Renate KünastDIE GRÜNEN - CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich finde – das sage ich an die Koalition gerichtet –, Sie haben eine Chance verpasst. Sie haben erstens die Chance verpasst, deutschen Unternehmen zu helfen, verstärkt auf den Weg der Nachhaltigkeit zu gehen. Es geht doch nicht um Anfeindung oder Bürokratie. Gucken Sie sich einmal die großen Unternehmen an, die international tätig sind. Sie wissen doch, woher ihre Produkte kommen, wie, unter welchen Bedingungen und Kriterien, sie hergestellt worden sind, und haben zur Zusammenstellung dieser Informationen die entsprechende Technik.
Herr Professor Hirte, Sie sagen, Sie hätten auch ein unbändiges und unstillbares Informationsbedürfnis, aber das alles würde nicht in diesen Bericht hineingehören. Sie schreiben es nicht hinein. Aber das ist für die Kunden am Ende uninteressant; denn im digitalen Zeitalter tauschen wir die Daten aus. Wir wissen, wer in Bangladesch zu welchen Bedingungen produziert.
(Zuruf des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
– Nein. – Man findet das am Ende alles heraus. Dann müssten Sie doch eigentlich an der Stelle denken, dass man es lieber systematisch aufschreiben lassen sollte; denn es ist dann wenigstens ein Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen,
(Zuruf des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])
und sie bauen es tatsächlich in ihr Management ein.
Zweitens haben Sie es bei dem, was Sie dann irgendwie aufgrund der europäischen Richtlinie regeln mussten – sonst hätten Sie es ja gar nicht angepackt –, verpasst, eine Regelung zu schaffen, die zu aussagekräftigen und vergleichbaren Ergebnissen führt. Sie haben blinde Flecken in diesem Gesetz. Ich verstehe gar nicht, warum man die Unternehmen nicht dazu verpflichten sollte – man kann das im Rahmen der Richtlinie –, dass sie über die Risiken für Mensch und Umwelt berichten, die sich aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit ergeben. Dann würden sie auch berichten, wie sie diese minimieren wollen – das interessiert uns doch.
Aber am Ende ist es so: Bei Ihnen gilt die Berichtspflicht nur, wenn dadurch Gewinneinbußen für Unternehmen drohen; das soll das Unternehmen selber beurteilen. Für wie blöd halten Sie uns, wenn Sie meinen, wir glaubten, dass ein Unternehmen schreibt: Wir verhalten uns beim Färbeprozess so, dass wir das ganze Färbewasser in den nächsten Fluss gießen; das wird uns wirtschaftlich schaden, und deshalb müssen wir darüber berichten. – So macht die Geschichte meines Erachtens überhaupt keinen Sinn. Die Unternehmen können jetzt faktisch selber festlegen, über was sie berichten und über was sie lieber nicht berichten. Meine Damen und Herren, ich sage es noch mal: Die NGOs, die Gewerkschaften merken es am Ende doch – warum dann nicht systematisch machen? Warum nutzen Sie nicht die Chancen, die in der europäischen Richtlinie liegen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was haben Sie bei anderen konkreten Punkten gemacht? Zum Anwendungsbereich – wer ist berichtspflichtig? – wurde schon gesagt: nur kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern. In der Antwort auf eine Frage des Kollegen Gerhard Schick kam damals heraus:
Nach einer vorläufigen Schätzung des Bundesanzeigers … dürften … ca. 300 Unternehmen berichtspflichtig sein.
Wer ist draußen? So unbedeutende Unternehmen wie zum Beispiel die Deutsche Bank. Sonst ist die Deutsche Bank überall dabei, nur hier soll sie nicht über Nachhaltigkeit usw. berichten. Aldi ist nicht dabei, obwohl sie große, internationale Auftraggeber in vielen Bereichen sind, auch in Entwicklungsländern, mit langen Produktions- und Lieferketten. Warum sollen sie eigentlich nicht berichten, meine Damen und Herren? dm, Ferrero und viele andere müssen auch nicht berichten. Daran sieht man doch, wie eng Ihre Umsetzung der CSR-Richtlinie ist, meine Damen und Herren. Wir meinen, es muss nicht nur um börsennotierte Unternehmen gehen, sondern auch um Unternehmen gehen, die wegen ihrer Größe von öffentlichem Interesse sind.
Sie sind gerade auf die Standardisierung eingegangen. Sie machen nicht einmal die Vorgabe, dass man den Bericht anhand standardisierter Rahmenwerke erstellen muss, also zum Beispiel anhand der Standards der Global Reporting Initiative, des Deutschen Nachhaltigkeitskodex oder der Leitsätze der OECD.
(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Das geht verfassungsrechtlich nicht!)
In der Anhörung gab es vernichtende Kritik. Alle haben gesagt, das mache keinen Sinn, weil die Berichte nichts aussagten, wenn man sie nicht vergleichen könne.
(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Da war kein Verfassungsrechtler dabei!)
Jetzt sagen Sie: Okay, das ändern wir. – Man soll dann angeben, warum man ein bestimmtes Rahmenwerk nicht benutzt. Toll! Dann würde ich als Unternehmen einfach schreiben: Das passt bei uns nicht.
Ihre Umsetzung der Richtlinie, meine Damen und Herren, führt am Ende zu Berichten, die am Ende nicht aussagekräftig, nicht vergleichbar sind. Damit nutzt sie aber auch nichts – nicht den Unternehmen und nicht den Kunden. Warum Sie am Ende noch sagen, die Verbraucher gehörten nicht hinein, verstehe ich gar nicht; denn für sie, meine Damen und Herren, produziert man doch am Ende.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Können Sie an die Redezeit denken?
Ja. – Ich bin der festen Überzeugung: Transparenz ist das gute Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher – zu wissen, wie produziert wurde, was die Umweltauswirkungen sind. Sie selber haben ja gesagt, Sie wollten nachhaltigen Konsum. Weil Sie das alles nicht schaffen, haben Sie am Ende nicht nur Schlechtes für die Verbraucher getan, sondern Sie nutzen auch nicht die Chancen, die für die deutschen Unternehmen darin lägen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Renate Künast. – Nächster Redner: Dr. Hans-Joachim Schabedoth für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7083106 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 221 |
Tagesordnungspunkt | CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz |