10.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 222 / Tagesordnungspunkt 52 + TOP 29

Gabriele FograscherSPD - Gefahren durch Waffen

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Waffen – ja, das stimmt – sind und bleiben gefährliche Gegenstände. Deshalb ist es gerechtfertigt, dass jemand, der in Deutschland legal eine Waffe besitzen will, zahlreiche Voraussetzungen erfüllen muss.

Bestimmte Waffentypen dürfen ab dem 18. Lebensjahr besessen werden, andere erst ab Vollendung des 21. Lebensjahres. Für sie gilt: Bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ist ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über die geistige Eignung vorzulegen. Der Antragsteller muss zuverlässig sein. Zuverlässigkeit fehlt zum Beispiel bei Verurteilung wegen eines Verbrechens oder Verurteilung zu 60 Tagessätzen und mehr, bei wiederholtem und gröblichem Verstoß gegen Waffengesetz, Sprengstoffgesetz oder Bundesjagdgesetz sowie bei Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung.

Wer eine Waffe erwerben will, muss persönlich geeignet sein. Das heißt, Alkohol- oder Suchtmittelabhängigkeit, psychische Erkrankung oder Gefahr eines unvorsichtigen oder unsachgemäßen Umgangs widersprechen einer solchen Eignung. Zudem muss waffenrechtliche und rechtliche Sachkunde nachgewiesen werden. Die Haftpflichtversicherung, die Sie in Ihrem Antrag fordern, ist bereits jetzt Pflicht. Der Antragsteller muss mindestens zwölf Monate Mitglied in einem anerkannten Schießsportverein sein und dort regelmäßig schießen. Er darf nur die Waffen erwerben, die er für seine Schießdisziplinen benötigt. Die ordnungsgemäße Aufbewahrung muss nachgewiesen werden und kann durch verdachtsunabhängige Kontrollen jederzeit von den zuständigen Behörden überprüft werden. Verstöße dagegen sind strafbewehrt.

Die überwiegende Mehrheit der Waffenbesitzer verhält sich rechtstreu. Das deutsche Waffenrecht ist streng und hat sich bewährt. Weitere Verschärfungen bringen nicht mehr Sicherheit; das hat die Anhörung, die wir im November 2016 durchgeführt haben, ergeben. Das aber scheinen die Grünen überhört zu haben. Denn sie schieben heute einen weiteren Antrag nach, der dem heute abschließend zu beratenden Antrag sehr ähnlich ist; in Teilen ist er sogar wortgleich. Ihre Forderungen aber sind reine Placebos. Ich nenne einige Beispiele.

Der Titel Ihres neuen Antrags lautet: „Mehr Sicherheit durch weniger Waffen“. Das ist mit Zahlen nicht zu belegen. Die Anzahl der legalen Waffen steigt, die Zahl der Straftaten mit Schusswaffen nimmt aber in den letzten Jahren kontinuierlich ab, so die Polizeiliche Kriminalstatistik.

Weiter schreiben Sie in Ihrem Antrag:

Die gegenwärtige Sicherheitslage, die insbesondere durch die Bedrohung durch rechtsextreme und islamistische Anschläge geprägt ist, lässt es jedoch notwendig erscheinen, weitergehende Regelungen im Waffenrecht zu treffen.

Einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen, die wir in letzter Zeit leider erlebt haben, und dem Waffenrecht besteht aber nicht. Der Anschlag in Würzburg wurde mit einer Axt verübt. In Ansbach explodierte eine Splitterbombe. Der Anschlag in München war ein Amok­lauf. Die Waffe erwarb der Täter illegal im Darknet. Die Waffe, die bei dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt benutzt wurde, war illegal erworben worden. Keine dieser Taten hätte durch ein schärferes Waffenrecht oder das Verbot bestimmter Waffentypen verhindert werden können.

Weiter erklären Sie in Ihrem Antrag, dass laut Polizeilicher Kriminalstatistik 2015 mehr als 15 000 Tatverdächtige erfasst wurden, die bei der Begehung der Tat eine Schusswaffe mitgeführt haben. Ich will mich nicht über diese Zahlen streiten. Ich habe sie so jedenfalls nirgendwo gefunden. Die Frage ist doch: Um was für Waffen handelt es sich? Handelt es sich um erlaubnisfreie Waffen, um legale Waffen oder um illegale Waffen? Dies wird in der Statistik nicht erfasst.

Sie fordern immer wieder, dass halbautomatische Waffen, die Kriegswaffen ähnlich sind, verboten werden sollen. Das Aussehen einer Waffe sagt aber nichts über ihre Gefährlichkeit aus. Ich darf Sie einmal kurz daran erinnern: Die Streichung des Verbots von kriegswaffen­ähnlichen halbautomatischen Schusswaffen war kein Versehen der damaligen rot-grünen Bundesregierung. Wir haben das bewusst gemacht; denn es gab große Abgrenzungsprobleme bei der Frage, was eine kriegswaffen­ähnliche Schusswaffe ist und was nicht. Das Verbot hat in der Praxis nie gegriffen.

Kurios ist auch Ihre Forderung nach einer Abkühlphase zwischen Erwerb und Erhalt einer Waffe. Was soll das bringen? Der einzig vernünftige Vorschlag, den Sie machen und den wir teilen, ist die Regelabfrage bei den Sicherheitsbehörden vor Erlaubniserteilung für den Erwerb, den Besitz und das Führen einer Waffe.

Um wirklich mehr Sicherheit zu schaffen, hat die Bundesregierung nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags umsetzt. Die technische Entwicklung hat auch vor der Verbesserung der Sicherheitsbehältnisse für die Aufbewahrung von Waffen und Munition nicht haltgemacht. Deshalb soll das künftige Sicherheitsniveau dieser Behältnisse an den aktuellen Stand der Technik angepasst werden. Das gilt nur für den Erwerb neuer Sicherheitsbehältnisse. Legalwaffenbesitzer und -besitzerinnen können die vorhandenen, den alten Standards entsprechenden Behältnisse weiterhin nutzen. Deshalb soll eine Besitzstandsregelung gelten.

Das Waffengesetz ist ein kompliziertes Gesetz, voll mit Verweisen, technischen Normen usw. Das erschwert den Vollzug. Deshalb werden technische Normen dem Gesetz entnommen und auf der Ebene einer Rechtsverordnung geregelt. Anregungen der Kommunen und der Länder wurden umgesetzt, um den Vollzug leichter und praktikabler zu machen. Die neue, einfachere Schematisierung bringt auch Erleichterungen für die Waffenbesitzer mit sich. Diese hatten teilweise Probleme mit der Komplexität des Gesetzes. Das führte nicht selten unwillentlich zu strafbewehrten Rechtsverstößen. Diese Fehlerquelle soll nun minimiert werden.

Die Amnestieregelung soll mit diesem Gesetzentwurf erneut, auf ein Jahr befristet, umgesetzt werden. Somit besteht die Möglichkeit, unerlaubt besessene Waffen oder Munition straflos abzugeben. Eine solch befristete Amnestieregelung haben wir bereits im Juli 2009 bei der Novellierung des Waffenrechts in das Gesetz geschrieben. In einer Kleinen Anfrage hatten wir nachgefragt, wie viele Waffen aufgrund der Amnestieregelung abgegeben wurden. In der Antwort der Bundesregierung heißt es:

Die Amnestieregelung ... hat bis Ende 2009 zur bundesweiten Abgabe von mehr als 200 000 Waffen bei Waffenbehörden und Polizeidienststellen der Länder geführt.

Diese rund 200 000 Waffen wurden in weniger als sechs Monaten abgegeben. Grundsätzlich werden diese Waffen vernichtet. Nur zum Beispiel besonders wertvolle Stücke werden in Sammlungen aufgenommen. Diese Zahlen zeigen: Die Amnestieregelung hat sich bewährt. Deshalb ist es sinnvoll und richtig, sie erneut ins Gesetz zu schreiben. Je weniger unerlaubt besessene Waffen im Umlauf sind, desto besser.

Ebenfalls mit diesem Gesetz soll die EU-Deaktivierungsdurchführungsverordnung in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Verordnung regelt die Unbrauchbarmachung von Schusswaffen sowie die Einzelprüfung jeder deaktivierten Schusswaffe. Seit April 2016 ist die Verordnung verbindliches Recht mit Anwendungsvorrang. Nun folgt die notwendige Umsetzung in nationales Recht.

Wenn wir schon Änderungen am Waffenrecht vornehmen, sollten wir in den anstehenden Beratungen darüber diskutieren, wie wir es verhindern können, dass Extremisten oder sogenannte Reichsbürger legal an Waffen kommen. Es kann nicht sein, dass Menschen, die gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung kämpfen, diese abschaffen wollen oder unseren Staat erst gar nicht anerkennen, legal Schusswaffen erwerben oder besitzen können. Deshalb fordern wir eine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzämtern vor Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb, den Besitz und das Führen einer Waffe. Ich hoffe, wir können unseren Koalitionspartner von der Notwendigkeit dieser Maßnahme überzeugen.

(Beifall bei der SPD)

Eines möchte ich an dieser Stelle nochmals betonen: Wir stellen keine Schützin und keinen Schützen, keine Jägerin und keinen Jäger, auch keine Sammlerin und keinen Sammler unter Generalverdacht. Wir stellen auch niemanden unter Terrorverdacht, wie in vielen Mails, die mich in den letzten Tagen und Wochen erreicht haben, behauptet wird. Wir suchen immer nach einer Balance zwischen den berechtigten Interessen der legalen Waffenbesitzer auf der einen Seite und den um die öffentliche Sicherheit besorgten Bürgerinnen und Bürgern auf der anderen Seite. Wir respektieren die Argumente beider Seiten. Wir haben daher ein wachsames Auge auf das Waffenrecht. Wir wollen Lösungen, die Sport und Brauchtumspflege nicht unzumutbar beschränken, sondern die Bevölkerung effizient vor dem Missbrauch legaler Schusswaffen schützen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Fograscher. – Jetzt hat als letzter Redner in dieser Aussprache Michael Frieser von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7083228
Wahlperiode 18
Sitzung 222
Tagesordnungspunkt Gefahren durch Waffen
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