23.03.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 225 / Tagesordnungspunkt 14

Wolfgang GunkelSPD - Fluggastdatengesetz

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst den Hinterbliebenen der Opfer des Londoner Anschlags mein Beileid ausdrücken. Es war erschütternd, zu sehen, wie schnell uns das Thema wieder einholt, was das Erleben und Bekämpfen von Terrorismus angeht.

Insofern ist es natürlich schwer, am vorliegenden Gesetzentwurf etwas zu kritisieren. Ich will aber trotzdem einige Schwachstellen aufzeigen. Herr Krings, Sie haben den großen Rahmen vorgegeben und erläutert. Der Kollege Korte hat darauf hingewiesen, dass es auch entscheidend sein kann, hier etwas zurückzustecken.

2004 wurde ein Gesetz beschlossen, nach dem wir mit API-Daten, die von der Bundespolizei erhoben werden, ausgestattet werden. Dieses Personalienpaket reicht nach unserer Auffassung vollkommen aus als Grundlage zur Bekämpfung des Terrorismus. Die Erweiterung der Regelungen ist nach meiner Ansicht sehr großzügig ausgefallen. Beispielsweise verstehe ich nicht, warum man zur Bekämpfung des Terrorismus den Namen der Sachbearbeiterin im Reisebüro benötigt. Aber das ist nur ein Punkt. An und für sich geht es nicht darum, die Speicherfristen anzugreifen oder Ähnliches. Es ist sicher richtig, dass man vor Abflug wissen muss, wer im Flugzeug sitzt und wer unter Umständen als Gefährder angesehen werden kann. Insgesamt hätten wir es gut gefunden, wenn das Ganze etwas weniger komfortabel ausgefallen wäre. An der Umsetzung dieser Richtlinie werden wir aber nicht vorbeikommen. Insofern will ich das an dieser Stelle so stehen lassen.

Des Weiteren ist interessant, wie man die Verknüpfung zu den anderen Daten herstellen will. Ich weise hier insbesondere auf das Schengener Informationssystem II hin. Man kann feststellen, dass vier europäische Staaten überhaupt nicht involviert sind, nämlich Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Zypern. Das heißt, schon da entstehen erhebliche Sicherheitslücken. Zudem werden die Schengener Informationssysteme mithilfe biometrischer Daten aufgerüstet. Ich frage mich, wie das in der PNR-Gesetzgebung Berücksichtigung findet und wie die Daten abgerufen werden sollen. Diese sich abzeichnenden Sicherheitslücken könnten doch von Bedeutung sein.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Bundespolizei, die nach § 31a des Bundespolizeigesetzes bisher die Daten erhoben hat, Bestandteil dieses neuen Systems wird. Ich war der Auffassung, dass es vielleicht gar nicht so schlecht gewesen wäre, wenn man diese Aufgabe bei der Bundespolizei belassen hätte, anstatt eine neue Behörde damit zu beauftragen, die erst anfangen muss, dieses System aufzubauen.

Die Erfahrungen, die die Bundespolizei mit dem Gesetz gemacht hat – das ist entscheidend –, liegen vor. Im Jahr 2015 sind bei 100 000 Flugdaten insgesamt 550 000 Euro an Gebühren für Ordnungswidrigkeiten angefallen. Das bedeutet also, dass bei immerhin 1 100 Flügen, wenn man 500 Euro als Mindeststrafe nimmt, keine Daten übermittelt worden sind.

Jetzt hat man sich für das INPOL-System entschieden, was richtig ist; alles andere wäre datenrechtlich noch problematischer gewesen. Das bedeutet also, dass man, wenn man dies verhindern will, sehr stark auf Außenhilfe, nämlich auf die Fluggesellschaften, angewiesen ist. Ich glaube, das ist einer der Punkte, die man noch einmal überdenken muss.

Insgesamt gesehen kommt zum Tragen – der Richterbund ist schon zitiert worden; ich will das nicht wiederholen –, dass wir neben dem, was bei SIS II und den anderen Datenschutzsystemen herauskommt, am Ende doch einige Unsicherheiten haben, und die sind natürlich auch für die Folgezeit von Bedeutung. Ich will daran erinnern, dass wir noch eine Anhörung haben werden. Ich weiß, dass dies nicht viel ändern wird.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, bitte!)

Das Gesetz kommt so, wie es vorgesehen ist. Das war schon immer so; daran hat sich nicht viel geändert. Es ist aber interessant, zu hören, was die Experten dazu sagen werden. Ich glaube, daraus kann noch die eine oder andere Erkenntnis erwachsen. Vielleicht gelingt es ja, hier noch die eine oder andere Veränderung vorzunehmen.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Eben!)

Ich will noch etwas zu den Datenschutzbestimmungen sagen. Wir haben schon einmal kurz darüber gesprochen. Es ist der Hinweis auf die Drittstaatenregelung, die ich noch einmal anführen will. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum BKA-Gesetz gesagt: An Staaten, die menschenrechtswidrige Verhältnisse haben oder die nicht sicherstellen können, dass mit einem erheblichen datenrechtlichen Standard mit den Daten umgegangen wird, sollte nicht übermittelt werden. – Auch das ist eine Frage der Interpretation. Ihr verweist immer auf die §§ 78 bis 80 Datenschutzgesetz, in denen das drinstehen soll.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Steht ja auch drin!)

Das ist alles gut und schön; aber bei den Begriffen gibt es Interpretationsmöglichkeiten. So kommt es auf denjenigen an, der entscheidet, wer was übermitteln darf, wer beispielsweise Menschenrechte verletzt oder wer nicht datenrechtliche Standards voraussetzt, wie wir hier in Europa. Wer Daten abgibt, der hat die Kontrolle darüber verloren.

Das sind die Punkte, die ich hier noch einmal anführen wollte. Es ist klar, dass wir in der derzeitigen Lage nicht gegen diesen Gesetzentwurf sprechen können. Wir werden ihn natürlich befürworten. So wird die SPD-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Damit habe ich nicht mehr gerechnet!)

Vielen Dank, Wolfgang Gunkel. – Nächster Redner: Dr. Konstantin von Notz für Bündnis 90/Die Grünen.

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Jetzt kommt ein Befürworter!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7089909
Wahlperiode 18
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Fluggastdatengesetz
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