Sebastian HartmannSPD - Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht
Sehr geehrte Frau Präsidentin, auch aufgrund schlechter Erfahrungen hier im Plenum: Die Promotion ist in meinem Fall nicht zutreffend.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe mich schon korrigiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das, was verschiedene Vertreter hier im Plenum bereits angesprochen haben, aufgreifen. Es ist auf den Fall Anis Amri und den Anschlag am Breitscheidplatz Bezug genommen worden. Aber wir stehen auch unter dem Eindruck des Attentats, das sich gestern in der Nähe des Parlaments in London ereignet hat. Wir haben im Fernsehen Opfer, Verletzte und traurige Bilder gesehen. Wir sind schockiert und verurteilen dieses abscheuliche Handeln.
Die Attentate, die uns jeden Tag über die sozialen Medien erreichen, haben alle ein Ziel: Sie sollen uns ängstigen, uns zu bestimmten Handlungen veranlassen und damit zu einer Veränderung unserer Denk- und Lebensweise führen. Es ist richtig, dass wir angesichts der Gewalt und der Taten, die wir an vielen Stellen der Welt erleben – im Übrigen auch in der Türkei oder im Irak, nicht nur in Belgien oder in Großbritannien –, gegenüber den wehrlosen Opfern nicht abstumpfen oder gar gleichgültig werden, sondern dass uns das bewegt. Es ist für einen demokratischen Rechtsstaat wichtig, dies deutlich zu machen. Aber wir müssen in aller Klarheit und aller Deutlichkeit auch sagen, dass die Terroristen das genaue Gegenteil dessen erreichen, was sie erreichen wollen. Denn der demokratische, freie Rechtsstaat ist nicht schwach; er ist stark. Unsere Gesellschaft ist zwar nicht immun gegen Angst und Terror, aber wir sind mutig. Wir sind Demokraten und handeln – das ist ganz wichtig – stets auf der Basis von Recht und Gesetz, und wir stellen uns auch unserer internationalen und humanitären Verantwortung. Das werden wir hier immer zu unserer Linie machen und auch durchhalten.
Unser Bundeskanzler Helmut Schmidt formulierte das so:
Sie
– die Terroristen –
wollen den demokratischen Staat und das Vertrauen der Bürger in unseren Staat aushöhlen. ... Der Staat muss darauf mit aller notwendigen Härte antworten.
Helmut Schmidt sagte uns auch: „Jeder weiß, dass es eine absolute Sicherheit nicht gibt“, und er sagte, es sei genauso klar: „Der Terrorismus hat auf Dauer keine Chance“.
Meine Damen und Herren, es bleibt das Ziel all unseren Handelns, größtmögliche Sicherheit zu organisieren und alles für einen starken und handlungsfähigen Rechtsstaat – ich betone: Rechtsstaat – zu tun.
Ich glaube, dass wir angesichts der Diskussionen und der notwendigen Gesetzesänderung, die wir jetzt vornehmen, eines noch einmal an den Anfang stellen müssen: Deutschland ist eines der sichersten Länder dieser Welt, und daran wird sich nichts ändern. Hierfür haben wir gehandelt, und hierauf können wir stolz sein.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Es bleibt auch richtig: Damit das so bleibt, haben wir eine Vielzahl von Gesetzen angepackt und Veränderungen vorgenommen. Die Verbesserung der Videoüberwachung wurde hier mit breiter Mehrheit beschlossen. Wir haben ein Gesetz zum Schutz unserer Einsatzkräfte und vieles mehr beschlossen, wir gehen gegen die organisierte Kriminalität vor, und wir verbessern den Informationsaustausch. All das haben wir getan.
Daneben haben wir den Stellenausbau vorangetrieben und entgegen dem alten Mantra der Neoliberalen gehandelt, Stellen abzubauen und den Staat mit wenigen Stellen schwach zu machen. Nein, wir haben gesagt: Wir wollen mehr Stellen in Polizei- und Sicherheitsbehörden haben. Auch das haben wir getan.
(Beifall bei der SPD – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie auch noch zum Gesetzentwurf?)
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden wir zu zwei Punkten kommen. – Lieben Dank, Frau Kollegin Amtsberg.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wollte Sie nur daran erinnern! Acht Minuten sind auch endlich!)
Wir befinden uns am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens, und man muss das manchmal auch entsprechend einordnen dürfen.
Wir reden über die Gefahrenabwehr und eine verbesserte Durchsetzung des Aufenthaltsrechtes. Es ist wichtig, dass wir hier einen Unterschied machen und einem bestimmten Fehler nicht erliegen. Es gibt nämlich einen großen Unterschied zwischen einem Flüchtling und einem Terroristen. Der Flüchtling flieht vor dem Terroristen, und er wird nicht durch sein Flüchtling-Sein zu einem Terroristen. Ganz viele der Flüchtlinge – 99,9 Prozent – wollen Schutz vor dem Terror, und dem werden wir weiterhin gerecht werden.
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen hier aber auch unterscheiden. Es gibt eine gewisse Zahl an hochgefährlichen Menschen, die zwar vollziehbar ausreisepflichtig sind, die wir aber nicht abschieben können. Darauf muss der Staat reagieren können. Die Zahlen sind genannt worden, und wir werden das in Zukunft mit diesem Gesetz auch tun können.
Eine Person darf bisher nur dann in Ausreisehaft genommen werden, wenn die Ausreise innerhalb von drei Monaten realistisch ist, und ich wende mich jetzt auch einmal an die Kolleginnen und Kollegen, die es sich mit ihrer Argumentation vielleicht etwas einfach gemacht haben.
Hier darf man nämlich einem Fehler nicht erliegen: Es wird die Argumentationslinie aufgemacht, man hätte den Herrn Anis Amri mal eben in Haft nehmen können, obwohl man wusste, dass er nach dem Gesetz nicht innerhalb der nächsten drei Monate abgeschoben werden kann. Man muss sich hier bei der Argumentation entscheiden. Hat man das Gesetz nicht entsprechend aufbereitet, sodass man ihn nicht in Haft nehmen konnte? Dann muss man es heute ändern. Und man darf den verantwortlichen Sicherheitsbehörden der Länder nachher nicht unterstellen – dieser Vorwurf ist im Innenausschuss ja auch gemacht worden –, man hätte das auf Verdacht tun können. Nein, auch die Sicherheitsbehörden – die Exekutive – sind stets an Recht und Gesetz gebunden. Sie müssen sich aber, wie alle Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Land, darauf verlassen können, dass wir dann, wenn wir diese Lücken erkennen, das Gesetz entsprechend anpassen, und darum geht es. Wir werden das ausweiten.
(Beifall bei der SPD)
Es geht nicht darum, pauschal jeden Ausländer zu treffen. Ein Asylverfahren kann damit ausgehen, dass man Asyl oder ein Recht zum Aufenthalt erhält oder nicht. Es gibt aber auch Menschen, die sich in unserem Land nichts zuschulden kommen lassen und trotzdem abgeschoben oder zur Ausreise bewegt werden müssen.
Herr Innenminister, wir werden der freiwilligen Rückkehr natürlich immer den Vorrang einräumen, damit wir aufgrund der hohen Zahlen auch zu guten Ergebnissen kommen. Unter denjenigen, die wir abschieben müssen, gibt es aber eine kleine, genau identifizierbare gefährliche Gruppe, die wir uns anschauen müssen. Diese müssen wir in den Fokus nehmen, wenn es darum geht, eine Abschiebehaft zu verhängen. Wir müssen den Schutz der Allgemeinheit sicherstellen und dafür sorgen, dass von dieser Gruppe keine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und das Leben der Menschen ausgeht. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist gut vertretbar. Darauf können wir uns im Gesetzgebungsverfahren verständigen.
(Beifall bei der SPD)
Es ist nicht so, wie immer unterstellt wird, dass man eine pauschale Verschärfung einfach so vornimmt. Der Deutsche Richterbund sagt hierzu:
Dies geschieht, indem weitere Sonderregelungen für Ausländer geschaffen werden, von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sowie Leib und Leben ausgeht. In Ansehung der erheblichen und konkreten Gefahren, die sich in der jüngeren Vergangenheit auch teilweise realisiert haben, stellen wir diese rechtssystematischen Bedenken jedoch zurück und stimmen den Regelungen zu.
Auch diejenigen, die bisher eine kritische Positionierung zu bestimmten Fragen der Innenpolitik eingenommen haben, sagen: An dieser Stelle wird mit Augenmaß gehandelt. Wir können dieser Gesetzesverschärfung zustimmen. – Ich glaube, dass das dazu einladen sollte, eine möglichst breite Mehrheit für diese Regelungen zu schaffen, um die Menschen in unserem Land zu schützen. Dies gilt auch für die Menschen, die in jüngster Zeit zu uns gekommen sind und Schutz vor Terror und Gewalt suchen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Wir werden im Gesetzgebungsverfahren aber auch kritische Punkte ansprechen müssen. Ja, jedem, der von diesen Maßnahmen betroffen ist und möglicherweise in Abschiebehaft genommen wird, muss der Rechtsweg in allen Fällen offenstehen. Richtervorbehalte sind angesprochen worden. Hier haben wir die Stellungnahme des Bundesrates zur Kenntnis genommen. Wir stehen am Anfang eines Gesetzgebungsverfahrens, in dem Anhörungen folgen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür sind wir im parlamentarischen Verfahren verantwortlich. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Deutschland so bleibt, wie es ist: eines der sichersten Länder der Welt. Darauf können sich die Menschen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch auf den Tribünen, verlassen. Das ist unsere Aufgabe.
Danke.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7089318 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht |