09.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 221 / Tagesordnungspunkt 40

Renate KünastDIE GRÜNEN - Strafbarkeit von Sportwettbetrug

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass der Gesetzentwurf, den wir jetzt beraten, wieder einmal ein Musterbeispiel für den verfehlten Einsatz des Strafrechts durch die Große Koalition ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, Sport hat eine herausragende gesellschaftliche Rolle, und zwar sowohl der Profibereich als auch der Bereich der Amateure; der letzte Bereich mittlerweile vielleicht sogar mehr. Ja, Fairness und Integrität sind Grundvoraussetzungen, machen etwas aus und können gesellschaftlichen Einfluss haben. Aber Fairness und Integrität sind einschließlich des Verbots von Spielmanipulationen und des Verbots der Herausgabe von Insiderkenntnissen in den Regelkatalogen der Vereine und Verbände schon enthalten. Ich finde, dahin gehören sie, nicht in ein Strafgesetzbuch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen keinen zusätzlichen speziellen Straftatbestand. Mit dem, was bereits vorhanden ist, nämlich mit den §§ 263 und 299 StGB, Betrug sowie Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr, können wir gegen Sportwettbetrug vorgehen. Deshalb kommen wir zu dem Ergebnis: Dieses Gesetz ist unnötig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit stehen wir nicht alleine, sondern sowohl der Deutsche Anwaltverein als auch der Deutsche Richterbund haben in den Anhörungen von einem solchen Gesetz, von einer solchen Regelung abgeraten.

Die Integrität des Sports – das haben wir schon beim Doping diskutiert – und das rein wirtschaftliche Interesse der Sportwettenanbieter sind keine Rechtsgüter, die für meine Begriffe eine solche Rechtsqualität aufweisen, dass sie durch das Strafgesetzbuch geschützt werden müssen. Dann werden Sie demnächst auch Musikwettbewerbe, vielleicht den Eurovision Song Contest, Frau Präsidentin, den Architektenwettbewerb und andere Wettbewerbe strafrechtlich schützen müssen. Ich finde, dass solche Begriffe wie Integrität gar nicht in das Strafgesetzbuch gehören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun lasse ich einmal Details beiseite, die in diesem Gesetzentwurf noch enthalten sind. Was ist eigentlich Berufssport? Soll sich die Staatsanwaltschaft jetzt alle Spiele ansehen und dann, wenn eine Rote Karte fälschlicherweise gezogen wurde, am nächsten Morgen einen Prüfvorgang anlegen? Das ist nicht Ihr Ernst, oder? Ich finde, dass dieses Gesetz mehr Unklarheiten schafft als Klarheiten.

Wir sind der festen Überzeugung, dass hier etwas mit den Mitteln des Strafgesetzbuchs geregelt wird, was der Sport selbsttätig regeln kann und müsste. Warum sind wir hier am Gängelband vom DFB und anderen, um deren Hausaufgaben zu erledigen, damit Herr Grindel dann sagt: „Wir tun ja viel“?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir tun viel in einem Bereich, der wirtschaftlich nicht gerade darbt. Es gibt Jungs, die so viel Geld haben, dass sie sich fragen, wohin damit. Manche bringen es in die Karibik. Die haben so viel Geld, dass sie das Personal bezahlen könnten, das notwendig ist, um für andere Strukturen zu sorgen. So wie es in einem berühmten Lied heißt: „Es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter sein“, heißt es hier: Es kann die Integrität des Sportes nur das Werk des Sportes sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir könnten klare Vergaberegeln für Sportgroßveranstaltungen auflegen. In korruptionsbelasteten Staaten gibt es keine Sportgroßveranstaltungen mehr. Ich höre, dass 18 Vereine einen Wettanbieter als Sponsor haben. Was ist das denn? Da lebt man als Sponsor davon, dass einer auf Halbzeitergebnisse wettet oder darauf, dass die Rote Karte falsch ist. Meine Damen und Herren, das meinen Sie doch nicht ernst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielleicht könnten die Liga und der DFB einmal Seriositätskriterien in Bezug auf den Werbepartner festlegen. Sie sollten nicht mit Sportwettenanbietern zusammenarbeiten, die sich in ausländischen Niedrigsteuergebieten bewegen.

Ich kann Ihnen nur mit Fragen kontern: Warum gründet der Sport nicht endlich selbst eine unabhängige Anti-Korruptions-Agentur? Warum hat die Bundesregierung 2013 die angekündigte nationale Plattform gegen Spielmanipulationen nicht durch- und umgesetzt bzw. gar nicht eingerichtet? Warum soll eigentlich die Allgemeinheit finanziell und personell das regeln, was der Sport mit seinen Geldern tun kann? Warum sollen eigentlich wir mit den engen personellen Kapazitäten und angesichts eines Generalbundesanwalts, der den Ländern sagt: „Schickt mir mehr erfahrene Staatsanwälte“, etwas regeln, was der Sport selber regeln kann und muss?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Renate Künast. – Der nächste Redner: Matthias Schmidt für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7083097
Wahlperiode 18
Sitzung 221
Tagesordnungspunkt Strafbarkeit von Sportwettbetrug
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