Sylvia PantelCDU/CSU - Rechte indigener Völker
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute beschäftigen wir uns im Bundestag zum wiederholten Male – wie Sie das eben auch gesagt haben – mit dem Thema der Ratifizierung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation zu indigenen Völkern.
Als indigene Völker bezeichnet man die Nachfahren der Erstsiedler einer Region. Wir haben eben schon mehrfach gehört, dass es ungefähr 370 Millionen Indigene gibt, die in etwa 90 Staaten leben. Sie machen knapp 5 Prozent der Weltbevölkerung aus. Das ist schon eine beachtliche Zahl.
(Beifall des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Von den 7 000 Sprachen, die weltweit existieren, werden mehr als 4 000 Sprachen von indigenen Völkern gesprochen. Die internationale Gemeinschaft hat sich den Schutz der Rechte indigener Volksgruppen, ihrer Kultur und ihres Lebensraums zur Aufgabe gemacht, um der Gefahr von Diskriminierung und Ausgrenzung entgegenzuarbeiten.
Die Internationale Arbeitsorganisation hat bereits 1989 ein Übereinkommen zum Schutz indigener Völker verabschiedet. Eine mögliche Ratifizierung dieses Übereinkommens, der Konvention 169, wurde seitdem mehrfach geprüft. Bisher haben nur 22 der 187 Mitgliedstaaten der ILO dieses Übereinkommen ratifiziert.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht gut!)
Bei den Unterzeichnern handelt es sich hauptsächlich um lateinamerikanische Länder mit einem hohen indigenen Bevölkerungsanteil. Das ist nur konsequent;
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
denn die ILO-Konvention 169 richtet sich eben an Staaten, auf deren Gebieten indigene Bevölkerungsgruppen leben. Das trifft auf Deutschland – wir haben es eben schon festgestellt – nicht zu. Das ist einer der Gründe, warum die Bundesregierung bisher davon Abstand genommen hat, das Übereinkommen zu ratifizieren; aber eben nur einer der Gründe. Bisher haben auch nur vier europäische Staaten – auch das wurde erwähnt – diese Konvention aus Solidaritätsgründen ratifiziert.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Können wir auch machen!)
– Liebe Kollegen, Sie kennen doch die Realität. Sie wissen doch, dass selbst die Länder, die ratifiziert haben, die Rechte der indigenen Völker praktisch kaum beachten.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist aber keine Erklärung!)
– Es ist keine Erklärung, wie Sie sagen – mag ja sein –, aber es ist ein Beleg dafür, dass die Ratifizierung schlechthin keine Hilfe sein muss.
Wir setzen uns anders für die Rechte der indigenen Völker ein. Wir halten es nicht für nötig, die Konvention zu unterzeichnen. Bereits im September 2007 hat die Bundesregierung bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit eindeutiger Mehrheit zusammen mit 143 von 158 Staaten für die Rechte indigener Völker gestimmt.
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Frage oder Bemerkung von Herrn Ströbele?
Ja.
Herr Ströbele, bitte.
Danke, Frau Präsidentin. – Danke, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. – Sie wissen vielleicht, dass in diesen Staaten Lateinamerikas sehr häufig die Rechte indigener Völker in der jeweiligen Verfassung verankert sind, es leider trotzdem mit der Wahrung dieser Rechte häufig nicht weit her ist – häufig, nicht immer natürlich. In diesem Zusammenhang meine Frage: Wir diskutieren heute nicht zum ersten Mal im Deutschen Bundestag über dieses Thema, sondern schon zum x-ten Mal. In Deutschland steht immer ein Diskussionspunkt im Raum – das war schon zur Zeit von Rot-Grün so –: Wir erkennen das nicht an, weil wir die Sorben im Land haben. – Ist Ihnen das bekannt? Teilen Sie die Sorge, dass die Sorben in Deutschland zu viele Rechte bekommen könnten, insbesondere was die von ihnen besiedelten Gebiete betrifft?
Nein, diese Sorge teile ich nicht. Wenn Sie meinen Ausführungen bis zum Schluss lauschen, werden Sie eine Antwort auf diese Frage bekommen. Ich möchte meine Rede nicht zerrupfen. Ich werde diesen Aspekt aber behandeln. Wenn Sie danach noch Fragen haben, können Sie diese dann gerne stellen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)
Schauen wir mal.
(Heiterkeit)
Ich glaube, Fragen lassen Sie immer zu, oder?
Verbindliche Standards zielen darauf ab, die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen zu sichern. Artikel 46 dieser Erklärung zählt die Schutzrechte der Indigenen ausführlich auf. Die große Zahl an Unterzeichnern, zu denen eben auch die Bundesregierung gehört, unterstreicht die besondere Wahrnehmung indigener Völker seitens der internationalen Gemeinschaft und die Wichtigkeit, die ihnen beigemessen wird.
Die Bundesregierung setzt sich bei den Vereinten Nationen und in ihrer Zusammenarbeit mit anderen Regierungen permanent für die Verbesserung der Lage indigener Bevölkerungsgruppen ein. Unser Schwerpunkt liegt auf der Wahrung ihrer Rechte zur Kontrolle über ihre Einrichtungen, ihre Lebensweise, ihre wirtschaftliche Entwicklung, ihre Identität, Sprache und Religion. Wir unterstützen die zügige Umsetzung von Verfassungsvorschriften in den betroffenen Ländern sowie die Einbindung in die politischen Prozesse.
Die deutsche Entwicklungspolitik ist entlang menschenrechtlicher Standards so ausgerichtet, dass die Stärkung und Unterstützung indigener Völker immer im Blickfeld ist. So fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit über 28 Millionen Euro Projekte, die die Rechte indigener Völker stärken. Die Gesamtsumme der verschiedenen Förderprojekte liegt weitaus höher. Für den Erhalt und Ausbau interkultureller Universitäten Indigener werden über 6 Millionen Euro und für die Stärkung indigener Organisationen in Lateinamerika über 14 Millionen Euro investiert. Außerdem stärken wir indigene Völker in Honduras mit 30 000 Euro. Das heißt, es laufen verschiedene Projekte. Die Zahlen kann man nicht im Einzelnen ausweisen; aber die Bundesregierung macht da eine ganze Menge.
Unsere Politik orientiert sich auch an den Leitlinien der Vereinten Nationen von 2011 zu Menschenrechten und Wirtschaft. Die OECD-Leitlinie für verantwortungsvolle Landpolitik ist ebenfalls Grundlage unserer Entwicklungspolitik. Die Liste ist lang. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat 2011 die Achtung der Menschenrechte indigener Völker mit dem Konzept „Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik“ ausdrücklich verankert. Zusätzlich unterstützt die Bundesregierung die Überarbeitung der Schutzstandards der Weltbank, um so einen besseren Schutz indigener Bevölkerungsgruppen zu erreichen.
2014 fand im Rahmen der UN-Generalversammlung zum ersten Mal eine Weltkonferenz indigener Völker statt. UN-Mitgliedstaaten und Vertreter indigener Völker nutzten diese Möglichkeit, um auf die Situation indigener Völker aufmerksam zu machen. Die Entwicklungspolitik in unserem Land unterstützt das Ziel der Konferenz, eindeutige Schritte für die Verwirklichung der Rechte indigener Völker einzuleiten. Eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Rechte ist die aktive Mitarbeit der indigenen Völker.
All diese erwähnten Projekte der internationalen Gemeinschaft enthalten Rechte, die in wesentlichen Punkten über die ILO-Konvention 169 hinausgehen. Die Grünen – das sagten Sie eben – fordern in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, diese Konvention zu ratifizieren, obwohl sie wissen müssten, dass die Ratifizierung kaum etwas an der Situation der Indigenen vor Ort geändert hat.
Bislang wurde diese Konvention von 22 der 187 ILO-Mitgliedstaaten ratifiziert. Allein diese Zahl zeigt, wie wenig davon erwartet wird. Ein Blick auf die Unterzeichnerliste lässt schnell erkennen, dass fast ausschließlich lateinamerikanische Länder die Resolution ratifiziert haben. Dies ist auch verständlich: Diese Konvention richtet sich nämlich in erster Linie an diejenigen Länder, in denen indigene Völker leben. Es leben natürlich auch indigene Völker in Ländern, die diese Konvention nicht ratifiziert haben. In Deutschland – das haben wir eben und auch schon mehrfach gesagt – leben eben keine.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Die Sorben!)
Eine Ratifizierung durch die Bundesregierung wäre nur eine symbolische Geste und würde an der Situation indigener Bevölkerungsgruppen nur wenig ändern. Unserer Regierung geht es aber in erster Linie eben nicht um symbolische Gesten, sondern um konkrete Taten. Deshalb befürworten wir es nach wie vor, wenn die Länder mit indigenen Bevölkerungsgruppen diese Konvention ratifizieren – und eben nicht Deutschland.
Die Berücksichtigung der Interessen indigener Völker ist seit Jahren nicht nur fester Bestandteil deutscher Entwicklungspolitik, sondern eben auch der Außen- und Wirtschaftspolitik. Um sich für die Rechte indigener Völker einzusetzen, bedarf es nicht der Ratifizierung.
(Beifall des Abg. Michael Brand [CDU/CSU])
In Deutschland leben Minderheiten, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wie zum Beispiel die Friesen und Dänen im Norden und die Sorben im Osten sowie die Sinti und Roma im restlichen Gebiet der Bundesrepublik.
(Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Schwaben in Berlin! – Heiterkeit)
– Manchmal sind die Fähigkeiten der Schwaben gar nicht schlecht. Denn man muss ja gucken, dass man das Geld zusammenhält, damit man es für das Richtige ausgibt.
(Heiterkeit)
An dieser Stelle möchte ich auf unseren Ansatz der integrativen Minderheitenpolitik hinweisen. Er steht im Gegensatz zu dem segregativen Ansatz der Konvention. Auch aus diesem Grund halten wir die Ratifizierung weder für notwendig noch für sinnvoll.
Sie führen das Argument an, Deutschland solle wie beispielsweise die Niederlande die Konvention aus solidarischen Gründen ratifizieren. Diese Möglichkeit hätten Sie – lieber Herr Ströbele, Sie hatten es angedeutet – bereits 1999 bis 2005 gehabt. Auch Sie hatten damals keine Solidarratifikation vorgenommen.
(Michael Brand [CDU/CSU]: Innenminister Ströbele, das wäre ja zu schön gewesen!)
Wir sind der Ansicht, dass sich die Situation der indigenen Völker durch die Ratifizierung dieser Konvention nicht verbessern würde. Wir erwarten eine Ratifizierung von denjenigen Ländern, in denen indigene Völker angesiedelt sind. Außerdem ist nicht die Ratifizierung, sondern sind die Achtung und die Einhaltung der Rechte der indigenen Völker wichtig. Da die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 durch Deutschland keine direkte Verbesserung bewirken würde, unterstützen wir die Vorgehensweise der Bundesregierung.
Die Einhaltung der Rechte dieser Bevölkerungsgruppe ist erstrebenswert. Selbstverständlich unterstützen wir die Rechte der Minderheiten, und das zeigen wir in unserer umfangreichen Entwicklungshilfe und in Taten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Seit Jahrzehnten setzen wir uns in Deutschland erfolgreich für die Integration von Minderheiten ein. Wir setzen auf Integration und nicht auf Segregation. Deshalb ist der segregative Ansatz der ILO-Konvention aus unserer Sicht nicht erstrebenswert, und wir lehnen eine Ratifizierung ab.
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Schade!)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin Pantel. – Letzter Redner in dieser Debatte: Tom Koenigs für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7089898 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Rechte indigener Völker |