Dorothee SchlegelSPD - Aktuelle Stunde 60 Jahre Römische Verträge
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Seit der Antike wird der Kontinent Europa als Frau dargestellt. Dieser Logik folgend, feiert die Europa der Moderne in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag. Ihre Geburtsurkunde sind die Römischen Verträge – Europa hat Väter und Mütter –, und wir als überzeugte Europäerinnen und Europäer feiern mit ihr.
Wir feiern im Namen der Aufklärung und der Vernunft ein Europa, das von jeher Symbol für die Ideale von Freiheit, Demokratie und Gleichberechtigung ist. Wir feiern Europa vor allem mit einem Gefühl der Dankbarkeit als ein Symbol für 70 Jahre Frieden. Widerstände, Herausforderungen und Krisen setzen der europäischen Einigung hart zu. Vieles davon ist schon genannt worden: der Brexit, die Nachwehen der Finanzkrise, die hohe Anzahl an Flüchtlingen und das Erstarken der Nationalisten oder Rechtspopulisten.
Trotzdem: Europa ist eine Erfolgsgeschichte, und das europäische Projekt ist lebendig. Jugendliche zwischen Wien, Warschau, Budapest, Berlin, Lissabon und eben auch London schätzen Frieden und Freiheit. Dafür gehen sie auch wieder auf die Straßen; denn sie schätzen das grenzenlose Studieren, Arbeiten und Reisen. Die Mehrheit der jungen Europäerinnen und Europäer steht fest hinter der EU. Aktuelle Umfragen, wie sie auch Kollege Frei schon zitiert hat, bestätigen das. Es gibt also – generationenübergreifend – viele Europafans.
Meine Damen und Herren, „Europa ist unsere gemeinsame Zukunft“, heißt es in dem Entwurf einer Erklärung der 27 EU-Staaten, die beim Gipfeltreffen am 25. März 2017 verabschiedet werden soll. Lassen Sie mich ergänzen: Europa ist unsere Aufgabe und unsere Antwort; unsere Antwort auf große Aufgaben wie Klimaschutz, Flüchtlingsfrage oder Terrorabwehr, die sich nur gemeinsam bewältigen lassen. Das Vertrauen der Menschen in die europäische Idee muss also wieder und weiter gestärkt werden. Die Römischen Verträge und mit ihnen die zwölf goldenen Sterne strahlen bis heute Zuversicht aus.
Wir halten an unseren europäischen Werten und Idealen fest. Auf Populisten, die die Zeit zurückdrehen wollen, haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit über 150 Jahren die gleiche klare Antwort: Wir wollen ein soziales Europa, und zwar nicht erst seit gestern oder heute, Frau Kollegin Baerbock.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tja! Dann müssen Sie auch die Kompetenzen auf die EU übertragen!)
Wir wollen europaweite soziale Sicherungsstandards und mehr Investitionen, vor allem in gute Arbeit, berufliche Bildung und Ausbildung im Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Wir wollen Europa demokratischer gestalten und das EU-Parlament weiter aufwerten. Wir wollen die europäische Integration in der Sozial- und Wirtschaftspolitik weiterentwickeln. Die europäische Säule sozialer Rechte ist ein erster guter Schritt. Wir gehen mit auf diesem Weg zu einem Triple-A-Rating für Europa im sozialen Bereich.
Auf unserer Wunschliste zum 60. Geburtstag steht aber ganz klar, dass wir ein Europa des größten gemeinsamen Nenners wollen. Europa ist so viel mehr als ein Binnenmarkt. Es geht um Sicherheit, um Frieden, es geht um Bürger- und Menschenrechte, es geht um Demokratie und Freiheit. Das sind Errungenschaften in Europa, auf die wir stolz sind, für die wir kämpfen und die wir bewahren müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Referendum in der Türkei zur geplanten Verfassungsreform rückt näher. Wir erleben, dass sehr viele türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger diese europäischen Werte schätzen und nicht nur in Deutschland mutig auch für ein Nein werben.
Meine Damen und Herren, vom Vatikan hieß es im Vorfeld der Feierlichkeiten in Rom, der Mensch müsse wieder im Mittelpunkt der europäischen Politik stehen, und ich ergänze sehr gern: für Frauen und Männer gleichermaßen; denn in Deutschland – wie in vielen anderen Mitgliedstaaten – formieren sich neue konservative und rechtspopulistische Kräfte gegen eine fortschrittliche Geschlechter- und Familienpolitik. Aber Gleichstellung ist in der EU ein primärrechtlich verankertes Ziel seit 60 Jahren, siehe Artikel 119 der Römischen Verträge oder heute Artikel 141 des EG-Vertrages.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Daher wollen und müssen wir verhindern, dass Gleichstellung schleichend von der Agenda verschwindet. Die Europa der Moderne wird hierbei den Stier bei den Hörnern packen und ihm die Richtung weisen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt Iris Eberl das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7089365 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde 60 Jahre Römische Verträge |