09.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 30

Konstantin von NotzDIE GRÜNEN - Erhöhung der Sicherheit durch Videotechnologie

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Frau Präsidentin! Guten Morgen, meine Damen und Herren!

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Guten Morgen! – Zuruf von der CDU/CSU: Sternstunde des Parlamentarismus!)

Die beiden Gesetze, die wir heute diskutieren, werden von der Bundesregierung und auch von den Fraktionen in den Kontext der derzeitigen terroristischen Gefährdungslage gestellt. Die drei inhaltlich völlig unterschiedlichen Maßnahmen, die hier in zwei Gesetzentwürfe gepackt wurden, sollen die öffentliche Sicherheit verbessern; so hieß es ja auch in den Reden. Dabei geht es erstens um die Erleichterung des Einsatzes von Überwachungskameras, zweitens um die automatische Kennzeichenerfassung und drittens um die Einführung von Bodycams bei der Polizeiarbeit.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Alle drei Maßnahmen sind sinnvoll und verhältnismäßig!)

Nach der Anhörung in dieser Woche gibt es aber überhaupt keinen Zweifel: Keine einzige dieser Maßnahmen hätte auch nur eines der schrecklichen Vorkommnisse, die wir letztes Jahr erlebt haben, verhindern können, weder den Anschlag auf den Breitscheidplatz, noch Ansbach, noch den Amoklauf von München.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Immer wieder die alte Leier!)

Denn die Videoüberwachung – Kollege Tempel hat es gesagt – hat eben keine Präventivwirkung, insbesondere nicht auf salafistische Terroristen wie Anis Amri.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])

Vielmehr zelebrieren es diese sogar noch, wenn ihre Taten auf Video aufgenommen werden. Deswegen helfen Ihre Gesetze bei diesen Problemen überhaupt nicht weiter.

Videoüberwachung kann natürlich – das sage ich ganz deutlich für meine Fraktion – an neuralgischen Punkten im öffentlichen Raum helfen, Straftaten aufzuklären,

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Ach!)

wie das jüngst bei dem Angriff auf den Obdachlosen in Berlin der Fall war.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Aber die Terrorismusbekämpfung und Mittel zur Strafverfolgung auf Dritte, auf Private zu übertragen, das führt auf die schiefe Bahn;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

denn beides sind originäre Aufgaben des Staates, meine Damen und Herren, und dürfen nicht outgesourct werden. Dass Ihnen nicht einmal die Tatsache zu denken gibt, dass der Deutsche Richterbund Ihre Pläne für verfassungswidrig hält, spricht auch eine deutliche Sprache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was, selbst die?)

Ähnlich liegen die Dinge bei der automatischen Kennzeichenerfassung. Sehenden Auges schaffen Sie hier ein Gesetz der anlasslosen und verdachtsunabhängigen Massenüberwachung und Schleierfahndung,

(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Wird sofort gelöscht! – Günter Baumann [CDU/CSU]: Gerade das machen wir nicht!)

welches verfassungsrechtlich nicht weniger heikel ist als das andere. Die Zulässigkeitsvoraussetzung haben Sie so wachsweich formuliert, dass es sich um einen Freifahrtschein handelt, und ich sage Ihnen: Das wird wieder nicht, wie bei den beiden Landesgesetzen, Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz zu schweigen, Herr Kollege Wendt, von der wahnsinnigen Arbeitsbelastung für die Bundespolizei, die damit einhergeht – wegen der Bearbeitung von Fehl­treffern. Ich wünsche frohe Verrichtung. Wenig Nutzen, viele Probleme – willkommen in der GroKo! Ein solches Gesetz machen wir nicht mit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

All dies macht es für Ihre dritte Regelung umso trauriger; denn die Bodycams für Polizeibeamte sind tatsächlich eine gute Idee. Auch wenn sie mit Blick auf terroristische Bedrohungslagen keinen Effekt haben, wären sie, isoliert gesehen, durchaus zustimmungswürdig und -fähig.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Dann stimmen Sie doch zu!)

In der Tat sind die gewalttätigen Übergriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte – das wurde schon angesprochen – ein sehr ernstes Problem. In bestimmten Situationen können Bodycams tatsächlich deeskalierend wirken.

(Günter Baumann [CDU/CSU]: Aha!)

Sie vermischen dieses Gesetz aber nicht nur mit der automatischen Kennzeichenerfassung – das ist ja wirklich ein Irrsinn –, sondern Sie bleiben auch völlig unklar hinsichtlich der Frage, wie die Auswertung des Datenmaterials genau erfolgen soll, welche Standards die Technik zu erfüllen hat und wie die Einhaltung der Rechte der Betroffenen gewährleistet wird, übrigens auch die der Beamtinnen und Beamten. Sie wären es den Bürgerinnen und Bürgern und den Polizeibeamtinnen und -beamten schuldig gewesen, diesen Gesetzentwurf nachzubessern, statt hier heute Nacht einen solchen Schnellschuss durchzupeitschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie müssen jetzt zum Schluss kommen, Herr von Notz.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Sie wollen hier eben kein ordentliches Gesetz machen. Sie wollen das hier heute Nacht abhaken. So erklärt sich auch dieser Debattenplatz; der Kollege Tempel hat es angesprochen. Wir haben hier vier Minuten, um drei so wesentliche Maßnahmen zu besprechen. Das zeugt von Lieblosigkeit gegenüber diesem Thema. So sieht der Stellenwert aus, den Sie den Bürgerrechten, der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und der Sicherheit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten beimessen.

Jetzt ist aber Schluss.

Hier nachts solche Gesetzentwürfe durchzuwinken, geht nicht an, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Danke schön. – Jetzt ist der Kollege Marian Wendt von der CDU/CSU-Fraktion dran.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7083081
Wahlperiode 18
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Erhöhung der Sicherheit durch Videotechnologie
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