Florian PronoldSPD - Zeit- und Kostenrahmen bei Großprojekten des Bundes
Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Christian Kühn, manchmal ist dein Gedächtnis doch ein bisschen schlecht ausgeprägt. Wir hatten vor, glaube ich, einem Dreivierteljahr eine gute Sitzung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, in der alle, auch die Grünen, den Bericht, den Barbara Hendricks vorgelegt hat, gelobt haben. In diesem Bericht haben wir 300 Hochbauprojekte der letzten 15 Jahre analysiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, das auch du zitiert hast, nämlich dass 60 Prozent im Zeit- und Kostenrahmen liegen, aber viel zu viele, nämlich 40 Prozent, nicht.
Dann haben wir eine Ursachenanalyse gemacht und einen Maßnahmenkatalog mit 38 Einzelmaßnahmen vorgestellt, die jetzt in der Umsetzung sind und Stück für Stück abgearbeitet werden. Es ist schön, dass du große Teile deines Antrags aus diesem Bericht abgeschrieben hast – dafür bin ich dir dankbar –, aber das mit der Behauptung zu verbinden, wir würden an der Stelle nichts tun, ist verkehrt. Es ist Barbara Hendricks gewesen, die genau diese Punkte aufgegriffen und einen klaren Kurswechsel für die Zukunft eingeleitet hat. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na ja!)
Liebe Frau Leidig, die Streitschlichtungsverfahren, die auch der Kollege Dobrindt für seinen Bereich vorgeschlagen hat, gibt es bei uns im Hochbau schon lange. Das hat überhaupt nichts mit Schiedsgerichten zu tun. Ich will Ihnen einfach einmal sagen, was da tatsächlich passiert.
(Zuruf der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])
Ich bin zurzeit Bauherr beim Berliner Schloss, wo alles Gott sei Dank im Zeit- und Kostenrahmen ist. Ich kann Ihnen sagen, dass es mit Einzelnen, die dort auf dem Bau tätig sind, Streit gibt, weil sie behaupten, sie hätten alles erfüllt, wir als Bauherr aber sagen: Das ist mangelhaft. – Dann sagen diese Firmen: Wenn wir streiten, stellen wir erst einmal den Bau ein. Dann könnt ihr schauen, wo ihr bleibt. – Wenn das so passieren würde – das ist oft genug passiert –, dann geraten alle anderen Gewerke, die darauf aufbauen, auch in Verzögerung. Dann entsteht ein Dominoeffekt, und zum Schluss führt das zu Baukostensteigerungen.
Deswegen machen wir nichts anderes, als dass wir partnerschaftlich damit umgehen und sagen: Lasst uns die Sachen festhalten. Lasst uns da einen Prozess durchführen, der den Bau nicht verzögert, und im Anschluss daran diese streitigen Dinge entscheiden. Nichts anderes machen wir da. Das hat sich bisher bewährt.
Wir haben festgestellt, dass es sehr unterschiedliche Ursachen dafür gibt, dass Projekte aus dem Zeit- und Kostenrahmen laufen. Ich sage einmal – genauso wie es im Antrag der Grünen steht und wie es alle in diesem Haus teilen –: Wir verwalten Steuergelder. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler haben einen Anspruch darauf, dass wir mit dem uns anvertrauten Geld gut umgehen. Deswegen ist uns jede Zeitverzögerung und jede Kostensteigerung ein Dorn im Fleisch, und das wollen wir alle nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt muss man sich aber einmal anschauen, wo die Ursachen liegen. Die Ursachen sind vielfältig. Dieselbe Bundesbauverwaltung, die beim Pergamon-Museum tatsächlich Probleme hat, hat drei Museen auf der Museumsinsel im vorgesehenen Zeit- und Kostenrahmen fertiggestellt. Da kann man doch nicht einfach sagen: Die öffentliche Verwaltung ist nicht in der Lage, im Zeit- und Kostenrahmen zu bauen. – Da muss man sich doch anschauen, wo die Gründe dafür liegen. Die Gründe sind vielfältig. Wir haben zum Beispiel ein Vergaberecht, das oft von Firmen auch dazu benutzt wird, Verzögerungen zu produzieren. Ich finde, da müsste man einen Hebel ansetzen. Da sind wir auch dran. Das kommt in unserem Bericht vor, und die Grünen haben es gut abgeschrieben. Es ist ja schön, wenn wir uns da einig sind. Wir müssen bloß die EU-Kommission davon überzeugen, dass wir das europarechtsfest hinkriegen. Natürlich hat einer, der bei einer Ausschreibung ungerechtfertigterweise unterliegt, einen Schadensersatzanspruch. Aber es geht nicht an, dass er die Möglichkeit hat, den ganzen Bau zu blockieren. Das wollen wir für die Zukunft ändern, und wir sind bereits auf dem Weg.
Wir stellen übrigens auch fest, wenn wir als Bundestag bauen – das ist einer der Punkte, die ihr auch von uns abgeschrieben habt –, dass man vorher wissen muss, was man haben will. Wenn man in der Bauphase anfängt, Änderungen bei der Nutzung vorzunehmen, dann wird es teuer. Das haben alle, die hier sitzen, bei vielen Projekten getan. Deswegen sollten wir uns an die eigene Nase fassen und so, wie wir das beim Schloss auch machen, sagen: Nein, während der Bauphase wird nichts mehr geändert, sondern wir wollen die Planung vorher haben, und zwar so exakt, dass man das Projekt entsprechend ausschreiben kann.
Ferner muss man sagen, dass über 20 Jahre lang eine Ideologie geherrscht hat, unter der behauptet worden ist, der Staat sei zu fett, und man hat eingespart. Wir erleben jetzt – nicht nur bei der Bundesverwaltung, sondern auch bei den Kommunen –, dass es viel zu wenig Leute gibt, die überhaupt noch die Bauabläufe auf Bauherrenseite kontrollieren können. Darum haben wir im Zuge der letzten Haushaltsberatungen beim BBR 80 neue Stellen geschaffen, damit dieses Defizit ausgeglichen wird und der Bund als Bauherr überhaupt in der Lage ist, die Dinge, die er in der Hand hat, selber zu kontrollieren, wenn er sie schon selber nicht machen kann.
Das sind die Voraussetzungen, die wir jetzt schaffen, damit das zukünftig so nicht mehr auftritt. Viele Dinge, die gemacht werden – es sind ja einige da, die auch in der Bau- und Raumkommission des Deutschen Bundestages sitzen und unsere Bundestagsbauten mit begleiten –, hängen nicht vom Bund ab, sondern wir sind sehr oft auf Baufirmen, Planungsfirmen und andere angewiesen, die schlecht erfüllen. Da kommt es dann zu Zeitverzögerungen und zu Kostensteigerungen, die wir zum Schluss, wenn wir Glück haben, über eine gute Versicherung vielleicht wieder ausgleichen; manchmal ist das aber nicht der Fall. Das ist doch ein Ärgernis. Das, was wir machen können, ist in dem Bericht von Barbara Hendricks in 38 Themenfeldern aufgeführt. Es war, glaube ich, der erste Bericht, der diesem Haus vorgelegt worden ist, in dem man schonungslos alle Ursachen aufgezeigt hat, die dazu führen, dass es zu Zeitverzögerungen und Baukostensteigerungen kommt.
Einer der Gründe ist auch, dass man von Anfang an eine falsche Darstellung macht. Das Haushaltsrecht, das wir uns gemeinsam gegeben haben, erlaubt es im Regelfall nicht, dass man die zu erwartenden Kosten und die Baukostensteigerungen schon bei der ersten Beschlussfassung mit ausweist. Wenn ein Projekt 10 oder 15 Jahre dauert, dann wird es vielleicht 10 oder 20 Millionen Euro teurer, ohne dass irgendetwas Überraschendes passiert, einfach weil es eine Inflationsrate gibt. Aber es schaut nachher so aus, als wären wir zu blöd, das in dem vorgesehenen Kostenrahmen fertigzustellen. Ich finde, zur Transparenz gehört auch, dass man von Anfang an solche Risiken und solche Preisentwicklungen offen darstellt. Das wäre auch ein Gewinn für Transparenz und Bürgerakzeptanz an dieser Stelle.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Grüne, ihr habt schön abgeschrieben. Aber man muss jemanden, der überzeugt ist, die Dinge zu ändern, nicht dazu anstiften. Darum herzlichen Dank für die Gelegenheit, dass wir unsere gute Arbeit hier noch einmal darstellen durften.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gern, Herr Staatssekretär!)
Als letzter Redner in der Aussprache hat Florian Oßner für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7083017 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | Zeit- und Kostenrahmen bei Großprojekten des Bundes |