Markus PaschkeSPD - Entlastung Alleinerziehender
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kurt Schumacher hat einmal gesagt: „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die Wirklichkeit ist: Die wenigsten Menschen suchen es sich aus, ihre Kinder alleine zu erziehen.
Viele von uns kennen die Situation, dass die Gemeinsamkeiten in einer Partnerschaft irgendwann auch einmal aufgebraucht sein können. Dann ist eine Trennung der beste Weg für alle Beteiligten – auch für die Kinder übrigens. Die meisten Eltern wollen ihre Kinder jedoch trotzdem gemeinsam erziehen und regelmäßig Kontakt zu ihnen haben. Wenn man in dieser ohnehin schwierigen Situation auch noch auf Grundsicherung angewiesen ist, dann beginnen die Probleme; denn die Rechtslage ist kompliziert und fördert eher den Zwist als den notwendigen Zusammenhalt der Eltern.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts muss im Zweifel stunden- oder tageweise nachgewiesen werden, bei welchem Elternteil sich das Kind aufgehalten hat.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das könnten wir ändern!)
Dementsprechend wird dann das Sozialgeld des Kindes gekürzt und, falls beide Eltern in der Grundsicherung sind, dem Expartner zugerechnet. Ich habe Bescheide gesehen, die 200 Seiten dick waren. Das ist zum einen – mit Verlaub – totaler Unsinn und führt zum anderen häufig zum Streit.
(Bernd Rützel [SPD]: So ist das! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das könnten wir heute ändern!)
Das müssen wir weder den Kindern noch den Eltern und auch nicht den Mitarbeitern in den Jobcentern antun. Deshalb hat die SPD bei den Verhandlungen zum Gesetz zur Rechtsvereinfachung im SGB II und auch zum Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz vorgeschlagen, einen Umgangsmehrbedarf in drei Stufen einzuführen – einfach für die Eltern und das Jobcenter und gut für die Kinder. Dieser aus meiner Sicht gute Vorschlag ist leider am Finanzministerium und an der Union gescheitert.
(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Katja Kipping [DIE LINKE]: Da würde ich mich aber unter dem Tisch verstecken und mich schämen!)
Im Vergleich zu anderen Ausgaben ging es hier gerade einmal um 60 Millionen Euro, wohlgemerkt: bei einem Haushaltsvolumen von 19,2 Milliarden Euro für die Grundsicherung.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 18 Milliarden, von denen Sie nicht wissen, was Sie damit tun sollen!)
Wer, wenn nicht die Kinder und deren Eltern, die Hilfe benötigen, sollte im Mittelpunkt der Politik stehen?
(Beifall bei der SPD – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja eben! Machen Sie mal!)
Ich bekomme einen dicken Hals, wenn ich manche Kolleginnen und Kollegen in Sonntagsreden über Kinder und Familien als unsere Zukunft reden höre. Bei einigen liegen nämlich das Reden und das Handeln so weit auseinander, dass mir glatt die Luft wegbleibt.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie von sich? – Uwe Schummer [CDU/CSU]: Komm mal zur Sache!)
– Das war jetzt etwas Grundsätzliches zum Thema. Und dass mir manchmal die Luft wegbleibt, passiert mir leider häufig bei den Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners;
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Konkret? – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Jetzt mal Details!)
denn wir hätten das Problem schon lösen können.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben wir demnächst Wahlkampf, oder wie ist das?)
Nun aber zum Antrag. Auch dazu muss ich etwas sagen. In der Analyse werden leider zwei Bereiche vermischt, die für sich gesehen gar nicht so falsch sind, aber nichts direkt miteinander zu tun haben. Die Armutsgefährdung Alleinerziehender können wir nämlich nicht mit dem Umgangsmehrbedarf bekämpfen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, sondern mit guten Angeboten zur Kinderbetreuung, gleichen Bildungschancen, Qualifizierung und Weiterbildung der Eltern und vor allem mit guter und gut bezahlter Arbeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Umgangsmehrbedarf soll die zusätzlichen Bedürfnisse der Kinder decken, wenn sie sich beim anderen Elternteil befinden. Das reicht vom Spielzeug über die Zahnbürste bis hin zum Zoobesuch. Dabei macht es aber schon einen Unterschied, ob der Aufenthalt einen Tag oder fünfzehn Tage im Monat dauert. Deshalb finde ich die von Ihnen vorgeschlagene Pauschalierung zu grob.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die SPD will mal wieder mehr Bürokratie!)
Sie schafft auch neue Ungerechtigkeiten; denn sie würde zusammenlebende Paare mit Kindern schlechterstellen.
Ich wage für den letzten Tagesordnungspunkt heute eine Prognose: Wenn man die Reden verfolgt, wird man feststellen, dass fast alle das gleiche Ziel formulieren, nämlich diejenigen zu unterstützen, die das Beste für ihre Kinder wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen – das richte ich an alle Fraktionen –, wenn das ernst gemeint ist, können wir noch in dieser Legislaturperiode mit allen Fraktionen eine gemeinsame Regelung schaffen.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, dann macht mal! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legen Sie doch mal ein Gesetz vor!)
Die SPD wird auf jeden Fall nicht lockerlassen und sich weiter für diejenigen einsetzen, die sich gemeinsam um ihre Kinder sorgen und kümmern wollen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir stimmen zu!)
Das Wort hat die Kollegin Katja Kipping für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7083306 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 222 |
Tagesordnungspunkt | Entlastung Alleinerziehender |