Matthias MierschSPD - Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst muss man, glaube ich, an einem solchen Tag betonen, auch angesichts der Debatten, die wir in den letzten Jahren anlässlich der Jahrestage von Fukushima und Tschernobyl geführt haben: Der Weg in die Atomkraft war und ist eine Sackgasse.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zwar wird heute immer noch über die Atomenergie philosophiert und mancher sagt, dass das doch eigentlich eine sichere und vor allem günstige Technologie ist; aber am Thema Endlagerung zeigt sich: Wenn wir die Kosten, die mit der Endlagerung verbunden sind, von vornherein eingepreist hätten, wäre die Atomenergie alles andere als günstig und verantwortbar.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe noch sehr genau im Ohr, was einige Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU hier angesichts der Gedenktage gesagt haben. Deshalb sage ich: Lassen Sie uns heute wirklich den absoluten Schlussstrich ziehen und festhalten: Es darf nie wieder darüber geredet werden, dass AKWs über 2022 hinaus in Deutschland betrieben werden sollten.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich darf mich dem Dank meiner Kolleginnen und Kollegen an Steffen Kanitz, auch an Hubertus Zdebel und vor allen Dingen an Sylvia Kotting-Uhl anschließen. Sylvia, ich finde, es wäre gerecht gewesen, dir heute ein paar Minuten Redezeit einzuräumen. Umso größer ist der Dank an dich für das, was du geleistet hast.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich lobe hier und heute ganz bewusst auch das Bundesumweltministerium. Ich möchte meinen Dank zum Ausdruck bringen. Das, liebe Barbara Hendricks, was deine Leute und du in den letzten Jahren geleistet haben, war eine Herkulesaufgabe. Wir konnten uns immer darauf verlassen, dass ihr konstruktive Vorschläge unterbreitet, die auch in unserem Sinne sind. Dafür ein herzliches Dankeschön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da das alles ja nicht nur eine Einheitssoße sein soll, möchte ich als niedersächsischer Abgeordneter, lieber Ministerpräsident Kretschmann, dann doch betonen: Das, was Stephan Weil und Stefan Wenzel hier in den letzten Jahren angestoßen haben, auch mit Ihnen zusammen, ist, glaube ich, das gewesen, was als größtmöglicher Konsens erreichbar war.
Aber ich sage ganz bewusst, auch deshalb, weil ich als Anwalt viele Menschen aus dem Wendland vertreten habe und ich mich nach wie vor verantwortlich fühle: „Weiße Landkarte“ kann man so einfach sagen; aber wir haben Erkenntnisse – wir hatten in diesem Haus auch einen Untersuchungsausschuss, und ich sage das nach wie vor, auch wenn Gorleben erst einmal im Topf drin ist –, die allemal ausreichen, um festzustellen, dass Gorleben nicht geeignet ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es war ganz interessant: Als wir vor einigen Wochen den Gesetzentwurf vorgestellt haben, habe ich einen Kommentar gelesen, der zum Ausdruck brachte: Das, was wir hier machen, ist eine Falle für die Bürgerinnen und Bürger. Wir würden Öffentlichkeitsbeteiligung da herstellen, wo sie eigentlich überhaupt nicht angezeigt wäre. Die Überschrift lautete: „Lasst Experten entscheiden“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist spannend, dass nach wie vor – wir haben Meinungsfreiheit – so etwas geschrieben wird. Aber gerade die Atomtechnologie, gerade die Frage der Endlagerung ist doch ein Beispiel dafür, dass Experten sich absolut irren können. Was haben sie gesagt? „ Die Asse ist sicher.“ Jetzt sehen wir 10 000 Liter Wasser am Tag. Es kann doch nicht sein, dass man jetzt einfach blind Experten vertraut!
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Ich hoffe, das gilt für Klima auch, ebenso für das EEG!)
– Herr Lengsfeld, Sie sind ja noch dran; dazu können Sie gleich noch etwas sagen.
(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Na klar! Mache ich auch; werde ich tun!)
Stattdessen haben wir hier verschiedene Institutionen implementiert, die nicht ganz unumstritten gewesen sind.
Herr Präsident Lammert, ich erinnere mich noch: Als ich mit Rebecca Harms den Vorschlag zur Einrichtung einer Kommission gemacht habe, gab es zumindest bei Ihnen sehr große Skepsis. Ich glaube, nach zwei Jahren Arbeit dieser Kommission können wir feststellen, verbunden mit einem herzlichen Dank an Michael Müller und Ulla Heinen-Esser, dass es sich gelohnt hat, bei dieser großen Menschheitsaufgabe neben dem Parlament ein kontinuierlich tagendes Sachverständigengremium zu implementieren, dessen Mitglieder aus den unterschiedlichsten Gruppen der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft kamen. Ich bin jedenfalls dankbar, dass wir diesen Weg gegangen sind.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Zum anderen haben wir jetzt ein Gremium in den Gesetzentwurf geschrieben, das Nationale Begleitgremium, über das ebenfalls viel philosophiert worden ist: Wollen wir einen Wächterrat, der über Bundestag und Bundesrat steht? So wurde mir von einem Rechtsprofessor sogar Verfassungsbruch vorgeworfen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist meines Erachtens altes Denken. Wenn wir etwas aus dieser Geschichte der Atomkraft lernen, dann ist es doch, dass wir ein bisschen demütig im Hinblick auf Entscheidungskulturen und auf die Art und Weise sind, wie transparent und hinterfragend wir an eine solch große Frage herangehen.
Deswegen finde ich es richtig, dass die nachfolgenden Bundestage und auch der Bundesrat weiterhin von einem Gremium begleitet werden, das auch die Macht hat, Alarm zu schlagen, wenn es das Gefühl hat, hier geht etwas unfair zu. Transparenz und Rechtfertigungsdruck werden die einzigen Möglichkeiten sein, die Konflikte, die in den nächsten Jahrzehnten in dieser Frage vor uns liegen, zu bewältigen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für eine Kurzintervention erhält die Kollegin Kotting-Uhl das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7089244 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes |