auf den letzten Metern einen Freiwert von 100 Kilo reingedrückt haben, haben die edelmetallverarbeitenden Firmen hier in Deutschland mit mir gemeinsam einen Brief an das Wirtschaftsministerium geschrieben und gesagt: Wir wollen, dass da keine Schlupflöcher, keine Ausnahmen sind; wir wollen, dass Gold nur aus sauberen Quellen kommt.
Daran sieht man: Die Akzeptanz der Verbraucher, die wissen wollen, wo die Sachen herkommen, ist für Investoren – ob jetzt in dem Bereich oder im Bereich der Textilindustrie – wichtig.
Herr Raabe, ich möchte Sie bitten, zum Schluss zu kommen.
Ja, mache ich. – Keiner möchte einen Ehering haben, an dem Blut aus solchen Konfliktminen klebt. Es ist wichtig, dass wir uns im Sinne der Menschen vor Ort, aber auch in unserem eigenen Interesse – damit wir mit gutem Gewissen konsumieren können – für Investitionsabkommen und Handelsabkommen einsetzen, die die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitnehmerrechten garantieren. Dafür werden sich die Sozialdemokraten weiter einsetzen. Schön, wenn ihr von den Grünen es genauso seht!
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7082984 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Globale Investitionen |