23.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 225 / Tagesordnungspunkt 4

René RöspelSPD - Arbeit 4.0 - Arbeitswelt von morgen

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank, dass ich für wenige Minuten die Gelegenheit habe, als Forschungspolitiker zu einem Thema zu sprechen, das seit 150 Jahren das Kernthema der Sozialdemokratie ist, nämlich unter welchen Lebens- und Arbeitsbedingungen Menschen leben und wie wir es schaffen, diese Bedingungen zu verbessern. Immer dann, wenn wir regierungsführend waren, haben wir dieses Thema politisch weiterentwickelt.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Mit Hartz IV! Ja!)

– Ich glaube, dass das nicht unbedingt ein Beitrag war, Arbeit zu stärken.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber recht hat er! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das sieht Martin aber anders!)

Aber darüber kann man vielleicht an anderer Stelle noch einmal diskutieren.

Wir haben in den 70er-Jahren unter einem Forschungsminister der SPD, Herrn Matthöfer, den Ältere vielleicht noch kennen, als Antwort auf die Herausforderung einer Computerisierungswelle, wie man sie damals noch nicht kannte, ein Programm mit dem Titel „Humanisierung des Arbeitslebens“ eingeführt. Es ging darum, die Lebens- und vor allen Dingen die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an ihrem Arbeitsplatz zu verbessern, vor allem aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz heraus. Seitdem sind Arbeits- und Gesundheitsschutz auch keine esoterischen Forderungen von Gewerkschaften mehr, sondern etablierter Bestandteil einer sozialen Marktwirtschaft, die auch funktioniert.

(Beifall bei der SPD)

Das Programm ist übrigens dankenswerterweise von Heinz Riesenhuber unter der Union fortgesetzt worden, aber dann irgendwie versackt. Leider hat Deutschland seine führende Stellung im Bereich Arbeitsforschung verloren.

Umso erfreuter sind wir, dass wir in den Koalitionsvertrag hineinverhandeln konnten, dass wir uns unter dem Stichwort „Forschung für die Arbeit von morgen“ wieder damit befassen, welchen Herausforderungen wir in den Bereichen Arbeit, Dienstleistungen, aber auch Produktion in unserer Gesellschaft begegnen werden, um gewappnet zu sein und in einer modernen arbeitsintensiven und wohlstandssichernden Gesellschaft und Arbeitsform weiterzukommen. Seitdem haben wir beispielsweise für den Bereich Arbeits-, Produktions- und Dienstleistungsforschung den Forschungsetat mittlerweile auf 100 Millionen Euro erhöht. Das ist ein wichtiges Signal dafür, sich mit Neuem auseinanderzusetzen und auf Fragen Antworten zu finden.

Ich bin sehr dankbar, dass das Arbeitsministerium in eigener Initiative zuerst ein Grünbuch und dann ein Weißbuch vorgestellt hat, in dem es um die Fragestellung geht: Arbeit 4.0, was bedeutet das? Das bedeutet jedenfalls nicht, Arbeitnehmer an neue technische Entwicklungen anzupassen, sondern, Arbeitsplätze und -bedingungen so zu gestalten, dass Menschen in diesem Land weiterhin gesund, zufrieden und glücklich arbeiten können und nicht an ihrer Arbeit kaputtgehen müssen. Dieses Grünbuch ist am Ende eines längeren Prozesses im November 2016 vorgelegt worden.

Ich bin froh, dass auch die Grünen im November 2016 den Antrag, über den wir heute diskutieren, erstmalig eingebracht haben. Dort werden einige Punkte aufgeführt, die ich durchaus für sinnvoll halte, zum Beispiel, wenn es um die Arbeitnehmermitbestimmung und den Beschäftigtendatenschutz geht. Vieles im Antrag der Grünen greift aber zu kurz oder fehlt gänzlich. So heißt es dort, Aufgabe der Politik sei, „einen Rahmen zu schaffen, der es ... den Beschäftigten ermöglicht, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten“. Das ist uns zu wenig. Wir wollen Gesellschaft gestalten und immer versuchen, einen Schritt voraus zu sein. Dazu bedarf es übrigens auch einer vernünftigen Forschung.

In gewissen Punkten können wir dem Antrag der Grünen nicht zustimmen, weil Dinge fehlen, die für die Zukunft wichtig sind. Wissensintensive Dienstleistungen – wir kümmern uns darum besonders intensiv und haben dazu schon viel auf den Weg gebracht – und personen- bzw. menschennahe Dienstleistungen fehlen komplett. Sicherlich kann man sich für ein Recht auf Homeoffice aussprechen. Aber im Hinblick auf die Diskussion über die Entgrenzung von Arbeit sage ich: Das kann auch ein großer Nachteil im Sinne eines latenten Zwangs sein. Ich stelle mir dabei eine Frau vor – davon werden hauptsächlich Frauen betroffen sein –, die zu Hause sitzt,

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Genau! Mit dem Kind auf dem Schoß!)

das Kind auf dem Arm hat und gleichzeitig am Computer Homeoffice macht. Eine solche Entwicklung will ich auf keinen Fall haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das alles muss sehr differenziert betrachtet werden.

Noch ein anderer Aspekt. Im Pflegeheim gibt es kein Homeoffice, sondern Nachtschichten. Wenn wir nicht wie Japan – dort ist das selbstverständlich – auf Robotik in der Pflege setzen, sondern die Arbeitsbedingungen für die Pflegenden so gestalten wollen, dass sie trotz Schichtarbeit 20 Jahre in ihrem Beruf durchhalten und dass der menschliche Aspekt in der Pflege erhalten bleibt, dann müssen wir viel tiefer gehen als der Antrag der Grünen. Ich bin ganz froh, dass die Arbeitsministerin Andrea Nahles in die Fußstapfen von Hans Matthöfer tritt und dass wir für eine Humanisierung der Arbeit eintreten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat Stephan Stracke für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7089288
Wahlperiode 18
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Arbeit 4.0 - Arbeitswelt von morgen
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