23.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 225 / Tagesordnungspunkt 7

Waltraud WolffSPD - Arbeitslosenversicherung

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon heute Vormittag über die sich verändernde Arbeitswelt gesprochen – ich sage das nur für die Zuschauer – und haben dabei festgestellt, dass wir in Zukunft einen weitaus flexibleren Arbeitsmarkt erwarten. Der stellt genauso Anforderungen an Fortbildung und Qualifizierung wie auch an die soziale Absicherung von Arbeitslosigkeit – das Thema, über das wir jetzt reden.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Rahmen des Prozesses „Arbeit 4.0“ eine Langzeitprognose für den Arbeitsmarkt erstellen lassen. Diese Zahlen sind heute noch nicht genannt worden. Die gute Nachricht ist: Uns geht die Arbeit nicht aus, keine Frage. Wir stehen aber vor der riesigen Herausforderung, dass ungefähr 750 000 Arbeitsplätze in 27 Wirtschaftszweigen bis 2030 verloren gehen werden. Auf der anderen Seite werden aber in 13 völlig anderen Branchen 1 Million Arbeitsplätze entstehen.

Hinter diesen Zahlen stecken natürlich Tätigkeiten und Qualifikationen, die verschwinden, ebenso wie solche, die neu hinzukommen. Hinter diesen Zahlen stehen aber vor allem Menschen – Menschen, die in diesen Branchen arbeiten, die diese Berufe erlernt haben und die die entsprechenden Qualifikationen erworben haben. Diese Menschen brauchen Sicherheit. Erst einmal wollen sie sicher sein, dass die Arbeitslosenversicherung zahlt. Dann wollen sie sicher sein, dass sie nicht aufs Abstell­gleis geschoben werden. Sie wollen auch sicher sein, dass sie eine Qualifizierung erhalten, mit der sie einen dieser neuen Jobs bekommen können.

Ich komme aus Sachsen-Anhalt und weiß, wie lähmend die Angst sein kann, aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Das ist auch heute noch an der Tagesordnung. Die Zukunft des digitalen Arbeitsmarktes wird natürlich Chancen bringen; das ist unbestritten. Aber die Menschen trauen sich doch nur dann, neue Chancen zu ergreifen, wenn sie Vertrauen in die Arbeitslosenversicherung haben können.

(Beifall bei der SPD)

In einigen Punkten stimmen wir mit dem Antrag der Linken überein, insbesondere darin, dass die Qualifizierung einen besonderen Stellenwert bekommen muss. Aber wir brauchen mehr. Aus der Arbeitslosenversicherung muss eine Arbeitsversicherung werden.

(Beifall bei der SPD)

Aus der Bundesagentur für Arbeit muss eine Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung werden.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist sie doch schon!)

Darauf – das ist kein Wahlkampfgetöse; das will ich gleich abtun – zielt das Weißbuch der Bundesregierung ab. Da hat unsere Bundesministerin schon einiges getan.

Wir wissen: Der erlernte Beruf reicht heute nicht mehr aus. Das Schlagwort „lebenslanges Lernen“ müssen wir ernster denn je nehmen. Aus diesem Grund soll die Bundesagentur für Arbeit nicht erst bei Arbeitslosigkeit greifen. Sie soll nicht erst dann ins Spiel kommen, sondern Beschäftigte sollen in ihrem Berufsleben jederzeit eine unabhängige Beratung erhalten können.

(Beifall bei der SPD)

Jeder stellt sich doch die Fragen: Welche beruflichen Perspektiven habe ich mit meiner vorhandenen Qualifikation? Welche Optionen bleiben mir für eine berufliche Weiterbildung? Was ist für mich sinnvoll? – Die Bundesagentur soll für das gesamte Erwerbsleben Ansprechpartnerin für Weiterbildung sein, auch ohne Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um den Wiedereinstieg in Arbeit, aber nicht nur. Es geht auch darum, Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und zu sichern. Eine Arbeitsversicherung könnte im Bereich der Qualifizierung die notwendigen Schritte übernehmen. Natürlich gilt das umso mehr für Menschen, die arbeitslos sind. Kollegin Pothmer, Kollege Weiler und Kollege Zech, Sie alle haben gesagt: Das ist Wahlkampfgetöse! – Nein, ein Blick ins Weißbuch der Bundesregierung bringt ein bisschen mehr Klarheit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dort steht eindeutig drin: Erste Schritte haben wir mit der Novelle zum Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und zum Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz unternommen.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aber das alles nicht als Brücke in die Frührente!)

Es gibt nun für langzeitarbeitslose und geringqualifizierte Menschen einen besseren Zugang zu einer Weiterbildung, die auch zu einem Abschluss führt. Da müssen wir – das ist mir eine Herzensangelegenheit – nachlegen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Die Geschichte erzählt uns von vielen Berufen, die es schon lange nicht mehr gibt. Ich glaube, das Thema „digitale Arbeitswelt“ hat uns wieder an eine Zeitenwende gebracht; da stehen wir jetzt. Dass wir unsere sozialen Sicherungssysteme so gestalten, dass Menschen Sicherheit haben in Zeiten der Arbeit und auch der Arbeitslosigkeit, das ist unsere Aufgabe. Daran werden wir arbeiten. Das Weißbuch gibt uns die Grundlage.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7089594
Wahlperiode 18
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Arbeitslosenversicherung
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