23.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 225 / Zusatzpunkt 3

Ursula Groden-KranichCDU/CSU - Aktuelle Stunde 60 Jahre Römische Verträge

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Durchsicht meiner Termine für diese Woche habe ich eine Einladung vermisst, nämlich die Einladung des Präsidenten des Deutschen Bundestages zu einem Empfang aus Anlass des 60. Jahrestages der Römischen Verträge. Nichts läge mir ferner, als unser Präsidium in dieser Frage zu kritisieren.

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)

Sicherlich ist der eigentliche Grund für das Ausbleiben dieser Einladung die derzeitige Fastenzeit. Aber gerade der Deutsche Bundestag als eines der europäischsten nationalen Parlamente in der EU hätte heute Grund zum Feiern und zur Freude.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Genau das sollten wir viel öfter tun. Wir sollten uns an dem erfreuen, was wir und die Generationen vor uns in Europa erreicht haben. Gerade in der schwierigen Phase, in der wir uns heute befinden, müssen wir aufhören, zu jammern, und müssen die Dinge stattdessen anpacken. Wo wären wir denn heute, wenn die Väter und Mütter der europäischen Einigung vor 60 Jahren nur gezaudert hätten? Sie haben sich anders entschieden. Sie gingen mutig voran, brachen mit tradierten Klischees und Rollenzuschreibungen und wagten das, was nur wenige Jahre und Jahrzehnte vorher undenkbar gewesen wäre: den Prozess der europäischen Einigung. Das ist ein historischer Verdienst, den man gar nicht hoch genug einschätzen kann.

Ich selbst bin leidenschaftliche Europäerin, und ich weiß auch, warum: Weil meine persönliche Geschichte und die meiner Familie mich dazu gemacht haben. Mein Vater wurde 1931 in Breslau geboren, in einer Zeit, in der die Länder unseres Kontinents von einer Welle des Nationalismus überspült wurden. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges musste er, wie so viele, seine Geburtsstadt verlassen. Er fand in Mainz eine neue Heimat. Gerade nach den grauenvollen Erfahrungen des Krieges war es für die Generation meiner Eltern geradezu unvorstellbar, dass die Menschen in Europa irgendwann nicht nur friedlich nebeneinander koexistieren, sondern auch gemeinsam ihre Zukunft aktiv gestalten. Die europäische Einigung mag vielleicht als Elitenprojekt gestartet sein, sie wurde aber zu einer Volksbewegung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Von dieser Volksbewegung hat meine Generation wiederum ganz maßgeblich profitiert. Grenzen verschwanden mit der Zeit – nicht nur auf dem Land, sondern immer mehr auch in den Köpfen. Wie viele andere konnte ich bei meinem ersten Schüleraustausch Dijon, die Partnerstadt meiner Heimatstadt, besuchen, Gleichaltrige treffen und das Land mit ihnen gemeinsam kennenlernen. Später, im Berufsleben, führten mich meine Wege nach Frankreich und England und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch zum Geburtshaus meines Vaters in Breslau.

Der Binnenmarkt mit seinen vier Grundfreiheiten bereichert doch unser aller Leben ungemein. Weil ich diese guten und positiven Erfahrungen, die mich so geprägt haben, machen durfte, freue ich mich umso mehr, dass meine Tochter derzeit in England zur Schule geht und dort Freunde aus aller Welt kennenlernt.

Dies alles wäre heute nicht möglich, wenn die Väter und Mütter der europäischen Einigung nicht bereit gewesen wären, neue Wege zu beschreiten. Heute können wir auf den Wegen gehen, die diese Generation uns bereitet hat. Daraus erwächst für uns eine besondere Verantwortung.

Als leidenschaftliche Europäerin darf ich auch feststellen, dass nicht alles in der EU gut läuft. Ja, wir haben viele Baustellen. Ja, der Grundsatz, Europa muss groß in großen Dingen und klein in kleinen Dingen sein, ist noch nicht bis in jede Ecke des Berlaymont und des Europäischen Parlaments vorgedrungen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieser Grundsatz eingehalten wird; Kollege Frei ist schon darauf eingegangen.

Der informelle Europäische Rat am kommenden Samstag ist ein weiterer Meilenstein in einem Prozess des Innehaltens und der Selbstprüfung für die Europäische Union. Die mit dem Weißbuch vorgelegten fünf Szenarien geben uns eine Möglichkeit, wieder über Europa zu diskutieren. Europa ist nicht nur ein Friedensgarant. Die Europäische Union ist als Wertegemeinschaft unsere einzige glaubhafte Antwort auf eine sich immer stärker globalisierende Welt und – ich sage es gerne noch einmal – gegen Nationalismus und Ausgrenzung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir künftig häufiger über das reden, was Europa in den letzten 60 Jahren zu einer besseren Heimat für uns alle gemacht hat, dann ist mir um die Zustimmung der Menschen zur EU nicht bange. Dazu müssen wir nur in Europa gemeinsam mutig vorangehen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Andrej Hunko das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7089351
Wahlperiode 18
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde 60 Jahre Römische Verträge
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