Steffen KanitzCDU/CSU - Europaweiter Atomausstieg
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eigentlich schade, dass wir nach der großen Einmütigkeit in der Endlagerdebatte von heute Morgen – die, fand ich, sehr erfrischend war – ein Stück weit wieder in alte Muster verfallen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können ja zustimmen, Herr Kanitz! Sie müssen nicht in alte Muster verfallen!)
Ich verstehe das aber. Es sind Wahlkampfzeiten. Die Opposition sucht nach Möglichkeiten der Profilierung.
Ich will meinen Teil dazu beitragen, unsere Position deutlich zu machen. Ich beziehe mich hierbei insbesondere auf den Antrag der Linken, der auf unsägliche Art und Weise mit den Ängsten der Menschen spielt – ich zitiere –:
In den noch am Netz befindlichen Atomkraftwerken … besteht weiterhin die Gefahr eines katastrophalen Störfalls bis hin zur Kernschmelze.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Ja, das ist auch so!)
Meine Damen und Herren von der Linken, wir haben die sichersten Kernkraftwerke weltweit, die wir bis 2022 abschalten; darin sind wir uns völlig einig. Den Menschen zu suggerieren, dass diese nicht sicher sind und dass wir in Deutschland kurz vor einem GAU stehen, ist unverantwortlich, ist blödsinnig und entspricht in keiner Weise der Realität.
(Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gibt es denn kein Risiko? Keine Versicherung versichert das!)
Die Aussagen, die Sie zu Doel und Tihange treffen, zeigen, dass insbesondere Sie als Linke mittlerweile leider sehr ernsthaft im Zeitalter des Postfaktischen angekommen sind. Sie behaupten, dass das BMUB Hinweise habe, dass die Reaktordruckbehälter den Anforderungen bei schweren Störfällen nicht mehr gewachsen sein könnten. Das Gegenteil ist der Fall. Ich verweise auf die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen vom 15. März dieses Jahres, in der das BMUB sehr deutlich sagt – ich zitiere –:
Die Reaktordruckbehälter von Doel 1 und Doel 2 wurden vor der Genehmigung zum Wiederanfahren auf Wasserstoffflocken geprüft. Dabei wurde der ordnungsgemäße Zustand der Reaktordruckbehälter festgestellt …
Meine Damen und Herren, Sie skandalisieren einen Vorgang und operieren ganz offensichtlich mit falschen Behauptungen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ministerin ist trotzdem für die Abschaffung von Tihange!)
Das ist fahrlässig und schäbig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will das ergänzen. Das BMUB stützt seine Hinweise und Erkenntnisse auf eine unabhängige Kommission, die Reaktor-Sicherheitskommission, die in ihrer Kurzbewertung zu Doel/Tihange zu folgendem Ergebnis kommt:
… kann aufgrund der umfangreichen Untersuchungen und geführten Nachweise zu den RDB Doel-3 und Tihange-2 … davon ausgegangen werden, dass unter Betriebsbelastungen ein Integritätsverlust der drucktragenden Wand der RDB nicht zu unterstellen ist.
Aus heutiger Sicht gibt es keine konkreten Hinweise, dass die Sicherheitsabstände aufgezehrt sind.
Ich finde, das muss man zur Kenntnis nehmen, wenn man von Schrottreaktoren an den deutschen Grenzen spricht, in Wirklichkeit aber weiß, dass das Gegenteil der Fall ist.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind das denn für Reaktoren ohne jegliches Risiko, Herr Kanitz?)
Es ist so, dass der Bund eine ganze Menge tut. Wir haben gerade im letzten Dezember ein bilaterales Abkommen zur nuklearen Sicherheit geschlossen, das es uns ermöglicht, in Gespräche einzutreten. Genau das ist der Punkt. Nur wer spricht, kann auch auf die Standards Einfluss nehmen; wer nicht spricht, kann das eben nicht.
Kollege Kanitz, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Kotting-Uhl?
Gerne.
Vielen Dank, Herr Kanitz. – Ich beziehe mich auf Ihre Äußerung von gerade eben, dass Sie es für fahrlässig halten, die Defizite von Tihange so zu thematisieren, wie die Linke es in ihrem Antrag gemacht hat. Würden Sie denn auch das Verhalten der Bundesumweltministerin für fahrlässig halten, die in Richtung Belgien deutlich gefordert hat, dieses Atomkraftwerk aus Gründen der Sicherheit abzuschalten, und zwar endgültig?
Vielen Dank für die Frage, Frau Kollegin. – Das, was die Bundesumweltministerin getan hat, ist völlig richtig und ist auch im deutschen Interesse. Sie hat deutlich gemacht, dass wir gemeinsam mit den Belgiern Einfluss darauf nehmen wollen, dass die Sicherheitsstandards der Kernkraftwerke an der deutschen Grenze ordentlich und vernünftig sind und dass wir mit unseren deutschen Experten die Möglichkeit bekommen, dort hineinzuschauen. Sie hat ebenfalls gesagt, dass sie bis zum Abschluss der Prüfungen mit dem Wiederanfahren warten möchte. Das ist richtig, das ist konsequent, und das ist vernünftig.
Insofern zeigt das, dass diese Bundesregierung die Sorgen und Ängste der Menschen in der Grenzregion sehr ernst nimmt. Aber ich meine, wir sollten es nicht übertreiben und den Leuten suggerieren, sie müssten jetzt Jodtabletten besorgen.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das hat doch die NRW-Regierung gemacht!)
Mir haben in Dortmund, weit weg von Aachen, Apotheker genau das gesagt. Ich finde, das ist extrem sensibel. Wir sollten hier Aufklärung leisten und nicht skandalisieren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich komme zur Urananreicherungsanlage in Gronau, von der Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, sehr genau wissen, dass sie über eine unbefristete Betriebsgenehmigung verfügt. Der Ministerpräsident der damaligen rot-grünen Landesregierung Steinbrück war es, der einer Verdreifachung der Kapazität das Wort geredet hat. Das geschah laut der Antwort der rot-grünen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage im Jahr 2013, um auf deutsche Sicherheitsstandards zu setzen und nicht auf Anlagen im Ausland vertrauen zu müssen, die sich der Kontrolle der deutschen Behörden entziehen.
Wir haben am Standort über 300 Mitarbeiter, alle hochqualifiziert, und wir brauchen jeden dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit seinem Know-how in Deutschland. Sie wissen zu gut, dass alle Kernkraftwerke weltweit ihre Beschaffung von Brennelementen redundant aufgestellt haben. Es hilft uns überhaupt nichts, und wir tragen auch nicht dazu bei, dass der Ausstieg weltweit beschleunigt wird, wenn wir 300 hochqualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland streichen und gleichzeitig aus Fabriken in Großbritannien, den Niederlanden oder den USA liefern.
Urenco wurde in den Stresstest nach dem Reaktorunfall in Fukushima einbezogen. Die RSK kam zu einem ganz eindeutigen Ergebnis, nämlich dass die Anlage in Gronau deutliche Reserven gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse aufweist. Sie erreichen in allen unterstellten Lastfällen das höchste Stresslevel.
Deswegen muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass es sich hier um eine extrem gut geführte Anlage handelt, dass die Sicherheitsstandards sehr hoch sind, dass es große Reserven gegenüber hohen Belastungen gibt, gegenüber Erdbeben, gegenüber Überflutungen, und dass diese Anlage insofern mehr als sicher ist. Einem Weiterbetrieb dieser Urananreicherungsanlage steht damit weder rechtlich noch tatsächlich und sicherheitstechnisch irgendetwas im Wege.
Diese Einschätzung wird durch ein Rechtsgutachten der rot-grünen Landesregierung aus dem Jahr 2013 bestätigt. Dieses Rechtsgutachten kommt sehr unmissverständlich zu dem Ergebnis, dass der Betrieb der Urananreicherungsanlage in Gronau nach dem Atomgesetz zulässig ist, dass eine rechtssichere Beendigung des Betriebes der Anlage nicht möglich ist, dass es keine juristische Handhabe gibt, die Einstellung des Betriebes anzuordnen.
Ich zitiere jetzt einmal aus dem Gutachten, weil es, finde ich, sehr schön zeigt, dass man da auf einem Holzweg ist:
Allgemein und als Gesamtergebnis nahezu aller in diesem Gutachten behandelten Fragen ist schließlich nachdrücklich von einem rein politisch motivierten Vorgehen gegen die Urananreicherungsanlage in Gronau bzw. die hierfür erteilten Genehmigungen auf der verwaltungsrechtlichen Ebene abzuraten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit 2013 hat sich an dieser Einschätzung nichts geändert. Wir stehen zu dem Betrieb in Gronau auch weiterhin. Es ist nicht nur so, dass die Beendigung des Betriebs aus Gründen der Rechtssicherheit nicht geht, sondern es geht auch deshalb nicht, weil wir über den Staatsvertrag von Almelo, der natürlich das Ziel hat, dass wir uns mit den Niederlanden und Großbritannien verbünden, um die nukleare Nichtverbreitung sicherzustellen, völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen sind.
Ich füge hinzu: Sie wollen ja aus jeglicher Nukleartechnik aussteigen. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob wir dann nach wie vor verlangen könnten, dass Standards, die durch die IAEO kontrolliert werden, auch eingehalten werden. Ich bin eher der Auffassung, dass wir dafür sorgen sollten, mehr Mitspracherechte zu bekommen, dass wir im deutschen Sicherheitsinteresse dafür sorgen sollten, dass beispielsweise das Atomabkommen mit dem Iran eingehalten wird, und dass wir nicht aus jeglicher Nukleartechnik aussteigen, weil wir dann nicht mehr die Möglichkeit der Einflussnahme hätten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, das Gutachten kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass, sofern Gronau aus rein politisch motivierten Gründen geschlossen werden sollte, umfangreiche Schadensersatzansprüche auf uns zukämen. Der Wert des Unternehmens, Stand 2013, lag bei etwa 10 Milliarden Euro. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es sinnvoll wäre, wenn der Staat diese 10 Milliarden Euro übernähme. Ich bin mir ziemlich sicher – andersherum gesprochen –, dass das nicht sinnvoll ist, sondern dass es sich um ein rein politisch motiviertes Vorgehen handelt. Wir brauchen diese hochqualifizierten Arbeitsplätze in Deutschland. Die Anlage leistet Hervorragendes.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7089639 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Europaweiter Atomausstieg |