Waltraud WolffSPD - Arbeit 4.0 - Arbeitswelt von morgen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte zum Thema „Arbeit 4.0“ – dazu liegt ein Antrag der Grünen vor – möchte ich mit einem Sprichwort anfangen: In der Kürze liegt die Würze. – Oft stimmt das, aber bei diesem Antrag der Grünen kann ich das leider nicht sehen. Auf drei Seiten haben Sie versucht, zusammenzufassen, wie Arbeit 4.0 in der Zukunft gestaltet werden soll. Aber Ihr Antrag – ich kann es nicht anders sagen – ist noch unzureichend.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es ist wenigstens einer! Von euch kommt gar nichts!)
Ich sage Ihnen auch, woran Ihr Antrag krankt.
Neue Technologien verändern unsere Gesellschaft; darüber sind wir uns ganz einig. Aber wie diese Veränderungen aussehen, das ist nicht in Stein gemeißelt. Hier können und müssen wir gestalten; das hat die Debatte gezeigt. Herr Kollege Whittaker – wo ist er denn überhaupt? nicht mehr da –, ich jedenfalls stehe nicht dafür, dass wir in Deutschland amerikanische Verhältnisse einführen. Das wollen wir als Sozialdemokraten nicht.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte über Digitalisierung. Deshalb ist es so wichtig, dass der Arbeit-4.0-Prozess, den Frau Ministerin Nahles angestoßen hat, in ganzer Breite diskutiert wird. Dabei werden die Chancen genauso aufgezeigt wie die Veränderungen, die zu Konflikten führen; das haben wir schon besprochen. Dazu muss ich Ihnen von den Grünen sagen: Sie gehen diesem Konflikt mit Ihrem Antrag nicht auf den Grund, sondern aus dem Weg. Sie leisten nicht, was die Überschrift sagt. Sie gestalten nicht, sondern zeigen punktuell auf, wo man Anpassungen vornehmen kann. Aber das, meine Damen und Herren, reicht gerade nicht.
(Beifall bei der SPD)
Ich mache das einmal an Beispielen fest, die heute noch nicht genannt worden sind:
Mein Kollege Röspel hat auf die Betriebsräte hingewiesen und darauf, dass Sie ihnen mehr Befugnisse im Arbeitsschutz einräumen wollen. Gut – aber nur im Prinzip. Ihre Lösung ignoriert einfach, dass wir ein Problem bei der Mitbestimmung haben: Die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Betriebsräte vertreten werden, sinkt stetig. Gerade in den Beschäftigungsformen der digitalen Arbeitswelt haben wir zunehmend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht vertreten sind. Dafür bieten Sie keine Lösung an.
(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das war doch Ihre Aufgabe! Sie regieren doch!)
Sie stellen zu Recht fest, dass neben den Anforderungen auch die Formen der Beschäftigung mit der Digitalisierung eine Änderung erfahren. Sie schreiben, dass die Grenzen zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit verschwimmen. Richtig. Das haben Sie alles sehr schön dargestellt. Aber hinter dieser Entwicklung verbirgt sich doch nicht nur eine freiwillige Selbstständigkeit. Dazu sagen Sie kein Wort.
Die Unternehmen, meine Damen und Herren, organisieren sich zunehmend anders. In verschiedenen Branchen arbeiten immer weniger festangestellte Arbeitnehmer gemeinsam mit Befristeten, Ausgelagerten und Leiharbeitern sowie mit Menschen mit Werkverträgen zusammen.
Übrigens ist es so: Im Bereich des Arbeitslosengeldes II haben wir – insofern haben wir ja eine Antwort auf etwas gegeben, das wir schuldig geblieben waren – die Weiterbildungsprämie eingeführt, die bei einem Zwischen- oder Abschlusszeugnis gezahlt wird.
(Beifall bei der SPD)
Und was noch viel wichtiger ist: Wir haben eine weitere Verbesserung hinbekommen. Wer jetzt im Arbeitslosengeld II ist und einen Ausbildungsvertrag hat, dem wird nicht, wie es bisher der Fall war, automatisch das Arbeitslosgengeld II gekürzt. Das ist eine Errungenschaft, auf die ich auch einmal hinweisen möchte.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Digitalisierung führt in Bezug auf die Arbeitsplätze zu einer immer weiter gehenden Forcierung, und wir wissen eigentlich nicht, wann die Spitze erreicht sein wird. Wir wissen nicht, wo das wirklich hinführt. Mein Sohn ist ein hochspezialisierter IT-Techniker und Programmierer. Er arbeitet von zu Hause aus und findet das toll; aber das gilt doch nicht für alle. Gilt das denn auch für den selbstständigen Paketboten, der immer weiter unter Druck gerät? Gilt das für den Schichtarbeiter oder für die Servicekraft im Hotel? Die kann das doch gar nicht mehr aushalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben über Jahre beobachtet, wie Lohndrückerei durch Minijobs, Leiharbeit und Werkverträge zur Normalität erhoben worden ist.
Frau Kollegin, ich muss auch Sie bitten, zum Schluss zu kommen.
Ich komme sofort zum Schluss. – Im Weißbuch „Arbeiten 4.0“ steht, dass wir bei aller Notwendigkeit der Flexibilisierung eine systematische Verlagerung der Risiken und der Verantwortung auf Arbeitnehmer nicht dulden können.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, die Chancen zu nutzen. Dafür brauchen wir aber einen Rahmen; wir brauchen eine Grundlage aus dem Weißbuch bzw. Grünbuch. Das fehlt in Ihrem Antrag. Da haben Sie noch nachzubessern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7089302 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit 4.0 - Arbeitswelt von morgen |